Estland - bald 17. Staat der Eurozone

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Von Euronews
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Er hat Estland sicher durch die Finanzkrise gelotst: Ministerpräsident Andrus Ansip ist seit fünf Jahren im Amt und Vorsitzender der liberalen Estnischen Reformpartei. Sie stellt zusammen mit den Konservativen die Regierungskoalition. Ansip steuerte Estland auch in den sicheren Hafen der Eurozone – im Gegensatz zu einigen anderen EU-Mitgliedern.
Momentan benutzen sechzehn Staaten die europäische Einheitswährung. Zum 1. Januar wird Estland das 17. Mitglied im Euro-Club. Auf der estnischen Münze sind dann die Umrisse des nordeuropäischen Landes zu sehen.
Ansip stellte sich den euronews-Fragen auf dem Balkon des Regierungsgebäudes in Tallinn.

Hans van der Brelie – euronews:
“Sie werden bald den Euro bekommen, während andere Länder in Mittel- und Osteuropa versuchen, die Einführung der europäischen Einheitswährung zu verschieben. Warum Sie nicht?”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Hier in Estland glauben wir, dass der Euro den Handel mit den EU-Mitgliedsländern begünstigen wird. 70 Prozent unserer Waren werden in die anderen EU-Staaten exportiert. Der Euro wird den Handel unterstützen. Er wird Estland attraktiver für die ausländischen Direkt-Investitionen machen. 70 Prozent der Direktanlagen für die estnische Wirtschaft stammen aus unseren Nachbarländern: Aus Schweden und Finnland. Investoren dieser Staaten können den kleineren nationalen Währungen nicht einfach so vertrauen. Sie setzen eher auf den Euro, weil er eine starke Währung ist.”

euronews:
“Um Ihr Land für die Einheitswährung fit zu machen, haben sie rigide Sparmaßnahmen in der Wirtschaft durchgesetzt. 20 Prozent der Bevölkerung sind arm oder sehr arm. Ist der Preis für die Einheitswährung nicht zu hoch?”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Wir müssen unsere konservative Finanzpolitik sowieso fortsetzen. Die Menschen müssten einen wirklich hohen Preis zahlen, wenn das Defizit hoch wäre; zum Beispiel in Ländern wie Griechenland, wo der Preis für Kredite sehr teuer ist, weil das Defizit hoch ist.
Estland war relativ gut gegen die internationale Finanzkrise gewappnet. Während der früheren besseren Jahre konnte das Land bemerkenswerte Reserven ansammeln. Wir konnten unsere öffentlichen Schulden tilgen. Und nun zeigt sich, dass wir immer noch Reserven von etwa zehn Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts vorrätig haben. Die öffentliche Verschuldung in Estland ist die niedrigste in der gesamten Europäischen Union: Sie liegt bei nur 7,2 Prozent.”

euronews:
“Jenseits der Hauptstadt befindet sich ein Nachbar der Europäischen Union namens Russland. Die EU hat gewisse Probleme, ihre Russland-Politik klar zu definieren. Welche Position hat Estland? Welche zukünftige Beziehung sollte die EU zu Russland haben?”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Sicherlich will Russland visafreies Reisen für die gesamte Europäische Union erreichen. Aber zunächst muss das Land einige Kriterien erfüllen…”

euronews:
“ … die da wären…?”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Sie müssen alle diejenigen zurückholen, die illegal die Grenzen überquert haben. Sie müssen alle Bürger mit Reisepässen versorgen. Heutzutage haben nämlich nicht alle Russen solche Reisepässe. Und sicherlich ist es auch nicht normal, dass EU-Bürger sich in allen Städten registrieren lassen müssen, wenn sie durch Russland reisen.”

euronews:
“Schätzungsweise ein Drittel der estnischen Bevölkerung hat Russisch als Muttersprache. Warum wird Russisch nicht als zweite offizielle Sprache anerkannt? Das würde Spannungen glätten, denn kürzlich wurden wir Zeuge von Zustammenstößen zwischen den russischen und estnischen Gemeinschaften.”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Unsere offizielle Landessprache ist Estnisch, und jeder hier in Estland muss sie lernen.”

euronews:
“Als ich mit den russischen-sprachigen Einwohnern Estlands sprach, habe ich sehr harsche Kritik gehört: Menschen sprachen von einer Art “Apartheid”-System, in dem sie leben…”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Ich glaube nicht, dass das stimmt…”

euronews:
“Warum nicht? Die russisch-sprachigen Esten sagen: wir bekommen nur schwer eine Arbeit oder einen Pass…”

Andrus Ansip, Estlands Ministerpräsident:
“Während der Krise ist es generell nicht leicht, einen neuen Job zu finden. Auf London, New York oder Peking trifft das genau so zu wie auf Estland.”

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