Erinnerungen an das "Todesmatch" in Kiew 1942

Erinnerungen an das "Todesmatch" in Kiew 1942
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Von Euronews
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Fußball, Nazis und sowjetische Propaganda. Der letzte Zeuge des legendären “Todesmatchs” von Kiew im Jahr 1942 erinnert sich. In dieser Ausgabe von Road to Euro:

Eine der Legenden in der sowjetischen Fußball-Geschichte ist das sogenannte Todesmatch von Kiew. Demnach wurden alle Mitglieder des Kiewer Teams “Start” nach dem Spiel im Jahr 1942 von den Nazis umgebracht, weil sie die Mannschaft der deutschen Flakelf durch einen Sieg gedemütigt hatten.

Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnten einige der früheren Spieler richtigstellen, dass es so ein Todesmatch nie gegeben hat.

Das Spiel war zwar hart, blieb aber folgenlos. So sieht es Vladlen Putistin, der Sohn eines der Spieler. Er war damals als Balljunge im Einsatz.

Vladlen Putistin, Sohn von Mikhail Putistin, “Start”-Spieler:
“Ich habe das nicht als so hart empfunden. Es gab Spannungen, das ja. Es gab auch Gerüchte, dass die Spieler gegen die Beine getreten wurden. Aber ich habe so etwas nicht gesehen. Wenn Sie dieses Foto anschauen, sehen Sie ein Bild, das direkt nach dem Spiel aufgenommen wurde. Jeder sah gut aus. Das zeigt, dass das Spiel normal abgelaufen ist.”

Jedoch wurden die meisten Spieler wenige Tage nach dem Spiel verhaftet – unter ihnen der Vater von Vladlen Putistin. Sie arbeiteten zu der Zeit in einer Brotfabrik in dieser Straße in Kiew.

Vladlen Putistin, Sohn von Mikhail Putistin, “Start”-Spieler:
“Sie wurden am 18. August verhaftet. Mein Vater hat mir erzählt, wie das ablief. Ein Auto fuhr vor der Brotfabrik vor. Dann lasen die Deutschen eine Liste mit Namen vor und brachten diese Personen zur Gestapo. Dort war mein Vater 23 Tage lang.”

Das Spiel, dass später als “Todesmatch” bezeichnet wurde, fand im Zenith-Stadion in Kiew statt. 1981 benannten es die Behörden in “Start”-Stadion um – in Erinnerung an diese legendäre Mannschaft.

Einer der ersten, die die Hintergründe um das Match beleuchten wollten, war Valentyn Shcherbachov. Die sowjetische Zensur verhinderte das. Inzwischen hat er jedoch ein Buch zu den Manipulationen um das Todesmatch veröffentlicht.

Valentyn Shcherbachov, Sportkommentator:
“Als solches gab es das “Todesmatch” nicht. Es gab eine ganze Serie von Spielen, die die Kiewer gegen andere Teams gewonnen haben. 1942 hat die neue Führung von Kiew deshalb die Spiele verboten – damit die Deutschen in den Augen der besetzten Stadt nicht diskreditiert würden.”

Warum wurden die Spieler dann verhaftet und der Dynamo-Verein seiner Spieler beraubt?

Vladlen Putistin, Sohn von Mikhail Putistin, “Start”-Spieler:
“Die Deutschen wussten, dass dieser Verein mit dem Geheimdienst zusammenarbeitete und die Spieler Untergrund-Aktivitäten durchführten. Deshalb wurden die Spieler vernommen. Jeder war in einer anderen Zelle. Als die Deutschen die Arbeit für den Geheimdienst nicht beweisen konnten, schickten sie die Spieler in Konzentrationslager.”

Valentyn Shcherbachov, Sportkommentator:
“Nur drei Spieler im Team kamen vom Dynamo-Verein: Trusevich, Klymenko und Komarow. Die anderen spielten für andere Mannschaften. Einige hätten später zu Dynamo gehen sollen, aber zu der Zeit waren es nur drei. Der Dynamo war in der Tat ein Team des Geheimdienstes, aber die “Start”-Mannschaft war ein Team aus Kiew.”

Vladlen Putistin, Sohn von Mikhail Putistin, “Start”-Spieler:
“Als die neun Spieler verhaftet wurden, wurden sie in einem Camp in drei Gruppen aufgeteilt. In der einen Gruppe waren die Spieler von Dynamo, die dann erschossen wurden. In der zweiten Gruppe waren Tyutchev, Putistin und Komarov. Goncharenko und Sviridovsky arbeiteten als Schuhmacher außerhalb des Camps. Sie waren verhaftet worden, aber sie waren nicht im Camp. Wenn alle Spieler zusammen gewesen wären, wären sie auch zusammen erschossen worden.”

Grund war jedenfalls nicht das Ergebnis des Spiels.

Vladlen Putistin hat übrigens gegen eine bekannte russische Tageszeitung geklagt. Sie hatte ein Interview mit einem Filmproduzenten veröffentlicht, der sagte, dass die verschonten Spieler mit den Nazis kollaboriert hatten.

Eine russische Produktionsfirma hat die Geschichte um das Todesmatch erst kürzlich neu verfilmt. Nach Angaben aus der Ukraine stellt der Streifen jedoch die Kollaboration der Ukrainer mit den Deutschen zu sehr in den Vordergrund.

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