UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: "Ich bin von der kulturellen Vielfalt überzeugt"

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: "Ich bin von der kulturellen Vielfalt überzeugt"
Von Euronews
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Ban Ki-moon hat vermutlich einen der schwierigsten Jobs der Welt. Als UN-Generalsekretär ist es seine Aufgabe, für eine ganze Reihe schwieriger Fragen auf internationaler Ebene Lösungen zu finden: Klimawandel, Immigration, Entwicklung, Armut, die nuklearen Ambitionen des Iran, die Palästinenser. Euronews kam mit Ban Ki-moon anlässlich seines Besuchs im Europaparlament in Straßburg zusammen und befragte ihn zu einigen der schwierigsten Themen.

Das Gespräch führte Christophe Midol-Monnet, Euronews.

Euronews:
Herr Generalsekretär, willkommen bei Euronews. In den kommenden Wochen wird der Klimawandel erneut ganz oben auf der internationalen Agenda stehen. Stimmen Sie Jose Manuel Barroso darin zu, dass beim für Dezember geplanten Gipfel in Cancun eine Erneuerung des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz voraussichtlich keine Chancen haben wird? Warum sind die Verhandlungen so schwierig?

Ban Ki-moon:
Dies ist eine Frage des politischen Willens der Mitgliedsstaaten: Die internationale Gemeinschaft ist sich dessen bewusst, dass der Klimawandel ein entscheidendes Thema unserer Zeit ist. Das steht außer Frage. Möglicherweise kommen wir nicht zu einem Abkommen, dass von allen akzeptiert wird, das umfassend und rechtlich bindend ist. Doch wir haben konkrete Fortschritte beim Schutz vor der Abholzung und der Zerstörung der Wälder erzielt: Es ist uns gelungen, finanzielle Hilfsmittel rasch zur Verfügung zu stellen, Entwicklungsländer zu unterstützen, die Technologie anzupassen und neue Kompetenzen zu entwickeln. Diese fünf Bereiche müssen wir weiterentwickeln, so dass wir im nächsten Jahr in Südafrika raschere Fortschritte erzielen können. Doch wir werden alles tun, um in Cancun so viele Fortschritte wie möglich zu erzielen.

Euronews:
Obwohl Immigration wirtschaftlich notwendig ist, wird sie in Europa mehr und mehr als soziale und politische Bedrohung wahrgenommen. Angela Merkel hat den Multikulturalismus vor kurzem als gescheitert bezeichnet. Haben Sie den Eindruck, dass der Nationalismus in Europa zunimmt? Sind Sie darüber besorgt?

Ban Ki-moon:
Ich weiß, dass es zum Thema Arbeitsmigranten und Minderheiten in einigen Ländern Europas Kontroversen gibt. In dem Maß, in dem die UN davon betroffen sind, und in meiner Eigenschaft als Generalsekretär drängen wir die Mitgliedsstaaten dazu, die Menschenrechte jener Menschen zu gewährleisten und zu schützen, deren Menschenrechte möglicherweise beschnitten werden und nicht geschützt sind. Die Vereinten Nationen haben die Initiative ergriffen und zu einem internationalen Forum zum Thema ‘Migration für Entwicklung’ geladen. Wir sind bereits drei Mal zusammengekommen und werden weitermachen. Ziel dieser Treffen ist, den Beitrag der Arbeitsmigranten zu Gunsten der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung einzusetzen.

Euronews:
Europa ist aus Ihrer Sicht von der Migration nicht stärker betroffen als andere Kontinente?

Ban Ki-moon:
Es handelt sich um ein Phänomen, das es überall gibt. Die Menschen neigen dazu, Arbeitsmigranten als DIE Anderen zu betrachten. Sind wir aber großzügig genug und zeigen eine größere Aufnahmebereitschaft, können diese Menschen zu unseren werden. Denn auch die Menschen unserer Länder können in anderen Ländern als DIE Anderen betrachtet werden. Der soziale Einschluß ist sehr wichtig. Ich bin von der kulturellen Vielfalt überzeugt. Und ich glaube an Mobilität. Kulturelle Vielfalt sollte gefördert und respektiert werden.

Euronews:
Was erwarten Sie bezüglich der internationalen Solidarität vom G20-Gipfel, der im kommenden Monat in Seoul stattfindet?

Ban Ki-moon:
Zum ersten Mal in der Geschichte der G20 steht Entwicklung auf der Agenda der politischen Führer. Sie werden darüber debattieren, wie ihre finanzielle Situation konsolidiert und wie gespart werden kann. Zugleich werden die G20-Führer darüber sprechen, wie man wieder Hoffung vermitteln kann und was angesichts großer Armut zu tun ist. Im weiteren wird es um Entwicklungsfragen und um den Klimawandel gehen. Das ist ermutigend.

Euronews:
Die Verhandlungen mit dem Iran im Zusammenhang mit der Nuklearfrage sollen in Kürze in Wien wieder aufgenommen werden. Sind die UN und die Europäische Union in Sachen Iran und im allgemeinen in der nuklearen Nicht-Weiterverbreitung auf der gleichen Wellenlänge?

Ban Ki-moon:
Darüber habe ich mit Lady Ashton gesprochen. Ich bin zuversichtlich, dass die Gespräche inzwischen in die richtige Richtung gehen. Wann immer und wo immer ich Vertretern des Iran begegnet bin, habe ich sie aufgefordert, zum Dialog zurückzukehren und Verhandlungen mit den E3+3-Staaten aufzunehmen. Es sieht so aus, als komme es Anfang November dazu. Als Generalsekretär werde ich keine Mühe scheuen, um den Verhandlungsprozess zu ermöglichen. Es gibt keinen anderen Weg als jenen des Dialogs, um diese Frage friedlich zu lösen.

Euronews:
Welches ist Ihre Meinung zu einem Vorschlag, der immer öfter gemacht wird: Palästina als neues Mitglied in die UN aufzunehmen?

Ban Ki-moon:
Palästina und Israel befinden sich in einem Prozess der Friedensverhandlungen, die wegen der Siedlungsfrage eingefroren worden sind. Als Mitglied des Nahost-Quartetts und als Generalsekretär der Vereinten Nationen habe ich mit den betroffenen Seiten hart gearbeitet, sowohl mit Israel als auch mit Palästina, mit wichtigen Mitgliedern der Arabischen Liga und mit den USA. Wir hoffen, dass der Friedensprozess so bald wie möglich wieder aufgenommen wird und dass wir die Vision von zwei Staaten verwirklichen können, derzufolge Israel und Palästina in Frieden und Sicherheit Seite an Seite zusammenleben können. Wenn es so weit ist, können die Palästinenser als neuer Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen aufgenommen werden.

Euronews:
Herr Generalsekretär, vielen Dank.

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