Tadschikistian: Schritt für Schritt zur Demokratie

Tadschikistian: Schritt für Schritt zur Demokratie
Von Euronews
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Wie ist die Lage in Tadschikistan 20 Jahre nach der Unabhängigkeit? Anlässlich des persischen Neujahrsfest “Norouz” sprach euronews mit Staatspräsident Emomali Rachmon in der Hauptstadt Duschanbe über den Demokratisierungsprozess, die Beziehungen mit Russland und dem Iran sowie über den Drogenschmuggel an der Grenze zu Afghanistan.

Babak Kamiar für euronews:
“Guten Tag Herr Präsident und alles Gute zu “Norouz”. Stärken diese Neujahrsfeierlichkeiten Ihrer Meinung nach die Identität des Volkes? Sind die “Norouz”-Zeremonien dieser Tage vielleicht ein Vorspiel für die Wiederherstellung der tadschikischen Identität, die unter der früheren Sowjetherrschaft gelitten hat?”

Emomali Rachmon:
“Zu Zeiten der russischen Herrschaft konnten die Menschen ihre Traditionen und Gebräuche nur sehr eingeschränkt ausleben. Die Feiern waren verboten und Menschen, die sie ausübten, wurden strafrechtlich verfolgt. Aber das Neujahrsfest ist tief in der Volksseele verankert. Selbst während ihrer mehr als 70 Jahre dauernden Herrschaft konnten die Sowjets diese Tradition nicht abschaffen. Bevor die Russen kamen, war es genauso, und der Islam hat “Norouz” schließlich angenommen. “Norouz” feiert den Sieg der Tugend über das Laster. Es fördert gute Taten. Es geht um Vergebung. So eine Feier ist selten in der Welt.”

euronews:
“Der Iran leidet zunehmend unter internationalen Sanktionen. Haben diese Sanktionen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Tadschikistan und dem Iran?”

Emomali Rachmon:
“Nach unseren Informationen geht es der Islamischen Republik Iran im Grunde genommen gar nicht um die Anschaffung oder Herstellung von Atomwaffen. Der Iran macht Fortschritte, das Land hat sich entwickelt. Alle Probleme bezüglich der Atomenergiefrage können nur durch Dialog und mit diplomatischen Mitteln gelöst werden. Diese Sanktionen haben uns natürlich auch getroffen. Nicht nur Tadschikistan, auch viele europäische Länder und auch Japan sind davon betroffen. Die Preise von Öl und Gas sind gestiegen. Das kommt den Erdöl produzierenden Ländern zugute, nicht denjenigen, die Öl verbrauchen. Viele der Länder, die gewohnt waren, iranisches Öl zu kaufen, sind von diesen Sanktionen betroffen. Der Anstieg der Weltmarktpreise für Öl und Gas hat natürlich unserer Wirtschaft geschadet.”

euronews:
“Etwa eine Million Tadschiken arbeiten in Russland. Verursacht das keine gesellschaftlichen Probleme oder trägt es womöglich dazu bei, dass Russland seinen Einfluss in Tadschikistan vergrößert?”

Emomali Rachmon:
“Über eine Million tadschikische Arbeitsmigranten leben und arbeiten in Russland. Nun, das ist wahr, wo sonst können sie in der Region hingehen? Mit ihrer Arbeit tragen sie dazu bei, ihren Familien und auch der Wirtschaft ihres Landes zu helfen. Es besteht eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Tadschikistan und den russischen Behörden, um die Rechte und Interessen der tadschikischen Gastarbeiter in der Russischen Föderation zu wahren. Ich glaube nicht, dass unsere Beziehung und unsere strategische Zusammenarbeit mit Russland Tadschikistan in seinen Beziehungen zu anderen Ländern beschränkt. Das ist nicht der Fall. Wir haben eine Außenpolitik der offenen Tür.”

euronews:
“Kürzlich gab es in Russland Präsidentschaftswahlen. Als Präsident von Tadschikistan glauben Sie daran, dass das Abhalten von Wahlen in einer Gesellschaft bereits bedeutet, dass dort Demokratie herrscht?”

Emomali Rachmon:
“Eine Regierung, die während siebzig, achtzig Jahren die gleiche Politik, die gleiche Ideologie gehabt hat, kann sich nicht in zehn oder zwanzig Jahren in eine demokratische und zivilisierte Gesellschaft verändern. Es braucht Zeit, bis die Menschen ihre Mentalität geändert haben. Das ist ein Prozess, der in Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken angefangen hat. Diese Wahlen in Russland, bei der politische Gruppen frei ihre Meinung äußern konnten, haben sie nicht einen Fortschritt in diesem Demokratisierungsprozess gezeigt? Aber Sie wissen, Fehler und Irrtümer sind am Anfang unvermeidlich. Die Implementierung der amerikanischen oder europäischen Demokratie in Russland oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken innerhalb kurzer Zeit ist unmöglich, das ist nur ein Traum.”

euronews:
“Wie beurteilen Sie die Einhaltung der Menschenrechte in den vergangenen 20 Jahren der Unabhängigkeit? Ist die Situation im Moment zufriedenstellend?”

Emomali Rachmon:
“Ich erinnere mich, dass es in den Jahren 1990-91, im ersten Jahr der Unabhängigkeit, nur vier private Zeitungen gab. Wir hatten nur einen TV-Sender. Es gab nur eine staatliche Nachrichtenagentur. Derzeit gibt es mehr als 3000 aktive Organisationen, politische Parteien und NGOs. Es gibt rund 500 Zeitungen und Zeitschriften, von denen 60 Prozent im Privatbesitz sind. Es gibt 44 Fernsehstationen, nur 4 von ihnen sind staatlich. Schritt für Schritt haben wir eine Menge dafür getan, um die Menschenrechte in Tadschikistan zu schützen. Wie Sie wissen, kämpfen wir mit vielen Problemen, unsere Gesellschaft ist in einem Wachstum- und Entwicklungsprozess und wird ihren Weg Schritt für Schritt finden.

euronews:
“Wie steht es mit der Sicherheit an der Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan? Wie wird diese Sicherheit gewährleistet? Und was ist mit dem grenzüberschreitenden Drogenschmuggel?”

Emomali Rachmon:
“Wenn Sie die heutige Situation mit der vor zehn bis elf Jahren vergleichen, gibt es einen großen Unterschied. Die Sicherheitslage ist heute viel besser. Das große Problem ist der Drogenschmuggel. Die zuständigen Behörden in Tadschikistan und der Islamischen Republik Afghanistan arbeiten zusammen, um dieses Problem sowohl an der Grenze als auch in Afghanistan zu lösen. Aber wir brauchen Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. Wie die Probleme des internationalen Terrorismus und des Extremismus ist der Drogenschmuggel ein globales Problem. Es ist nicht auf Afghanistan, Tadschikistan und Zentralasien begrenzt. Warum sollten wir darüber reden? Es werden Chemikalien nach Afghanistan geschmuggelt, um bei der Produktion von Drogen zu helfen. Es gibt keine derartigen chemischen Fabriken weder in Tadschikistan noch in Afghanistan. Die Frage ist: Woher kommen sie? Durch welche Länder werden große Mengen dieser Materialien geschmuggelt? Sollte in der Zukunft nicht dieses Problem angegangen werden?”

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