"Die öffentliche Meinung zum Afghanistan-Einsatz ist bereits völlig im Keller"

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Von Euronews
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Nial O’Reilly, euronews:

“Die Morde in Afghanistan haben eine Welle der Wut gegen die ausländischen Truppen entfesselt. Was macht Washington jetzt ? Wir sprechen mit Martha Raddatz, Korrespondentin für Sicherheitsfragen beim US-Fernsehsender ABC.

In erster Linie ist das natürlich eine menschliche Tragödie in Afghanistan, aber Schockwellen erreichten selbst das Pentagon und das Weiße Haus. Was machen US-Politiker und Militärs, um den Schaden für den Afghanistan-Einsatz zu begrenzen ?”

Martha Raddatz, ABC News:

“Präsident Obama trat auf mit einer entschuldigenden Erklärung. Das sei kein Indiz für ein weit verbreitetes Problem und die hervorragenden Militärs im Dienst der Vereinigten Staaten. Sie werden auch in das Dorf gehen, oder sie haben es postwendend gemacht … an dem Punkt setzten dann Gerüchte ein, dass mehr als einer geschossen hat. Soldaten gingen hin, um den Dorfbewohnern zu helfen, um die Verwundeten ins Krankenhaus in Kandahar zu bringen.

Abgesehen davon habe ich in 10 Jahren Krieg noch nie so etwa Kaltblütiges gesehen. In der offiziellen Version heißt es, dass ein US-Soldat mit Nachtsicht-Gerät von Tür zu Tür ging, um auf Frauen und Kinder zu schießen.”

euronews:

“Wir wissen, dass der Kampf um Herzen und Köpfe in Afghanistan besonders schwer ist. Gibt es jetzt ein Gefühl im Pentagon, dass dieser Kampf nicht zu gewinnen ist?”

Martha Raddatz:

“Nun, ich meine: Sie wissen, dies ist ein sehr schwerer Kampf. Die afghanische Gesellschaft ist eine einzige Gerüchteküche. Also bleibt es nicht bei diesem schrecklichen Ereignis. Das wird wahrscheinlich noch ausgeschmückt. Die Taliban nutzen das und sagen den Menschen in anderen Dörfern, dass das typisch ist für Amerikaner, und dass sie sowas vielleicht wieder tun. Sie werden diese Angst in soviele Dörfer tragen wie nur möglich.”

euronews:

“Zur starken Reaktion der Taliban: Ist das Militär in Afghanistan auf eine Welle von Attacken der Taliban vorbereitet?”

Martha Raddatz:

“Ich denke, da geht es nicht nur um die Taliban. Auch ganz normale Afghanen könnten auf irgendeine Art von Rache aus sein.

Bedenken Sie, es ist noch keinen Monat her, da verbrannten US-Kräfte aus Versehen Korane … sechs US-Militärs wurden daraufhin an verschiedenen Orten getötet, unter anderem im Innenministerium in Kabul, aus Rache. Es ist anzunehmen, dass sich die USA und ihre Verbündeten, dass sich die NATO-Streitkräfte gefasst machen auf eine Art Rache für diesen wirklich schrecklichen Vorfall.”

euronews:

“Verändern dieser Amoklauf und die Koranverbrennung in den USA die allgemeine Einstellung zum Afghanistan-Einsatz?”

Martha Raddatz:

“Nun, die öffentliche Meinung ist bereits völlig im Keller. ABC News und die Washington Post haben über’s Wochenende eine Umfrage veröffentlicht, und die war vor dem Amoklauf erhoben. Danach glauben 60 Prozent der Amerikaner nicht, dass der Krieg in Afghanistan irgendetwas gebracht hat… und eine Mehrheit, 54 Prozent, findet, die Amerikaner sollten raus aus dem Land, ob die afghanischen Sicherheitskräfte nun voll ausgebildet sind oder nicht - angeblich soll es ja bis Ende 2014 so weit sein. Ich meine, dieser Druck nimmt zu. Sicher macht man sich im Pentagon Gedanken über diesen Druck der amerikanischen Öffentlichkeit.

Auch die öffentliche Meinung in Amerika zählt. Nicht nur in Afghanistan denken die Menschen neu nach. Ich erwarte, dass das amerikanische Volk auf diesem Krieg bald noch viel schlechter zu sprechen ist.”

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