Die NATO vor neuen Herausforderungen

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Die Intervention der NATO in Libyen gipfelte in der erfolgreichen Absetzung Gaddafis,- warf aber auch wiederum die Frage nach der Zukunft der Allianz auf. Könnte und sollte sie künftig ähnliche Missionen ausführen? All das Überlegungen, in Zeiten schrumpfender Militäretats. Um einen besseren Überblick zu bekommen, sprach euronews mit Anders Fogh Rasmussen, dem Chef der Organisation.

Paul Hackett, euronews:

‘‘Anders Fogh Rasmussen, NATO Generalsekretär, willkommen bei euronews. Die Intervention in Libyen wird bislang als Erfolg angesehen.

Bei näherer Betrachtung ergeben sich aber zahlreiche Fragen:

Ist Europa überhaupt fähig ohne Amerika Krieg zu führen? Da wurden einige Schwächen in der europäischen Verteidigung sichtbar, oder?’‘

Anders Fogh Rasmussen,NATO General-Sekretär:

‘‘Sehen wir doch erstmal den positiven Aspekt: es war das erste Mal in der Geschichte des Bündnisses, das europäische Alliierte und Kanada die Führung übernommen hatten. Sicherlich mit tatkräftiger Unterstützung der USA,- dennoch ist dies ein bedeutender Schritt in der Geschichte der Allianz, das solch eine Operation also auch unter europäischer Führung durchgeführt werden kann. Das ist die Antwort auf den Ruf der USA nach mehr europäischer Verantwortung,- darauf haben wir reagiert.”

euronews:

‘‘Sicher. Wenn aber Ex-US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte, der NATO stehe eine trübe und trostlose Zukunft bevor, wenn die europäer sich nicht mehr engagierten,- dann reicht das doch nicht, oder? wird Europa dem Anspruch gerecht?”

Rasmussen:

‘‘Die Operation in Libyen ist ein gutes Beispiel, dass Europa diesem Anspruch gerecht werden kann. Es ist gewillt sich zu engagieren, wenn es gerufen wird, das ist der positive Aspekt. Trotzdem ist es sicherlich problematisch, dass wir zuletzt eine größerwerdende Distanz über den Atlantik bemerkten zwischen Amerika und Europa.”

euronews:

‘‘Diese Distanz wird noch immer größer, oder? Barack Obama hat zu Beginn dieses Jahres angekündigt, Amerika werde seinen Fokus künftig in Richtung Asien-Pazifik verlagern. Hat Amerika kein Interesse mehr daran, die Peripherie Europas zu verteidigen?”

Rasmussen:

‘‘Nun, die Amerikaner haben aber zur gleichen Zeit auch gesagt, dass sie dem transaltantischen Bündnis treu bleiben werden und es uns gerade nicht wundern sollte, wenn sich die USA stärker im asia-pazifischen Raum engagieren.

Dies schon allein wegen der Bedeutung der Schwellenländer, wie China und Indien. Da ist es jetzt an den Europäern, zu zeigen, dass sie die transatlantische Allianz ernst nehmen.”

euronews:” Was sollten sie nun tun?”

Rasmussen:

“Genau darauf werde ich den Fokus legen, bei meinen Vorbereitungen des kommenden NATO-Gipfels in Chicago. Realistischerweise werden wir in den nächsten Jahren wohl kaum eine Aufstockung der Verteidigungshaushalte erwarten können, wenn man sich die Sparmaßnahmen anschaut.”

euronews:

‘‘Großbritannien hat kürzlich angekündigt, fünf Milliarden Pfund einsparen zu wollen, das ist viel! Ähnliches passiert in europa und den USA. Was also tun?”

Rasmussen:

‘‘Zunächst sollten wir vorhandene Ressourcen besser nutzen. Das Schlüsselwort lautet meiner Meinung nach “Smart Defense”,- heißt: wir sollten Wege finden, das Geld smarter auszugeben. Indem wir beispielsweise Ressourcen teilen, kooperieren, uns gegenseitig helfen, multi-nationale Projekte starten, statt nur nach nationalen Lösungen zu suchen. SO sollten wir uns für die Zukunft aufstellen.”

euronews:

‘‘Das ist einfacher gesagt als getan!

Viele Verteidigungsminister wollen doch keine Souveränität verlieren. Da wird man kaum bereit sein zu teilen,- jedenfalls nicht in dem Maß, wie Sie sich das vorstellen.”

Rasmussen:

‘‘Wir haben durchaus einige Beispiele, an denen man sieht, dass “Smart-Defense” funktionieren kann. Zum Beispiel das französisch-britische Vertedigungsabkommen. Da sieht man, wie zwei Länder sehr wohl kooperieren können, dabei Geld sparen UND auch noch ihre militärischen Verpflichtungen nachkommen können.”

euronews:

‘‘Der Einsatz in Libyen trug die NATO-Flagge, war aber eher eine Koalition der Willigen, im Vergleich mit Afghanistan. Wie bedeutend war die Mission für die Zukunft der NATO bezüglich der Beziehungen zu Nordafrika und dem nahen Osten?”

Rasmussen:

‘‘Zuerst möchte ich klarstellen, das es sich nicht um eine Koalition der Willigen handelte.

Es war eine NATO-Operation unter Teilnahme von Partnern. Das ist wichtig zu erinnern…

euronews:

“Deutschland wollte aber nicht teilnehmen, oder?”

Rasmussen:

“Richtig. Aber Deutschland hat bei der Finanzierung geholfen und auch anders unterstützt.

Also haben alle 28 Mitglieder teilgenommen. Einige direkt, andere indirekt. Alle 28 haben aber teilgenommen. Das ist wichtig zu erinnern, es war also KEINE Koalition der Willigen, es war eine NATO-Operation.”

euronews: ‘‘Was folgt daraus für den nahen Osten?”

Rasmussen:

“Ich denke, was wir in Nordafrika und im nahen Osten gesehen haben, wird unsere Partnerschaft mit diesen Regionen insgesamt noch eher stärken.

Wir sollten diese Gelegenheit entsprechend nutzen, unsere Partnerschaft mit diesen Regionen zu festigen. Einige haben direkt mit unseren Operationen kooperiert, darauf kann man aufbauen.”

euronews:

‘Wenn die NATO in Syrien NICHT eingreift, es im Iran aber tut,- wir hörten ja schon, das Iran damit droht, die Straße von Hormuz zu blockieren,- welche Botschaft geht dann davon in die arabische Welt aus? Heißt es dann nicht, wir greifen nur des Öls wegen ein?”

Rasmussen:

‘‘Richtig ist: die NATO hat keinerlei Absicht, sich einzumischen. Weder in Syrien noch im Iran.

Was Syrien angeht glauben wir, dass eine regionale Lösung der beste Weg wäre. Wir begrüßen da sehr die Initiative der arabischen Liga.

Was Iran betrifft unterstützen wir die internationalen Bemühungen, um auf diplomatischem Weg eine Lösung zu finden.”

euronews:

“ Sollte der Iran zu einer Blokade greifen, dann würde die NATO aber handeln, oder?”

Rasmussen:

‘‘Eine rein hypothetische Frage. Noch einmal: wir haben keine Absicht, uns einzumischen! Natürlich mahnen wir aber die iranische Führung, den internationalen Verpflichtungen nachzukommen und die Anreicherungsprogramme zu stoppen. Auch muss eine freie Passage der Straße von Hormuz jederzeit gewährleistet sein.”

euronews:

‘‘Der Libyen-Einsatz hat die Beziehungen zu Russland ernsthaft belastet. Wie soll es da weitergehen? Nur auf politischer Ebene oder kommt mehr dabei heraus?”

Rasmussen:

‘‘Wir haben uns mit Russland gestritten, ja, dieser Streit sollte aber nicht die Tatsache vergessen machen, dass unsere Beziehung (mit Russland) in den letzten 2 einhalb Jahren erheblichen Fortschritt gemacht hat. So haben wir die Kooperation hinsichtlich Afghanistan ausgebaut, in der Bekämpfung des Drogenschmuggels, des Terrorismusses, der Piraterie. Im November 2010 haben wir in Lissabon

entschieden, eine echte strategische Partnerschaft zwischen der NATO und Russland zu entwickeln.

Beim Kooperationsversuch in der Raketenabwehr freilich gab es bisher wenig Fortschritt…”

euronews:

‘‘Wie zuversichtlich sind Sie im Mai in Chicago ein Abkommen unter Dach und Fach bringen zu können?’‘

Rasmussen:

‘‘Es gibt noch eine faire Chance, wir müssen uns aber anstrengen.”

euronews:

‘‘Sie müssen den Russen gegenüber große Zugeständnisse machen, richtig? Einerseits Garantien geben, und dabei die eigene Abschreckung nicht unterminieren.”

Rasmussen:

‘‘Die Russen fordern Garantien dafür, dass unsere Systeme sich nicht gegen Russland richten werden.

Das ist nicht der Fall. Der beste Weg für eine Garantie wäre Kooperation, sodass sie mit eigenen Augen sehen könnten, das sich unsere Systeme nicht gegen sie richten.”

euronews: ‘‘Secretary-General, thank you very much.’‘

Rasmussen: ‘‘You’re welcome.’‘

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