Michel Barnier für mehr Kontrolle

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Michel Barnier, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistung, ist der Überzeugung, dass die Eurokrise durch den Niedergang amerikanischer Banken ausgelöst wurde. Zum Schutz europäischer Bankkunden hält er eine Überwachung des europäischen Bankensystems für unerlässlich.

Sergio Cantone: Michel Barnier, sollten die Europäer langsam Angst um ihr Erspartes bekommen?

Michel Barnier: Offengesagt glaube ich das nicht. Woche für Woche treten neue Regulierungen in Kraft. Wir verpflichten zur Transparenz und erwarten von jedem Akteur, egal auf welchem Finanzmarkt, ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber den von ihm verwendeten Produkten. Wir wollen schon bald einen Gesetzestext zum Schutz von Spareinlagen zur Abstimmung bringen.

S.C: Wie könnte dieser Schutz der Sparer konkret aussehen?

M. B: Der Text ist sehr klar. Es geht um eine Rückzahlungsgarantie von Spareinlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro. Darüberhinaus geht es doch aber auch um Arbeitsplätze, um Wachstum, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents. Die Krise hat unser Wirtschaftswachstum einbrechen lassen, unsere Wettbewerbsfähigkeit geschwächt. Daraus sollten wir unsere Lehren ziehen. Diese Krise hat die Union 10% des Bruttoinlandprodukts ihrer Mitgliedstaaten gekostet, weil wir das Bankensystem retten mussten – und damit auch die Spareinlagen der Bürger.

S.C: Wir müssen den Banken noch mehr Veranwortungsbewusstsein abverlangen, vor allem was deren Kapitalbildung angeht…

M.B: Sofern das Europäische Parlament und der Ministerrat sich uns anschließen, werden wir schon bald ein europäisches Gesetz im Sinne der Empfehlungen von Basel 3 bekommen. Ziel ist dabei die Aufstockung des Eigen- und Kernkapitals von rund 8230 Banken. Europa übernimmt damit eine Vorreiterfunktion in der Welt. Wir hoffen, dass andere Märkte, vor allem die USA unserem Beispiel folgen werden.

S.C: Haben die letzten Stresstests diese Notwendigkeit offenbart?

M.B: Die Stresstests sollen die Belastbarkeit des Systems unter bisher noch nicht aufgetretenen Umständen simulieren. Sie sind nützlich und wir verbessern die Tests von Jahr zu Jahr. In diesem Jahr waren sie noch genauer und damit glaubhafter.

S.C: Doch die Test haben Kreditausfall-Swaps (CDS), einer Art Kreditversicherung zur Minimierung von Ausfallrisiken nicht berücksichtigt.

M. B: Ein Teil davon wurde in einigen Tests berücksichtigt. Allerdings bezogen sich diese eher auf die Risiken der Staatsverschuldung. Da kann man leicht berechnen, wer von wem abhängig ist, wer welches Risiko trägt.

S.C: Wie wahrscheinlich ist in der aktuellen Lage, dass bei Zahlungsunfähigkeit eines Landes auch dessen Bankensystem seine Handlungsfähigkeit verliert?

M.B: Wir haben gerade zur wirtschaftlichen Rettung von drei Ländern beigetragen: Griechenland, Irland und Portugal. Für den Notfall haben wir den Regierungen Mittel an die Hand gegeben, Solidaritätsfonds und solche Instrumente, die eine Wiederholuing des ganzen ausschließen, eine weitere Verschuldung verhindern sollen.

S.C: Es sind die Banken, die die Schulden tragen und dadurch einer gewissen Gefahr ausgesetzt sind. Was ist da die Lösung?

M.B: Wir wollen – und das war bereits Gegenstand einer Diskussion im Europarat – dass die Privatwirtschaft ihren Teil zur Sanierung von Ländern wie Griechenland beiträgt.

S.C: Aber die Europäische Zentralbank ist dagegen?

M.B: Moment, gegen was?

S.C: Gegen den Beitrag der Privatwirtschaft.

M.B: Die Debatte läuft bereits. Es geht um einen Beitrag der Privatwirtschaft unter Beibehaltung des Risikoniveaus. Es geht dabei nicht um die Hinnahme einer wie auch immer gearteten Zahlungsunfähigkeit. Der gesamte Hilfs- und Solidaritätsplan wurde geschaffen um die Zahlungsunfähigkeit von Staaten und Banken zu verhindern.

S.C: Die Ratingagenturen werden jedes Engagement einer Bank zur Rettung Griechenlands als Zeichen einer zukünftigen Zahlungsunfähigkeit werten.

M.B: Diese Einschätzung teile ich nicht. Wir tun alles um eine Zahlungsunfähigkeit zu verhindern und genau darauf zielt die Philosophie des von uns erarbeiteten Plans zur Rettung Griechenlands ab. Wobei ich es übrigens folgerichtig und legitim finde, dass die Privatwirtschaft zu diesem gemeinschaftlichen Rettungsversuch beiträgt. Schließlich hat die sie Interesse an einer Rettung solcher Staaten. Was die Ratingagenturen angeht, so war ich in den letzten Monaten sehr überrascht: Ohne Vorwarnung der entsprechenden Länder fielen die Bewertungen immer tiefer. Und wir sprechen hier von der Bewertung souveräner Staaten, die schließlich gerade gemeinschaftlich ein anderes Land zu retten versuchen.

S.C: Die Abwertung einiger Staaten in der Eurozone wurde von Agenturen durchgeführt, die ihren Sitz gar nicht in Europa haben. Drängt dieser Umstand die Union nicht zum Aufbau einer hiesigen, durch die europäischen Institutionen kontrollierten Ratingagentur?

M.B: Sie haben Recht wenn Sie sagen, dass es zu wenig Ratingagenturen gibt. Bedenkt man die Wichtigkeit der Bewertungen für die Finanzwelt reichen drei große Agenturen sicher nicht aus. Zunächst muss also der Konkurrenzdruck erhöht werden. Und auf die ein oder andere Weise werden wir bei der Schaffung weiterer Agenturen auf private Initiativen setzen müssen. Ein weiteres Problem ist die Folgenschwere der abgegebenen Bewertungen. Die Abhängigkeit muss eingeschränkt werden. Die Bewertungen werden in vielen Zusammenhängen zur Einführung weiterer Regulierungen der Banken genutzt. Die europäischen Banken sollten ihre Entscheidungen unabhängig von den Bewertungen der Agenturen treffen. Das ist was wir vorschlagen.

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