Die photovoltaische Oase

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Von Euronews
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Ägypten, nördlich von Kairo – Steppe, fast schon Wüste – kein Halm, kein Strauch. Und plötzlich ein Obstgarten, 60 Hektar groß, mit Bohnen, Erbsen und Orangenbäumen. Und einem Problem: Sein endloser Durst nach Wasser.

Mostafa Tantanwi, Bauer:

“Jede Pflanze braucht eine gewisse Menge Wasser, die Menge hängt ab von der Jahreszeit. Erbsen zum Beispiel brauchen sehr viel Wasser, ich muss sie mindestens 5 Stunden pro Tag bewässern.

Orangenbäume und Rebstöcke brauchen weniger Wasser, vor allem während der Wintersaison. Wie auch immer, unter 4000 Kubikmeter Wasser pro Tag komme ich nicht weg.”

Tantawi vertraut auf alte Diesel-Pumpen – sie holen Grundwasser aus tiefen Schichten nach oben.

Aber einheimische Wissenschaftler plädieren für andere Lösungen, aus verschiedenen Gründen.

Fuad Ahmed Abulfotuh, Ägyptisches Ministerium für Wasserwirtschaft:

“Diese Diesel-Wasserpumpen sind in Ägypten weit verbreitet. Wir wollen sie ablösen. Denn wir kennen die Probleme gut, die sie mit sich bringen: Sie machen Krach, stinken…

…und blasen viele giftige Gase in die Atmosphäre. Außerdem sind sie recht teuer im Gebrauch und Unterhalt. Man muss Diesel kaufen, braucht regelmäßig TÜV, Ölwechsel und Ersatzteile. All dies belastet die Landwirte mit riesigen Kosten.”

Schön und gut, aber wie sonst bekommt man Wasser nachhaltig und billig in abgelegene Regionen?

Auf der Suche nach Lösungen, starren die Forscher … hinauf zur Sonne.

Gabriel Sala, NACIR-Projektkoordinator:

“Wir sind unterwegs zu einer Versuchsstation. Hier testen wir Wasserpumpen- und Bewässerungssysteme für Steppenregionen auf der Basis erneuerbarer Energien.”

Die Versuchsstation liegt abseits der ausgetretenen Pfade – in jeder Hinsicht.

Das sind schon mal keine gewöhnlichen Photovoltaik-Panele. Sie gehören zu einer völlig neuen Generation von Solarzellen, hergestellt in Deutschland im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts.

Ingenieur Andreas Gombert,

Concentrix Solar GmbH/Soitec (Freiburg):

“Unser System, die Concentrix-Technologie, besteht aus einer Linsenplatte, in der 200 kleine Einzellinsen die Solarstrahlung auf sehr, sehr kleine Solarzellen fokussieren. Diese kleinen Solarzellen haben einen Durchmesser von nur zwei Millimetern und diese Frontseite dient ausschließlich der Fokussierung des Lichtes.

Und wenn wir auf die Rückseite gehen, dann sehen Sie kleine Quadrate. Dies ist aber nicht die Solarzelle sondern das ist nur eine Wärmesenke, um die Wärme aufzunehmen. Die Solarzelle selber mißt nur 2 Millimeter im Durchmesser.”

Die Solartracker, die sogenannten Nachführanlagen, folgen der Sonne den ganzen Tag. Sie verwerten die Energie weit effizienter als herkömmliche Photovoltaik-Panele.

Ingenieur Andreas Gombert,

Concentrix Solar GmbH/Soitec (Freiburg):

“Bei der Konzentrator-Photovoltaik bündelt man das Licht auf sehr kleine aber sehr hocheffiziente Solarzellen. Der wesentliche Vorteil besteht dann darin, dass das System eine doppelt so hohe Effizienz hat wie klassische Solarzellen.”

Unter idealen Bedingungen liefert jeder Tracker rund 50 Kilowatt pro Stunde.

Spanische Forscher messen, wie effizient die Tracker sind – unter den unterschiedlichsten Wetterbedingungen.

Ingeneurin Maria Martinez,

Institute of Concentration Photovoltaic Systems (ISFOC):

“Je klarer der Himmel ist und je mehr Strahlung einzufangen ist, desto mehr Energie können diese Platten erzeugen. Bei der Temperatur läuft es genau anders herum: Je heißer es wird, desto weniger Energie liefern die Tracker. Im Endeffekt ist die Temperatur aber kein bedeutender Faktor.

Der Wind ist da wichtiger. Leichter Wind begünstigt die Energieproduktion, weil er über die Oberfläche der Spiegel streicht und so das ganze System abkühlt und effektiver macht. Zu starke Winde können dagegen die Bewegungen der Tracker stören….

…sie können außerdem Schmutz auf den Spiegel-Oberflächen abladen. Das kann die Energieleistung signifikant beeinträchtigen.”

In einem Technik-Häuschen wird die produzierte Energie umgewandelt und gespeichert.

Ein komplexes System, entwickelt von Ingenieuren aus Deutschland.

Ingenieur Alexander Schies, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme:

“Der Wechselstrom der Tacker kommt hier an und wird in das AC-Stromnetz eingespeist.

Drei Wechselrichter sind dazu da, um zum Einen das Netzwerk aufzubauen, und auf der anderen Seite – im Fall, dass die Sonne mehrere Tage nicht scheint – den Trackern genügend Strom zu liefern, damit sie der Sonne nachtracken können.

In der DC-Kontrollbox werden die Messungen aufgenommen und weiterverteilt an die Batterien.

Der Speicher ist sehr klein gehalten, nur um die Trecker zu versorgen, damit sie zwei Tage lang ohne Sonne arbeiten können.”

Der produzierte Strom wird verwendet, um Wasser aus einer Tiefe von fast 40 Metern heraufzupumpen, zu entsalzen und um …

…experimentelle Weizenfelder in der Nähe zu bewässern, unter den Augen der einheimischen Forscher.

Fuad Ahmed Abulfotuh, Ägyptisches Ministerium für Wasserwirtschaft:

“Wir sind gerade dabei, Bauern einzuladen. Menschen aus der ganzen Gegend kommen und sehen sich die experimentellen Kulturen an. Von diesem Weizenfeld lernen sie mehr als in tausend Reden und Konferenzen über die Vorteile erneuerbarer Energien. Die Menschen können es mit ihren eigenen Augen beurteilen. Sie erfahren, wie sie von der konzentrierten Photovoltaik profitieren können.

Und wir helfen ihnen, die Vorteile zu verstehen. Wenn wir erst mal alle Daten haben, übersetzen wir sie in handfeste Zahlen. So verstehen die Leute, wieviel sie investieren müssen und was sie dafür bekommen. Sie erfahren ganz einfach, wie nützlich diese Technologie für ihr tägliches Leben sein kann.”

Glaubt man den Wissenschaftlern, werden Bauern nicht die einzigen Nutznießer bleiben, wenn ähnliche Stationen sich erst in anderen Steppen wie dieser ausbreiten.

Gabriel Sala, NACIR-Projektkoordinator:

“Nur die konzentrierten Photovoltaik-Zellen kommen von außen nach Ägypten. Alle anderen Materialien in dieser Versuchsanlage sind wirklich konventionell. Wir verwenden Glas, Spiegel, Metalle, Eisen. Und alle diese Materialien sind leicht vor Ort zu haben. So schaffen wir auch Arbeitsplätze. Das System verbessert also nicht nur die Lebensbedingungen der Bauern, sondern hoffentlich auch ganzer Dörfer in abgelegenen Gegenden. Wir packen ein globales Energie-Problem an, mit einem lokalen Ansatz.”

Und diese Idee, hoffen die Wissenschaftler, könnte bald Realität werden. Nicht nur in Ägypten, sondern auch in anderen Entwicklungsländern mit ineffizienter Stromerzeugung und -versorgung….

…aber mit viel Sonnenlicht, das man nur richtig einfangen muß.

www.ies.upm.es/NACIR

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