100 Verkehrstote pro Tag. Was tun, Frau Townsend?

100 Verkehrstote pro Tag. Was tun, Frau Townsend?
Von Euronews
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Alex Taylor: Rund 100 Menschen wurden heute in der EU getötet. Genauso viele waren es gestern und auch morgen werden es wieder so viele sein. Sie sterben auf unseren Straßen. Was unternehmen wir dagegen und könnten wir noch mehr tun? Ihre Fragen gehen heute an Ellen Townsend, Referatsleiterin beim Europäischen Verkehrssicherheitsrat. Ellen, danke, dass Sie da sind, wir haben viele Fragen an Sie, legen wir also gleich mit der ersten los.

Katharina aus Deutschland

Hallo, ich bin Katharina aus Deutschland. Warum gibt es auf den europäischen Autobahnen unterschiedliche Geschwindigkeitsbegrenzungen?

Alex Taylor

Eine ganz einfache Frage. Warum gibt es zum Beispiel in Deutschland manchmal gar kein Tempolimit auf der Autobahn, während andere Länder Grenzwerte haben?

Ellen Townsend

Das ist ein Bereich, in dem wir wirklich gerne mehr Übereinstimmung sehen würden, speziell, was eine einheitliche Höchstgeschwindigkeit angeht. Raserei tötet, und je schneller jemand fährt, umso schlimmer sind die Folgen. Wir müssen die Geschwindigkeit also mit allen möglichen Maßnahmen kontrollieren, etwa mit Tempolimits, mehr Polizeikontrollen oder Radarfallen.

Alex Talyor

Aber das ist doch Sache der nationalen Regierungen, nicht wahr?

Ellen Townsend

Bis zu einem gewissen Grad ja. Aber wir würden gerne einheitliche Geschwindigkeitsgrenzen auf dem transeuropäischen Netz sehen, und hier hat die EU entsprechende Befugnisse.

Alex Taylor

Hier die nächste Frage zum Thema Verkehrssicherheit.

Axel aus Belgien

Hallo, ich bin Axel, ich lebe in Brüssel. Wie ich gesehen habe, gibt es mehr und mehr Unfälle, weil viele Menschen am Steuer SMS versenden oder telefonieren und somit abgelenkt sind. Wie wirken sich Mobiltelefone auf unser Fahrverhalten aus? iPhones und iPods sind heute überall, wir können von jedem Ort aus ins Internet. Gibt es darüber Studien? Also über Unfälle, bei denen der Fahrer vielleicht gerade sein Facebook gecheckt hat? Vielen Dank.

Alex Taylor

Nicht unbedingt nur Facebook, ich sehe oft Leute, die einfach eine SMS schicken.

Ellen Townsend

Ja, wir leben in einer immer stärker vernetzten Gesellschaft. Eine Untersuchung von uns zeigt, dass 20 bis 30 Prozent aller Unfälle durch Ablenkungen verursacht werden. Das können Ablenkungen durch das Handy sein, durch Telefonieren oder das Schreiben und Lesen von SMS.

Alex Taylor

Wie sieht es mit Rauchen oder Gesprächen aus?

Ellen Townsend

Selbst wenn man beim Telefonieren die Hände frei hat, ist die Aufmerksamkeit ganz woanders, und der Gesprächspartner sieht auch nicht, dass man zum Beispiel auf eine rote Ampel oder einen Kreisverkehr zufährt, da muss der Fahrer aufmerksam sein. Wir würden den Gebrauch von Mobiltelefonen gerne komplett aus dem Auto verbannen, sei es der Blick aufs Blackberry oder auf Facebook.

Alex Taylor

Und Rauchen? Da sind die Hände ja auch kurz weg vom Lenkrad. Wie stehen Sie dazu?

Ellen Townsend

Das ist eine weitere Art der Ablenkung. Beim Fahren muss man seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Straße lenken.

Alex Taylor

Hier haben wir eine weitere Frage:

Pasi aus Finnland

Hallo, ich bin Pasi aus Finnland. Was unternimmt die EU für die Sicherheit von Motorradfahrern?

Alex Taylor

Er bevorzugt ganz offensichtlich die Reise zu Wasser. Die Zahl von Autounfällen ist kontinuierlich gesunken, wenn auch zuletzt etwas langsamer, aber bei Motorrädern ist es immer noch schlimm.

Ellen Townsend

Ja, das ist eine der wichtigsten Aufgaben für uns, für meine Organisation aber auch für die EU, und das zu recht. Zur Zeit sind 16 Prozent der Verkehrstoten Zweiradfahrer, dabei kommen sie nur für zwei Prozent aller gefahrenen Kilometer auf. Das relative Risiko ist also sehr, sehr hoch.

Alex Taylor

Würden Sie also sagen, die Motorradfahrer sind daran schuld? Oder eher die Leute, die sich nicht um die Biker kümmern?

Ellen Townsend

Es muss sicherlich noch mehr dafür getan werden, die Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Aber bezüglich der Motorradfahrer wird gerade ein neues Gesetz beraten, das bessere Bremssysteme vorschreiben würde. Außerdem sollte die Polizei die Helmpflicht stärker kontrollieren, wir müssen aber auch die Risiken besser erklären, die bestehen, wenn man keinen Helm trägt. Besonders jetzt im Sommer haben ja nicht nur die Leute in Südeuropa Lust, die Helme zu Hause zu lassen.

Alex Taylor

Zu diesem Thema gab es viele Fragen per Webcam. Hier ist eine andere.

Tarik Huber aus Bosnien-Herzegowina

Hallo, mein Name ist Tarik Huber, ich bin aus Bosnien-Herzegowina. Aus den Medien erfahren wir immer wieder über Technologien, die komplett von Computern gesteuert werden und bei denen die Menschen lediglich Beobachter sind. Sollte diese Technologie in Zukunft angewandt werden und können wir den Faktor Mensch aus dem Straßenverkehr ausschließen?

Alex Taylor

Ich wohne in Paris und da gibt es U-Bahnlinien, die komplett automatisch, ohne Fahrer fahren. Glauben Sie, eines Tages wird es fahrerlose Autos geben? Vielleicht ist das eine Lösung für Sicherheitsfragen.

Ellen Townsend

Ich denke, bestimmte Technologien können sicher helfen und wir unterstützen drei solcher Technologien, die direkt mit den drei größten Todesursachen verbunden sind: So wird ein Geschwindigkeitsassistent entwickelt, der warnt, wenn man etwa in einer 30er-Zone 40 fährt. Und dann Alkohol, da gibt es ein System, das einen nicht fahren lässt, es sei denn, ein Atemtest beweist, dass man nüchtern ist.

Alex Taylor

Und das kann man dann selber machen oder wie? Durch das iPhone, das einem dann sagt: Du kannst nicht fahren?

Ellen Townsend

Ja, das wäre im Auto angebracht. Und das dritte, sehr wichtige, über das gerade ein neues Gesetz verabschiedet wurde, sind Gurtwarner. Wir haben hier also unterstützende Technologien, die den Fahrern in den drei Risikofeldern helfen: Geschwindigkeit, Alkohol und eben das Anschnallen.

Alex Taylor

Hier kommt eine andere Frage zum Thema Verkehrssicherheit.

Nicolas, Belgien

Ich bin Nicolas aus Belgien. Hat es irgendeinen Sinn, vor Radarfallen zu warnen oder sie anzukündigen? Welchen Sinn hat eine Radarfalle, wenn 100 Meter vorher eine Warnung steht?

Alex Taylor

Ein riesiges Streitthema, aber hat es Sinn? Fahren die Leute dadurch langsamer? Oder ist es schlecht, dass es diese Schilder gibt, auf denen steht, “Sie werden in wenigen Minuten kontrolliert”?

Ellen Townsend

Ja, es ist gut, wir können solche Kontrollen generell befürworten. Die Polizei warnt Fahrer vor Kontrollkameras, weil sie an Hochrisikoorten angebracht sind. An Orten, wo es bereits Unfälle oder Tote gab.

Alex Taylor

Ist das in allen Ländern gleich oder gibt es da Unterschiede?

Ellen Townsend

Es gibt in den verschiedenen Ländern auch verschiedene Herangehensweisen, aber die Kernbotschaft ist, dass Radarfallen Leben retten. Sie sind nicht da, um nervige Strafzettel zu verteilen, sie dienen der Verkehrssicherheit.

Alex Taylor

Und das funktioniert wirklich?

Ellen Townsend

Ja, absolut. Ein Beispiel aus Italien, wo erst jüngst Radarfallen auf den Straßen eingeführt wurden, sogenannte Sektions-Kontrollen, also Zonen, wo man hinein- und wieder herausfährt. Diese Kontrollsysteme haben tödliche Unfälle um 50 Prozent reduziert. Und das ist nur eines von vielen Beispielen die zeigen, dass diese Kontrollen ganz klar Leben retten.

Alex Taylor

Ok, kommen wir zur letzten Frage hier bei iTalk für Ellen Townsend.

Antonio aus Italien

Unfälle, bei denen schwache Personen betroffen sind, sind ein Problem in vielen europäischen Ländern. Was will die EU-Kommission dagegen tun und was sieht das Programm Horizon 2020 da vor?

Alex Taylor
Ich bin nicht ganz sicher, was er mit “schwachen Personen” meint, aber ich nehme an, er meint Fußgänger, Radfahrer, Menschen, die also den Risiken im Verkehr ausgesetzt sind.

Ellen Townsend

Nun, sowohl auf europäischer wie nationalstaatlicher Ebene wird zur Zeit versucht, Menschen dazu zu ermutigen, mehr zu laufen oder radzufahren, besonders auf kurzen Strecken. Das unterstützen wir im Kern, allerdings muss auch das Umfeld, in dem sich Fußgänger oder Radfahrer bewegen, sicher sein. Die EU sollte also vor allem gegen zu hohe Geschwindigkeit vorgehen. Wie ich schon sagte: Raserei tötet, besonders in Städten. Insofern ist es zum Beispiel gut, auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene Tempo-30-Zonen einzuführen. Außerdem ist es wichtig, Fußgänger und Radfahrer sichtbarer zu machen, das bedeutet Lichter an Fahrrädern oder reflektierende Streifen für die Kleidung von Fußgängern, im Winter zum Beispiel.

Alex Taylor

Ellen Townsend, vielen Dank, dass Sie all die Fragen hier bei iTalk beantwortet haben. Senden Sie uns weiterhin Ihre Fragen per Webcam. Sie finden das nächste Thema auf unserer Website.

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