EXKLUSIV - Abbas erwägt internationale Schutztruppe für möglichen Palästinenserstaat

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Palästinenserpräsident Machmud Abbas setzt sich bestimmter denn je für die Schaffung eines Palästinenserstaates ein. Rückendeckung sucht er in der EU. Vor seiner Europareise empfing er euronews in Tunis.

Mohamed Shaikhibrahim, euronews: “Die amerikanische Regierung hat es mehrere Male nicht geschafft, der Siedlungspolitik ein Ende zu setzen. Sie hat von ihrem Veto-Recht im Weltsicherheitsrat Gebrauch gemacht, wenn es um Urteile gegen Israel ging. Setzen Sie noch auf die USA, wenn es um den Friedensprozess geht?”

Machmud Abbas, Palästinenserpräsident: “Unabhängig vom Vetoeinspruch wissen wir, dass die USA nicht neutral sind. Vor allem nicht das letzte Mal, als sie vom Veto Gebrauch gemacht haben. Wir verlangen den Stopp des Siedlungsbaus. Das sind übrigens dieselben Worte, die die USA verwendet haben. Deswegen wenden wir uns an den Rest der Welt, darunter auch das Nahostquartett. Es besteht aus vier Teilen, Russland, der EU, den USA und den Vereinten Nationen. Wir sind an alle vier Akteure gebunden, und wir haben nicht die Möglichkeit zu sagen, mit dem oder dem wollen wir nicht zusammenarbeiten. Denn am Ende sind sie es, die über die Anwendung und den Respekt der internationalen Legitimität wachen.

Nachdem die USA von ihrem Veto Gebrauch gemacht hatten, hat der britische Vertreter im Weltsicherheitsrat im Namen Großbritanniens eine Erklärung veröffentlicht, der sich Frankreich, Deutschland, danach Italien und Spanien angeschlossen haben. Wir befürworten die Erklärung von A bis Z, denn sie fordert den Siedlungsstopp und enthält internationale Referenzen.”

euronews: “Was verlangt die Palästinenserbehörde von der Europäischen Union?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Die Europäische Union gibt uns finanzielle Unterstützung, im Namen der EU oder im Namen der Mitgliedsstaaten, zu denen wir Beziehungen haben. Und diese großzügige Geste wissen wir sehr zu schätzen.

Aber wir haben wiederholt eine politische Stellungnahme von Seiten der Europäischen Union gefordert. Es reicht nicht, dass die Europäische Union nur als Geldgeber in Erscheinung tritt. Wir wollen eine politische Haltung. Und die ist vor kurzem mehr als nur einmal in den Mitteilungen deutlich geworden. Folglich bitten wir die Europäische Union, bei ihrer Position zu bleiben. Wir verlangen nicht von der EU, an die Stelle der USA zu treten. Das wäre zuviel verlangt. Aber wir erhoffen uns von der Europäischen Union, das sie den Friedensprozess unterstützt und die Mitglieder des Nahostquartetts anführt, um einen Frieden zu erreichen.”

euronews: “Israel verlangt von Ihnen, die jüdische Identität des hebräischen Staates anzuerkennen. Was bedeutet diese Forderung für Sie? Und warum haben Sie das abgelehnt?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Das haben wir bisher kategorisch abgelehnt. Aber wir erkennen den Staat Israel an. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir alles akzeptieren müssen, was dort passiert. Vielleicht haben sie die Forderung nur gestellt, um ein neues Hindernis für die Verhandlungen zu schaffen. Unsere Antwort lautet, nein, das akzeptieren wir niemals.”

euronews: “Haben Sie vor, trotz israelischer Drohungen einen Palästinenserstaat einseitig auszurufen?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Zunächst einmal: Wir rufen den Staat nicht einseitig aus. Wir sagen: Wir wenden uns direkt an die Vereinten Nationen. Und warum haben wir das getan? Was die Siedlungsfrage betrifft, sind wir überall vor geschlossene Türen gestoßen. An wen sich also richten? An welche berechtigte weltweite Instanz kann sich ein unterdrücktes Volk wenden? Doch die Vereinten Nationen?! Wenn wir uns an die UNO wenden, kann man nicht von einer einseitigen Entscheidung sprechen. Nein, ich wende mich an die Vereinten Nationen, um meine Rechte einzufordern. Auf welcher Basis wurde der Staat Israel ausgerufen?

Auf Basis der Resolution 181 der UN-Generalversammlung. Warum spricht man da nicht von einer einseitigen Entscheidung?

Unilaterale Vorgehensweisen sind Teil der Siedlungspolitik und radikalen Umgestaltung des Landes. Das ist die Definition von unilateral. Im kommenden September werden wir zu den Vereinten Nationen gehen. Ich spreche nicht von einem klaren Versprechen, aber es gibt eine klare Aussage von Präsident Obama, nämlich “ich will im nächsten September einen ganzen Staat sehen”. Der September rückt näher.

Etwas anderes: Das Nahostquartett hat bestätigt, dass die Verhandlungen im September beginnen und zu Ende gehen. Und wir sind im letzten September in die USA gegangen, um die Verhandlungen zu beginnen, was Herr Natanyahu jedoch abgelehnt hat, denn er wollte den Siedlungsbau nicht stoppen. Wenn die Verhandlungen im letzten September hätten beginnen und in diesem September zu Ende gehen sollten, und wenn wir bis September keine ernsthafte Verhandlungen über höchst wichtige Themen wie Grenzen, Sicherheit, Jerusalem, Wasser und Flüchtlinge führen, dann werden wir uns an die Vereinten Nationen wenden. Wir werden sie nach ihrer Meinung und Position fragen. Und danach, was wir tun sollen. Das ist unser Recht und keine unilaterale Entscheidung.”

euronews: “Welche Bedingungen stellen die Palästinenser, um die Verhandlungen wiederaufzunehmen?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Zwei Punkte. Erstens: Dass die internationalen Resolutionen mit der Grundlage der Grenzen von 1967 eingehalten werden. Dass alle Vorschläge über den Austausch gleichrangiger und gleichwertiger Gebiete berücksichtigt werden. Und dann auch die Sicherheitsproblematik. Es wird dort keine Israelis geben. Aber ich habe nichts gegen eine dritte Kraft im Land, eine Art internationale Schutztruppe. Und zweitens: Der vollständige Siedlungsstopp.”

euronews: “Was verhindert die Versöhnung zwischen den Palästinensern?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Ich will hier niemanden beschuldigen, aber folgendes sagen: Ich für meinen Teil habe am 16. März eine Initiative vorgestellt. Und ich habe klar gemacht, dass ich bereit bin, nach Gaza zu fahren, um eine Regierung von Technokraten und Unabhängigen auf die Beine zu stellen. Die Regierung muss zweierlei Aufgaben erfüllen: Gaza wiederaufbauen und ein Datum für die Neuwahlen festsetzen. Alle haben das ausnahmslos akzeptiert, aber Hamas hat bisher noch keine positive Antwort gegeben. Statt dessen haben wir negative Rückmeldungen bekommen, dass wir sie nicht mit einbeziehen. Wir warten auf eine positive Rückmeldung, damit wir weiter machen, unsere Probleme lösen und den Unstimmigkeiten ein Ende bereiten können. Wer ist verantwortlich..? Vielleicht kennen Sie ja die Antwort.”

euronews: “Denken Sie, dass das an der Einflussnahme des regionalen Umfelds liegt?”

Abbas: “Denken Sie an einen naheliegenden Grund, und sie werden ihn finden.”

euronews: “Der Iran?”

Abbas, Palästinenserpräsident: “Wir wollen uns nicht wiederholen. Das habe ich schon mehrmals klar gemacht. Ich habe geschworen, nichts Negatives über Hamas zu sagen. Denn es gibt die Abmachung, dass wir uns nicht an Medienkampagnen beteiligen.”

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