Kasachstan: Wie passen Boom und Islam zusammen?

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Von Euronews
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Wenn von führenden muslimischen Staaten die Rede ist, denkt wohl kaum einer gleich an Kasachstan.

Aber das boomende Land in Zentralasien wird immer wichtiger in der islamischen Welt.

Anfang Juni war es Gastgeber des Islamischen Weltwirtschaftsforums, außerdem übernimmt Kasachstan in diesem Monat den Vorsitz der Organisation der Islamischen Konferenz.

Das Land ist stolz auf seine religiöse Toleranz und sein Wirtschaftswunder – in zwei Jahrzehnten wuchs die Wirtschaft um das Zwölffache. Bei den Menschenrechten gilt es allerdings noch nicht als Musterland.

Außenminister Yerzhan Kazykhanov sieht sein Land trotzdem als Vorbild, dem andere islamische Länder nacheifern sollten: “Die Stimmen der moderaten Länder, die sich auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Verbesserung des Lebensstandards ihrer Bürger konzentrieren können, müssen lauter werden als die Stimmen der Länder, die Extremisten und deren Ambitionen verteidigen.”

Muslimischer Extremismus ist kein Erfolgsrezept, um Geschäfte zu machen. Das Islamische Weltwirtschaftsforum soll deshalb eine Plattform für all jene in der muslimischen Welt sein, denen an der Marktwirtschaft liegt, an einer toleranten Zivilgesellschaft und demokratischen Prinzipien.

Tun Musa Itam, der Vorsitzende des Forums und einst Vize-Ministerpräsident von Malaysia, meint, die Muslime sollten keine Zeit und Energie mit nutzloser religiöser Engstirnigkeit verschwenden: “Ich bestehe darauf, bei unseren Diskussionen im Forum gilt ganz klar: Keine Politik, keine Ideologie, keine Religion. Wer darüber reden will, geht woanders hin. WIR reden nur über Entwicklung.”

Die Teilnehmer des Forums bekamen von Kasachstans Präsidenten Nursultan Nasarbejew, nunmehr schon seit zwei Jahrzehnten im Amt,

überraschend schonungslose Kritik zu hören:

“Welche Universitäten der islamischen Welt haben es international in die Top Hundert geschafft”, fragt er, “wo sind die islamischen Nobelpreisträger? Welche Innovationen kommen aus der islamischen Welt? Es gibt keine.” Deshalb müssten die muslimischen Länder eine Strategie finden, den Islam zum Nutzen der Völker zu modernisieren, so sein Aufruf.

Ein Mittel für mehr Dynamik ist Chancengleicheit für Frauen. Beim Forum kamen auch viele islamische Geschäftsfrauen zusammen. Ihr Appell: Die Landsfrauen sollen durchsetzungsfähiger und kompetitiver werden – in der Geschäftswelt wie im sozialen Leben. Und, so Malaysias Frauenministerin Shahrizat Abdul Jalil: Kein Land könne erfolgreich sein, wenn es die Kreativität und Entwicklung seiner halben Bevölkerung blockiere: “Der Erfolg vieler muslimischer Länder hängt von der Regierung, der Führung und der Bevölkerung ab. Entscheidet man sich dafür, Frauen Macht zu geben, ist der Islam eine fantastische Waffe. Aber wenn man die Frauen klein halten will, kann die Religion als Hindernis benutzt werden.”

Auch aus europäischer Perspektive sei von einer offenen, toleranten islamischen Welt mehr zu gewinnen, meint der frühere niederländische Ministerpräsident Wim Kok. Erfolgreiche Entwicklung könne dazu führen, dass kulturelle Unterschiede keine Rolle mehr spielten: “Der beste Weg, um voranzukommen, ist, einen offenen Dialog zu führen und wirklich das gegenseitige Interesse aneinander zu zeigen. Und zu versuchen, beiderseitigen Nutzen aus der Kooperation zu ziehen, denn in dieser vernetzten globalen Gesellschaft, in der wir leben, können wir uns den Luxus nicht leisten – keiner von uns – alles allein machen zu wollen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und Verständnis füreinander haben, ob uns das gefällt oder nicht. Mir gefällt es.”

Wie die Diskussionen in Astana zeigten, haben die muslimischen Länder auch schon Instrumente, um ihre Gesellschaften weiterzuentwickeln – wie beispielsweise das islamische Bankwesen, das die Prinzipien des Islam respektiert.

Das Fazit unseres Reporters aus Astana: “Die Teilnehmer des World Islamic Economic Forum haben eines klar gemacht: Sie wollen die Zukunft im 21. Jahrhundert nicht allein den USA, China und Indien überlassen. Dazu sind sie entschlossen, den islamischen Ländern eine massive Modernisierungskur zu verpassen. Kasachstan ist dafür ein Beispiel. Für politisch-religiösen Extremismus ist da kein Platz.”

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