Hamas-Chef al Zahar: "Wir haben Anspruch auf die Regierung im Westjordanland und Jerusalem"

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Von Euronews
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Einer der führenden Köpfe der radikalislamischen Hamas-Bewegung, die im Gazastreifen die Macht ausübt, ist Mahmud al Zahar. Der studierte Arzt und Chirurg war schon an der Gründung der Organisation 1987 beteiligt und gilt heute als Führer des radikalen Flügels. Die Hamas ist Gegenspielerin der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die nur im Westjordanland die Macht hat. Für Euronews sprach Mohammad Shaikhibrahim in Gaza mit Mahmud al Zahar.

Euronews: Warum haben Sie das Doha-Abkommen abgelehnt? Die Hamas in Palästina hatte viele Vorbehalte geltend gemacht, obwohl der Vorsitzende des Politbüros das Abkommen billigte.

Sahar: Erstens wurde im Abkommen von Kairo vor mehr als vier Jahren eine Regierung der nationalen Einheit vereinbart – unter Ausschluss von Mitgliedern der Hamas und der Fatah und anderer palästinensischer Gruppen. Das ist der erste Punkt, der im Doha-Abkommen enthalten ist. Vereinbart war eine neutrale Regierung, die freie und faire Wahlen abhalten sollte. Aber die USA und Israel übten Druck aus gegen die Bildung einer Einheitsregierung.
Sie wollten eine Regierung, die den Bedingungen des Nahost-Quartetts zustimmt, und die sind für Hamas unannehmbar, weil sie das palästinensische Volk schwer schädigen würden. Das Doha-Abkommen kann die Integrität der Wahlen nicht gewährleisten; für ihre Abhaltung darf nicht Abu Mazen die Verantwortung tragen.

Euronews: Warum soll Mahmud Abbas – genannt Abu Mazen – nicht die Übergangsregierung führen?

Sahar: Weil Abu Mazen verantwortlich ist für die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen, und verantwortlich für Wahlen, für die Festnahme von Hamas-Mitgliedern, für die Beschlagnahmung von Geld, für die Beschränkung von Freiheiten, – wie also soll er für ein objektives Wahlergebnis bürgen?

Euronews: Nach der Unterzeichnung des Doha-Abkommens kam es zu Differenzen zwischen der Hamas-Führung im Inland und der Führung im Ausland. Sie haben Khaled Meschaal vorgeworfen, er habe die Organisation vor der Unterzeichnung nicht umfassend konsultiert.

Sahar: Darüber will ich nicht sprechen, das hat keine Bedeutung für die Basis.

Euronews: Erhalten Sie finanzielle und militärische Unterstützung aus dem Iran?

Sahar: Wir werden in vielfältiger Weise unterstützt von der gesamten arabischen und islamischen Welt. Wir nehmen alles, was uns angeboten wird, denn wir sind schwach, und Israel ist eine Atommacht.

Euronews: Wenn Israel oder die USA den Iran angreifen würden, was würde die Hamas dann tun?

Sahar: Wir sind gegen jegliche Agression gegen irgendeinen Araber oder Moslem. Aber der Iran ist stark und kann sich wehren, er verfügt über alle dafür nötigen Mittel. Wäre der Iran leicht zu schlagen, würde Israel unverzüglich angreifen.

Euronews: Aber können wir das klären: Würde die Hamas bei einem Angriff auf den Iran stillhalten oder ihrerseits militärisch reagieren?

Sahar: Diese Frage beantworte ich nicht.

Euronews: Richten wir den Blick nach Syrien: Unterstützt die Hamas das syrische Regime oder die syrische Revolution, die den Rücktritt von Präsident Assad fordert – und ein Ende seines Regimes in Syrien?

Sahar: Wir sind keine Regionalmacht mit einem starken Standpunkt in dieser und jener Frage. Wir wollen ein starkes Syrien in jeder Hinsicht.

Euronews: Aber Herr Ismail Haniyeh hat vor einigen Wochen in Kairo erklärt, die Hamas unterstütze die syrische Revolution. Das war eine Überraschung – auch eine Wende in der Hamas-Strategie?

Sahar: Lassen Sie mich klarstellen: Er hat gesagt, wir sind auf der Seite des syrischen Volkes und seiner Forderungen, und die dortige Regierung hat gesagt, sie werde auf die Forderungen eingehen.

Euronews: Unterstützen sie das Regime noch, oder nicht?

Sahar: Ich glaube, ich habe Ihnen schon dreimal geantwortet, und Sie wollen immer noch eine Antwort.

Euronews: Ich versuche, herauszufinden, ob es noch eine starke Beziehung zum syrischen Regime gibt, ein festes Bündnis.

Sahar: Und ich denke, meine Antwort war klar und deutlich.

Euronews: Warum hat die Hamas Syrien verlassen nach dem Beginn der Revolution?

Sahar: Dies war eine individuelle Entscheidung und bedeutet keine Änderung unserer politischen Haltung.

Euronews: Wie sehen Sie die Haltung der EU im Hinlick auf die Entwicklung im Gazastreifen, seit die Hamas-Bewegung dort die Kontrolle ausübt?

Sahar: Lassen Sie mich das richtigstellen: Die Bewegung hat nicht die Kontrolle, sie stellt die Regierung, weil sie die Wahlen gewonnen hat. Da der Westen das islamische Projekt ablehnt, bezeichnet er diese demokratischen Verhältnisse als Kontrolle. Wir haben Anspruch auf die Regierung in Gaza, dem Westjordanland und Jerusalem. Das ist das Wahlergebnis. Aber die Heuchler im Westen wollen das nicht. Sie lehnen die muslimische Welt und islamische Strömungen ab und akzeptieren deshalb das Wahlergebnis nicht, obwohl alle Welt gesehen hat, dass es freie und faire Wahlen waren.
Ich möchte dem Westen einige Fragen stellen, und die Antworten sind zwar gut bekannt, aber man wagt nicht, sie auszusprechen.
Erstens: Was war unser Land vor 1948? Jüdisches Land? Das Land Israel? Oder das Land palästinensisch-arabischer Muslime? Dazu hätte ich gern eine Antwort.
Zweite Frage: Akzeptiert der Westen das sogenannte Recht der Rückkehr? also der Rückkehr der Juden in das Land ihrer Vorfahren, um hier 3000 Jahre später einen eigenen Staat zu errichten? Gibt es ein solches Recht der Rückkehr? Dann können wir Muslime ja nach Spanien zurückkehren, weil wir bis 1492 dort gelebt haben. Vielleicht will auch ein Volk aus diesem Grund Großbritannien besetzen, oder Indien. Fragen Sie mal die Franzosen, was sie von der Besetzung ihres Landes halten – durch die Nazis. Die werden sagen, dass es illegal war, und das war es auch, und de Gaulle war ein Freiheitskämpfer. Aber wenn es um die israelische Besetzung von Palästina geht, spricht man eine andere Sprache, und das ist Heuchelei.

Euronews: Was erwartet die Hamas angesichts der Revolution in Ägypten, der Vorgänge in Syrien, der Ereignisse in Libyen und Tunesien?

Sahar: Die Hamas-Bewegung ist eine islamische, wir stimmen politisch überein mit diesen Bewegungen und Trends, war haben denselben Glauben, dieselbe Grundlage wie die Bewegungen, die jetzt in Ägypten, Libyen, Tunesien und Marokko die Macht übernehmen, auch im Jemen, und jeder Führer, der auf demokratische Weise an die Macht kommt, wird die Meinung der Öffentlichkeit vertreten und die Position der Hamas unterstützen, und er wird die Besetzung der palästinensischen Gebiete verurteilen. Ich denke, die nahe Zukunft sieht für die Hamas günstig aus.

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