"Die Märkte warten auf Ergebnisse", Herman Van Rompuy

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Interview mit dem Präsidenten des EU-Rats, Herman Van Rompuy
Von Sergio Cantone

Die Reform des Euro-Stabilitätspaktes steht im Mittelpunkt des EU-Gipfeltreffens an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel. Dem Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, obliegt es diesmal, die anderen Mitgliedsstaaten von dem Dokument zu überzeugen, das Deutschland und Frankreich vorgeschlagen haben. In einem Exklusiv-Interview mit Euronews äußerte sich Van Rompuy dazu sowie zu anderen Fragen.

euronews:
Herr Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, willkommen bei Euronews. Welches ist Ihre Aufgabe angesichts des Vorschlags Frankreichs und Deutschlands, den Stabilitätspakt zu reformieren?

Herman Van Rompuy:
Weil die Mitgliedsstaaten unterschiedliche Positionen dazu einnehmen, liegt es an mir, einen Konsens zu finden, das ist meine Aufgabe. Es geht nicht darum, meinen eigenen Standpunkt durchzusetzen. Sollte ich das tun, machte ich einen Kompromiss oder einen Konsens zunichte, also werde ich es nicht tun.

Euronews:
Was aber denken Sie über den Inhalt, über die Vorschläge, wie sie in Deauville formuliert wurden?

Herman Van Rompuy:
Die Vereinbarung von Deauville, wie sie genannt wird, hat den Eindruck entstehen lassen, dass damit die Sanktionen gemildert werden. Das stimmt nicht: Was in Deauville vereinbart wurde, wiederholt, was bereits im Pakt enthalten ist. Der Pakt schreibt ganz klar vor, dass der Ministerrat eine Entscheidung treffen muss, dass eine bestimmte Mehrheit innerhalb der 27 notwendig ist, wenn ein Land das zugelassene Defizit überschreitet. So aber war es von Anfang an, das schreibt der Pakt vor. Unser Vorschlag enthält somit nichts neues, der Vorschlag einer Task Force sprengt den Rahmen des Stabilitätspaktes nicht.

Euronews:
Zudem hieß es, Deutschland wolle auf den Sanktions-Mechanismus verzichten oder darauf, dass die Sanktionen automatisch einsetzen. Denn in der Reform des Stabilitätspaktes sieht Deutschland die Möglichkeit zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds, der die Restrukturierung der Schulden ermöglichte. Stimmt das? Was halten Sie davon?

Herman Van Rompuy:
Weil ich in Deauville nicht dabei war, kann ich darüber nichts sagen. Ich kann nur von der Task Force sprechen. Wir haben von einem ständigen Krisensystem gesprochen, nach dem System, wie wir es jetzt haben, jene 750 Milliarden Euro, für die wir Anfang Mai eine Vereinbarung gefunden haben. Wollen wir das System über das Jahr 2013 hinaus verlängern, ist ein ständiges System notwendig. Doch ein ständiges System muss bestimmte Bedingungen erfüllen, wir haben an eine Beteiligung, eine Rolle des privaten Sektors gedacht.

Euronews:
Gehen wir Ihrer Meinung nach auf die Schaffung von zwei verschiedenen Euro-Zonen zu, auf einen Euro mit zwei Geschwindigkeiten?

Herman Van Rompuy:
Endziel ist mehr Konvergenz, also das Gegenteil davon, mehr Konvergenz in der Eurozone, mehr Konvergenz in der Wirtschaftspolitik. Aus diesem Grund schaffen wir dieses wirtschaftliche Steuerungssystem. Der Bericht der Task Force beweist, dass wir das erreichen können. Es geht jetzt um die Umsetzung, um die Verwirklichung, um die detaillierte Anwendung.

Euronews:
Gesetzt den Fall, dass die Zinsen als Instrument eingesetzt werden, als Sanktionen, könnte es zu unterschiedlichen Behandlungsweisen in der Eurozone kommen…

Herman Van Rompuy:
Sie haben Recht, was die aktuelle Situation anbelangt…

Euronews:
Doch auch in Zukunft, wenn es beispielsweise um die Restrukturierung von Schulden geht?

Herman Van Rompuy:
Dazu kann ich nichts sagen…

Euronews:
Es war davon die Rede…

Herman Van Rompuy:
Die unterschiedlichen Zinssätze sind unserer Ansicht nach zeitlich befristet. Ist das Vertrauen in bestimmten Ländern wieder hergestellt, wird der Unterschied zwischen den Zinssätzen einiger Länder und den deutschen Zinssätzen abnehmen. Doch zuerst muss das Vertrauen wieder hergestellt sein. Das Vertrauen wird jedoch nicht ohne konkrete Ergebnisse in der Wirtschaft und im Finanzwesen zurückkehren. Die Märkte warten auf diese Ergebnisse, was beispielsweise Griechenland anbelangt sind die ersten Resultate gut, die Bewertungen durch die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank, den Internationalen Währungsfonds sind positiv. Doch die Anstrengungen müssen fortgesetzt werden, die Bemühungen werden noch zwei, drei Jahre dauern. Für Griechenland gibt es ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro für die schwierige Zeit, in der Reformen durchgesetzt werden müssen. Die griechische Regierung tut das; trotz der inneren Schwierigkeiten, trotz der sozialen Probleme, der politischen Probleme schreitet Griechenland voran. Das gilt auch für andere Länder, für Spanien, Portugal, Frankreich. Auch in anderen Ländern werden tiefgreifende Reformen durchgeführt, die nicht populär sind, doch die Regierungen haben den Mut, schwierige Vorkehrungen zu treffen.

Euronews:
Was erwarten Sie vom nächsten Gipfeltreffen in Lissabon mit den USA? Arbeiten Sie mit der Regierung Obama gut zusammen?

Herman Van Rompuy:
Sie hat Verantwortung gegenüber ihrem Land und gegenüber der Welt. Sie hat ein riesiges Programm zur Verbesserung der Haushaltslage aufgestellt, das auch der Weltwirtschaft helfen wird. Doch wie alle anderen Staaten werden auch die USA ihr Defizit nur Schritt für Schritt verringern können.

Euronews:
Letzte Frage: Denken Sie, dass sich die Bürger Europas daran gewöhnen werden, viel später in Rente zu gehen?

Herman Van Rompuy:
Ich denke, dass dieses eine Tendenz überall in Europa und in der entwickelten Welt ist, dass man länger arbeiten muss. Die Karrieren werden länger, was sich auf das Rentenalter auswirken wird. Doch allgemein muss länger gearbeitet werden, um unser Sozialmodell aufrechtzuerhalten. Doch notwendig ist – was ebenfalls von Bedeutung ist -, dass das wirtschaftliche Wachstum, das strukturelle Wachstum viel höher ist. Aus diesem Grund muss die Produktivität steigen, muss in die Innovation investiert werden, muss in Unterricht investiert werden, denn das hilft umso mehr.

ENDE

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