Die Außenpolitik im französischen Präsidentenwahlkampf

Die Außenpolitik im französischen Präsidentenwahlkampf
Von Euronews
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Die Außenpolitik kommt im Rennen um das französischen Präsidentenamt erst ganz zum Schluß.
Schließlich sind den Wählern Arbeitsplätze, Mieten, Schulbildung daheim in Frankreich wichtiger als die Positionierung ihres Landes in der Welt. Am meisten interessiert da noch das Verhältnis zum wirtschaftlich stärkeren Deutschland und zur EU,
weil da auch für den einfachen Franzosen noch die Rückwirkungen erkennbar sind. Seine Zustimmung zu der von Merkel angestrebten Variante des Fiskalpaktes begründet Sarkozy mit der rhetorischen Frage, ob denn jemand Frankreich in der gleichen Lage wie Griechenland, Portugal, Spanien, Irland oder Island sehen wolle.
Allerdings hat er sich zum Wahlkampfende hin dem Verlangen seines Rivalen nach mehr Wachstumsförderung immer mehr angenähert.
Der Sozialist François Hollande vertrat von Anfang an die Meinung, man dürfe kein Land kaputt sparen.
Am ersten Mai sagte er: “Europa kann die Lösung sein, wenn es nicht allein auf hartes Sparen setzt, wie es der scheidende Präsident nach der Vorgabe der deutschen Kanzlerin tut.”
Der um die zweite Amtszeit kämpfende Sarkozy lehnt sich weit nach rechts aus dem Fenster mit seiner Forderung, die Grenzen zu kontrollieren,
mit seiner Äußerung, Zuwanderung sei eine Gefahr.
Zu Afghanistan vertreten beide Rivalen den gleichen Standpunkt: Unterschiede gibt es nur beim Zeitpunkt des Abzuges, Hollande will die eigenen Truppen schon Ende 2012 wieder daheim haben, Sarkozy erst ein Jahr später.
Und wie soll sich Frankreich zu Syrien verhalten?
Auch hier nahezu Einverständnis. Keine Militäroperation wie in Libyen, wo sich Sarkozy am Ende bejubeln lassen konnte. Hier ist er vorsichtiger und verlangt nur “humanitäre Korridore”, während Hollande auf den Plan von Kofi Annan setzt. Sarkozy versucht im Endspurt natürlich, seine Omnipräsenz bei jeder sich bietenden Krise irgendwo auf der Welt in Wählerstimmen umzumünzen. Und er wird nicht müde, die fehlende Erfahrung von Hollande auf dem internationalen Parkett zu unterstreichen. Dem hält das Hollande-Lager entgegen, Barack Obama hatte bei Amtsübernahme noch weniger außenpolitische Erfahrung.

Didier Burnod. euronews
Aus Brüssel ist uns jetzt der Europa-Korrespondent der britischen Zeitung “The Times”, Charles Bremner, zugeschaltet. Sie verfolgen seit Jahren die französische Politik, haben schon mehrere Präsidentenwahlen erlebt. 2007 bezeichneten Sie den Wahlkampf zwischen Selogène Royal und Nicolas Sarkozy als “faszinierend”. Welchen Eindruck haben 2012?.

Charles Bremner. Europe Editor of The Times
Die Auflage 2012 ist völlig anders. Es gibt nicht mehr so viel Leidenschaft, soviel Hektik. Auch viel weniger Orientierung, die Themen bleiben ziemlich unklar. Da ist der “scheidende Kandidat”, wie ihn Hollande nannte, der jede Woche sein Hauptthema wechselt. Auf der anderen Seite Francois Hollande, wo es Beständigkeit gibt – aber nicht viel Leidenschaft, Energie.

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Es war auch ein Wahlkampf ohne große internationale Themen. Das erscheint schon paradox für ein Land, das einen führenden Platz in der Welt einnehmen will. Wie nimmt das der ausländische Beobachter wahr?

Charles Bremner
Ohne zu kritisch sein zu wollen – von außen betrachtet hat man schon den Eindruck, der Wahlkampf weiche den echten Problemen aus, mit denen sich Frankreich im Moment konfrontiert sieht:
wie Wirtschaft oder die Situation des Euro.

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Auf der einen Seite ist da der scheidende Präsident Nicolas Sarkozy, der in der Euro-Krise eine aktive Rolle spielt. Auf der anderen Seite Francois Hollande, der noch keine solche Erfahrung hat. Trotzdem spielt Sarozy diesen Trumpf nicht aus. Warum, Ihrer Meinung nach?

Charles Bremner
Zu Beginn des Wahlkampfes hat er das benutzt, wie Sie sich erinnern, hat er viel vom “deutschen Modell” gesprochen. Das hat er aber schnell gelassen, als er sah, dass es nicht gut ankommt.
Er wollte nicht die Empfindlichkeit der Franzosen reizen. Darum hat er sich auf andere Themen verlegt, ein wenig nationalistisch. Und auf Themen, die für die Franzosen nicht wirklich an der Tagesordnung sind wie Hala, also für Muslime erlaubte Nahrungsmittel in den Supermärkten und Zuwanderung.

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In einer Umfrage meinten in dieser Woche zwei Drittel der Befragten, Sarkozy sei besser in der Lage, in Europa Einfluß auszuüben. Spielt das außerhalb der Grenzen Frankreichs eine Rolle?

Charles Bremner
Das glaube ich schon. Zumindest kennt man Sarkozy, weiß, dass er eine starke Führungspersönlichkeit ist, voller Energie, und dass er die Erfahrung hat, Frankreich 5 Jahre zu führen.
Francois Hollande kennt man nicht, wie Sie wissen, fehlt ihm diese Erfahrung. Darum kann man sich eine Fortsetzung der Sarkozy-Zeit eher vorstellen.

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Das hat sich auch heute, so kurz vor dem 2. Wahlgang nicht geändert?

Charles Bremner
Das Bild wird etwas schärfer, denn wir haben alle unsere Porträts geschrieben, Interviews geführt und erklärt, woher er kommt, seine Ideologie. Aber er selber hat nicht klarer präzisiert, was er will.
Das ist eine der Fragen, die Frankreichs Partner in Europa beunruhigen.

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Beide Kandidaten haben nicht mit der Auslandspresse gesprochen. Sie als britischer Korrespondent, wie erklären Sie sich das?

Charles Bremner
Zu Beginn des Wahlkampfes war François Hollande sehr offen mir gegenüber. Wir haben zwei- oder dreimal miteinander gegessen und Hintergrundgespräche geführt. Aber seit einigen Wochen werden wir ausländischen Korrespondenten von beiden Kandidaten ausgeschlossen. Wobei Nicolas Sarkozy die Auslandspresse nie sehr dicht an sich heran ließ. Er gab sehr wenig Interviews seit er 2007 an die Macht kam.

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Vielen Dank für die Analyse,
Charles Bremner, Korrespondert der Times in Paris.

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