Athen: Auf der Suche nach einer Regierung

Athen: Auf der Suche nach einer Regierung
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button

“Auf der Suche nach einer Regierung – Historischer Zusammenbruch der Regierungsparteien”, lautet die Schlagzeile in der griechischen Qualitätszeitung “Kathimerini”. Das Blatt “Avghi”, das der Radikalen Linken nahesteht, jubelte: “Die Macht liegt nun bei der Linken”. Fast vier Jahrzehnte lang regierten Konservative und Sozialisten. Damit ist es vorbei. “Ich bin zufrieden”, sagt ein junger Mann, “denn nun haben die beiden großen Parteien begriffen, dass die Menschen aufgebracht sind.” “Ich habe Angst vor der Zukunft, ganz gleich wie diese sich gestaltet”, meint eine Frau. “Verlassen wir die Eurozone, sind wir damit zwar nicht aus der Welt, doch wir geraten in eine Grauzone. Ich würde sie lieber vermeiden, doch ich werde sie in jedem Fall überleben.” Größter Gewinner der Wahl ist das Bündnis der Radikalen Linken, das mit fast 17 Prozent zweitstärkste Partei wurde. Als Partner für eine Regierung der nationalen Einheit aber kommen die Linksradikalen nicht infrage. Ihr Chef Alexis Tsipras machte klar, wohin die Reise geht: Man wolle sicherstellen, dass die künftige Regierung das Rettungspaket für Griechenland verurteile und die Sparmaßnahmen einstelle. Nikos Konstantaras ist leitender Redakteur und Kolumnist der Zeitung “Kathimerini”. Seiner Meinung nach kommen nun populistische Sprüche auf den Prüfstand, darunter jener, Griechenland könne sich selbst helfen, wenn sich die Kreditgeber zurückzögen. Wir sprachen mit ihm.

Euronews:
Ist die Stellung Griechenlands in der Eurozone nicht mehr gefährdet denn je, nachdem die beiden stärksten Parteien, die Konservativen und die Sozialisten, ihre Macht und ihre Legitimität verloren haben?

Nikos Konstantaras:
Der Unterschied besteht darin, dass beide Parteien unter der Regierung von Ministerpräsident Papademos zwar nur halbherzige Bemühungen unternommen haben, doch immerhin Bemühungen. Mit dem derzeitigen Mangel an Legitimität könnte es künftig an dem Willen fehlen, die Bedingungen zu erfüllen. Es liegt nun an der Eurozone, zu entscheiden, wie es weitergeht.

Euronews:
Auch die Reformen haben die Wahl verloren, könnte man sagen. Ist es das Ende der Hoffnungen jener, die auf einen Wandel gesetzt haben?

Nikos Konstantaras:
Diese Hoffnungen haben einen gehörigen Dämpfer erhalten. Jede politische Partei, die Reformen wollte, ist dafür bestraft worden. Den Sozialisten ist zuzuschreiben, dass es über Jahre hinweg an Reformen mangelte. Zuletzt haben sie Reformen versucht, doch die Strafe dafür ist höher, als man sich das vor Monaten noch vorstellen konnte. Auch die Konservativen, die diese Bemühungen unterstützt haben, wurden bestraft. Die Reformbewegung ist tot. Dies mag ein Rückschritt sein. Die Unterstützer der Reformbewegung sollten begreifen, dass sie nun eine neue politische Kraft bilden sollten, um eine Alternative zu schaffen.

Euronews:
In Ihrem ersten Kommentar nach dem Wechsel schrieben Sie, das politische System Griechenlands stehe vor einer entscheidenden Wahl zwischen Zusammenarbeit, der Suche nach einem Kompromiss oder möglicherweise Anarchie…

Nikos Konstantaras:
Es gibt die extreme Linke, die extreme Rechte, die politische Mitte löst sich auf. Es gibt keine klare politische Richtung. Begreifen die Parteien nicht, dass sie zusammenarbeiten müssen, geht künftig jede Einheit verloren. Zu einem ersten Test wird der Versuch der Konservativen und ihres Chefs Samaras, eine Regierung zu bilden. Dieser erste Test wird darüber entscheiden, ob eine neue Zeit beginnt und die Normalität zurückkehrt oder ob viel Durcheinander auf uns zukommt.

Euronews:
Könnte die EU, könnten die Euro-Länder eine ähnliche Entscheidung treffen? Ob sie weiter zur Unterstützung bereit sind oder nicht?

Nikos Konstantaras:
Meiner Meinung nach besteht die Tragödie Griechenlands darin, dass es hieß, die Griechen seien das Problem. In Deutschland hieß es, die Griechen holten den Deutschen das Geld aus der Tasche, weil sie faul seien. Es gab niemanden, der beide Seiten in Schutz genommen hätte. Viele Probleme hätten ohne Konfrontation gelöst werden können. Wir wären nie auf diesen Weg gelangt. Schritt für Schritt gehen wir der Auflösung entgegen.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Parlamentswahl in Portugal: Knapper Vorsprung für die Demokratische Allianz

Portugal: Klimaaktivisten beschmieren Politiker mit grüner Farbe

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet: Niederländer gehen an die Urnen