Griechenland wagt keinen Sprung in den Abgrund

Griechenland wagt keinen Sprung in den Abgrund
Von Euronews
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Sich Geld zu leihen und dann vor dem Zurückzahlen wegzulaufen ist im Grunde einfach. Das kann jeder.
Schwieriger wird es, wenn man praktisch vollständig von seinen Geldgebern abhängig ist. Dann wird das Weglaufen zu einem Sprung in den Abgrund. In dieser Situation ist Griechenland.

Mit knapper Mehrheit haben sich die Griechen bei der Wahl gegen das Weglaufen entschieden. Nun geht es um die Tragfähigkeit der Schulden. Nach dem ersten Hilfsprogramm 2010 hatte Griechenland im vergangenen März ein weiteres erhalten, 130 Milliarden Euro schwer. Im Gegenzug verpflichtete sich Athen zu massiven Einsparungen.

Doch diese Einsparungen strangulierten das Land wirtschaftlich, meint der Präsident der griechischen Handelskammer. Die Griechen seien zu Opfern bereit, sie müssten aber auch die Aussicht auf ein Ende der Zeit der Opferbereitschaft haben.

Griechenland hinkt mit der Erfüllung seiner Zusagen deutlich hinterher. Experten zufolge muss daher der Hilfsvertrag zwischen Athen und seinen Geldgebern verändert werden. Aber nur verändert, denn Weglaufen kann Griechenland nicht.

Dimitrios Tsomocos: “Wir brauchen Wachstum und soziale Gerechtigkeit”

Die griechische Tradition. Derzeit steckt sie in der Krise. Staatsbankrott, Korruption – seit Jahrzehnten regiert bei den Hellenen die Vetternwirtschaft. Probleme mit dem Steuersystem, die Importrate ist weitaus höher als die Exportrate des Landes. Antonis Samaras soll es nun richten. Doch was wird sich ändern mit einer Koalitionsregierung mit ihm als Ministerpräsidenten? Einer Koalition, die aus den Parteien besteht, die das Land in die Krise geführt haben. Um eine Antwort darauf zu finden, hat Laura Davidescu für euronews mit Dimitrios Tsomocos gesprochen, ein in Oxford ausgebildeter Wirtschaftsfachmann und die zukünftige rechte Hand des Regierungschefs.

euronews: “Wenn die Sparpolitik um der Sparpolitik Willen gescheitert ist, und die neue griechische Regierung die Chance eines Neubeginns hat, was wird diese neue Regierung anbieten, was ist ihre Vision?”

Dimitrios Tsomocos: “Der Ausgangspunkt ist die Neuverhandlung und Ersetzung der Sparpolitik durch Maßnahmen, die zu Wachstum führen und zu einer stärkeren Rolle der Politik; Bereinigung sozialer Ungerechtigkeiten und Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit. Die Zahlungsfähigkeit, der Kapitalwert der Banken muss wiederhergestellt werden, als Weg zu einer realen Wirtschaft. Ein besserer, günstigerer Investitionsplan muss her. Schnelle Investitionen und gleichzeitig Strukturreformen. Außerdem muss das Steuersystem reformiert werden. Wir brauchen niedrigere Steuern. Die griechische Wirtschaft steckt in einer Rezessionsfalle. Griechische Unternehmen schließen eines nach dem anderen. Die griechische Bevölkerung hat wirtschaftliche Probleme, deshalb brauchen wir ein freundlicheres Steuersystem, niedrigere Mehrwert- und Unternehmenssteuern. Das wird die Wirtschaft beleben und sie aus der Rezession führen.”

euronews: “Ich bin ein griechischer Geschäftsmann, den Kopf voller guter Ideen. Ich klopfe bei der neuen Regierung an. Welche Antwort werde ich erhalten? Bekomme ich grünes Licht?”

Dimitrios Tsomocos: “Das Hauptziel der neuen griechischen Regierung wird es sein, den Markt zu stabilisieren, das Vertrauen der Wirtschaft in den Markt wieder herzustellen. Dann werden sich auch wieder griechische und ausländische Investoren finden, die der griechischen Wirtschaft vertrauen. Das geht nur, wenn die Beziehungen zwischen Staat und Realwirtschaft einfach, effizient und intelligent werden – im Gegensatz zu den paternalistischen, passiven und bürokratischen Beziehungen derzeit.”

euronews: “Am Ende wird man Geld brauchen und das alles verhandeln müssen. Wird die Samaras-Regierung in der Lage sein, den Deutschen am Verhandlungstisch gegenüber zu sitzen, ohne
zu blinzeln?”

Dimitrios Tsomocos: “Samaras hat während seiner politischen Karriere bewiesen, dass er ein harter Verhandlungsführer ist, der nicht blinzelt. Zweitens würde ich die Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland nicht als feindlich bezeichnen. Wir stecken da zusammen drin. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Europäische Union sozusagen aufwacht und das Wachstum anschiebt, Sparmaßnahmen durch Wachstum ersetzt und wahrnimmt, dass die griechische Schuldenkrise eine gesamt-europäische Krise ist. Es kann nicht mehr lange so weitergehen, dass wir stets Länder mit Überschuss haben, die nordischen Länder, und defizitäre Länder, die südlichen. Wir müssen die Volkswirtschaften aneinandner annähern, eine Politik, die zuerst von Jacques Delors, Helmut Kohl und François Mitterrand verfolgt wurde; sie sollte wieder eingesetzt werden. Nach dem, was in Spanien geschehen ist, bin ich zuversichtlich, dass die Europäer ihre Haltung ändern werden.”

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