Frattini ruft EU zur Geschlossenheit auf

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Europa verfolgt die Geschehnisse in Libyen sehr aufmerksam. Es herrscht die Sorge über die Energieversorgung und es wird ein Flüchtlingsansturm aus der Konfliktzone befürchtet. Italien, die frühere Kolonialmacht in Libyen hat eine vielschichtige Beziehung zu dem Land. Die wirtschaftlichen Verpflichtungen zwischen beiden Staaten sind eng. Italiens Außenminister Franco Frattini sprach mit euronews über den Konflikt.

Annibale Fracasso, euronews:

Herr Minister, Gadaffi hat angekündigt, bis zu seinem Tode zu kämpfen, währenddessen mehr als tausend Menschen von seinen Söldnern getötet wurden. Ministerpräsident Berlusconi will sich aus Respekt vor Gadaffi nicht einmischen. Der libysche Diktator beschuldigt Italien dagegen, die Demonstranten mit Waffen versorgt zu haben.

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Die Anschuldigungen sind falsch, wir haben weder Demonstranten noch Rebellen Waffen gegeben. Wir haben niemanden in Libyen mit Waffen versorgt. Es stimmt auch nicht, dass Italien keine Position gegen Libyen eingenommen hat. Wir haben die Position der EU und der internationalen Gemeinschaft eingenommen. Diese verurteilt aufs schärfste das Blutvergießen und fordert ein sofortiges Ende der Gewalt.

Annibale Fracasso, euronews:

Will Oberst Gadaffi versuchen, seine Macht zu behalten, in dem er den Ärger der Menschen durch die Rhetorik der Vergangenheit katalysiert, zur Rache für den italienischen Kolonialismus aufruft oder noch schlimmer, Erpressung nutzt und mit einer Invasion von Migranten nach Italien und Europa droht?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Wir lehnen eine koloniale Vergangenheit, die die Menschen in Libyen geschädigt hat, ab. Aber Italien und die USA als diejenigen anzuklagen, die sich in die Angelegenheiten von Libyen einmischen, ist falsch und entspricht nicht der Wahrheit. Wir werden weiter mit der internationalen Gemeinschaft daran arbeiten, ein sofortiges Ende der Gewalt sicherzustellen.”

Annibale Fracasso, euronews:

Denken Sie nicht, dass es Zeit wird, dass gewinnbringende Geschäft italienischer Firmen in Libyen zu ignorieren und die Freundschaft zwischen Italien und Gaddafi zu beenden?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Die Handschrift dieser Freundschaft ist ein Abkommen, dass überwältigend vom italienischen Parlament angenommen wurde und das italienische, nationale Interesse betrifft. Wir werden sehen, was in der Zukunft passiert. Ich hoffe, wir können einen nationalen Dialog beginnen und dass die Forderungen der Menschen in Libyen gehört werden, dass die Gewalt beendet wird. Dazu ruft die internationale Gemeinschaft auf und Italien arbeitet daran.

Annibale Fracasso, euronews:

Wie ist es möglich, dass niemand diese Revolution, die in Tunesien begann, dann Ägypten, Libyen, und Algerien erfasste, kommen sah?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Bis vor zwei Montanen hatte sich der Westen damit zufrieden gegeben, Partnerschaften, die auf Stabilität und wirtschaftlichen Interessen beruhten, zu pflegen. Wahrscheinlich haben wir die sozialen Visionen unterschätzt. Niemand hätte die Schnelligkeit der Ereignisse voraussagen können. Die Ereignisse waren so schnell, dass keine Regierung Vorkehrungen treffen konnte, nicht mal die italienische. Darüber hinaus wurde es auch nicht von den Analysten, die Flüsse von Tinte über die arabische Welt geschrieben haben, vorausgesagt. Und das war nur zwischen Ende Dezember und Anfang Januar. Sie haben nichts verstanden.”

Annibale Fracasso, euronews:

Was wird in den nächsten fünf Jahren geschehen?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Ich weiß es nicht, aber es ist unsere Pflicht bei diesem Übergangsprozess zu helfen, ohne unsere Politik einem dieser Länder aufzuzwingen. Nur diejenigen, die mit der arabischen Welt nicht vertraut sind, können so unverantwortlich sein und denken, dass diese Länder passiv den Anweisungen aus Rom, Brüssel oder Washington folgen. Sie würden das nicht tun. Alle mediterranen Führungskräfte, die ich sehr gut kenne, erkennen eine Tugend Italiens an: andere zu lehren, indem man zuhört und dann hilft. Das ist der richtige Weg.”

Annibale Fracasso, euronews:

Es wird bald eine biblische Völkerwanderung aus den Ländern des Maghreb geben. Minister Umberto Bossi von der Lega Nord hat gesagt, man müsse das Problem an Frankreich und Deutschland weiterreichen. Das ist natürlich als Provokation gemeint. Aber Italien steht mit Lampedusa in der ersten Reihe. Wo steht die EU?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Leider gibt es nur wage und uneinheitliche Antworten aus Brüssel. Wir fordern Europa auf, schnell einzugreifen, denn diese Angelegenheit betrifft nicht nur Italien, es betrifft die gesamte Europäische Union. Wenn 200 000 oder 300 000 verzweifelte Menschen sich auf dem Weg nach Noritalien machen, können wir sie niemals aufnehmen. Alle EU-Länder sollten sich da einbringen. Sonst ist es einfach: Die Krise könnte das Prinzip der Solidarität untergraben, eines der Eckpfeiler, als Europa im Jahr 1957 gegründet wurde. Das käme der Zerschlagung einer Grundanforderung an Europa gleich. Wir in Italien arbeiten daran, sicher zu stellen, dass es eine globale europäische Antwort auf diesen Notfall gibt.

Annibale Fracasso, euronews:

Glauben sie nicht, dass Brüssel gegenüber Italien so ist, weil die Komission nicht mit einer Regierung umgehen will, deren Ministerpräsident sich wegen Sex mit einer Minderjährigen vor Gericht verantworten muss?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Die Europäische Union zieht normalerweise diese Art von Sachen nicht in Betracht. Dies sind Sachen, die die italienische Politik betreffen. Wir denken und glauben, dass die italienische Regierung jedes Recht hat und die Mehrheit im Parlament, um voranzukommen.”

Annibale Fracasso, euronews:

Waren sie ehrlich gesagt, nicht peinlich berührt, dass Berluconi monatelang weltweit die Titelseiten der Zeitungen mit seinen heißen Nächten zierte?

Italiens Außenminister Franco Frattini:

Ich habe vielen meiner Ministern gesagt, dass dies wahrscheinlich das Resultat undichter Stellen ist. Das wird in anderen Ländern hart bestraft. In Italien ist das Eindringen ins Privatleben gestattet, und toleriert. In den meisten westlichen Ländern wird dies bestraft. Das habe ich meinen europäischen Kollegen erklärt.

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