Linke französische Regierung: "Keine strengen Sparmaßnahmen"

Linke französische Regierung: "Keine strengen Sparmaßnahmen"
Von Euronews
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Frankreich stöhnt unter einer Hitzewelle, aber für die Regierenden sind die kurzen Ferien vorbei. Nach gut hundert Tagen im Amt hagelt es Kritik für Präsident Francois Hollande. Vom politischen Gegner rechts ebenso wie von den Kameraden weiter links. Und in der Weltpolitik brodelt es auch.

Der Präsident empfing zunächst den neuen UN-Sondergesandten und danach eine Gruppe syrischer Oppositioneller. Hollande vertritt nach wie vor die Position, das Beste für Syrien wäre eine politische Lösung, die zu einem unblutigen Abgang von Machthaber Assad führt. An den Euro-Sorgen hat der Sommer nichts geändert. Hollande will in seiner ersten Arbeitswoche nach dem Urlaub die deutsche Bundeskanzlerin treffen. Danach hat sich der griechische Ministerpräsident in Paris angesagt.

Geändert hat sich die Geduld der eigenen Bürger daheim. Die wollen Taten sehen, einen Hoffnungsstreif am Horizont. Zwar hat Hollande sofort nach Amtsantritt einige besonders unpopuläre Entscheidungen der Vorgängerregierung rückgängig gemacht. Noch völlig offen ist, wie er sein Versprechen zur Stabilisierung des Staatshaushaltes erfüllen will. Das Wirtschaftswachsrum liegt bei Null. Es droht die Rezession. Da bleibt die besorgte Frage, wie er die 33 Milliarden Euro einsparen will, um das Haushaltsdefizit von aktuell 4,5 % auf die erlaubten 3 % zu drücken. Der Ökonom Elie Cohen spricht von einer so schwierigen Situation, wie man sie nie zuvor erlebt habe. Steuern müssen erhöht werden, obwohl die Kaufkraft schon jetzt viel zu angespannt ist. Gleichzeitig müssen Ausgaben gekürzt werden. Da verlangen die Franzosen in schwieriger wirtschaftlicher Lage vom Staat eine Lösung.

Sie wollen auch vor den davongaloppierenden Kraftstoffpreisen gerettet werden. Im Wahlkampf hat Hollande versprochen, den Preis einzufrieren. Dafür wird nun die Benzinsteuer etwas gesenkt – was wieder den Sparanstrengungen des Staates zuwiderläuft. Viel versprochen hatte der Kandidat Hollande auch zum Thema Sparmöglichkeiten. Bei der in Frankreich beliebtesten Sparform wollte er die Steuerfreiheit für Zinsgewinne, die heute bei einer Anlagesumme von 15.300 Euro liegt, verdoppeln. Erfüllt wird von diesem Versprechen nur die Hälfte.

Und auch zum Umgang mit den im Land herumziehenden Romafamilien aus Osteuropa ist der Regierung nicht wirklich eine Lösung eingefallen. Sie werden ebenso wie im Vorjahr unter Sarkozy vertrieben, wenn sie für Gemeinden zu einer zu großen Last werden. Das große Ziel einer Integration steht immer noch nur auf dem Papier.

Frankreich steckt in Schwierigkeiten. Soll man Sparmaßnahmen beschließen? Wie die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Wie die Wirtschaft ankurbeln? Auf solche Fragen antwortet die Regierungssprecherin und Ministerin für Frauenrechte, Najat Vallaud Belkacem.

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Die Kritik am neuen französischen Präsidenten und seiner Regierung wird stärker. Nicht nur von Seiten der Opposition sondern auch von den Kräften links von der linken Regierung. Wie bewertet die Regierungssprecherin die ersten Monate?

Najat Vallaud Belkacem
Wir haben es keineswegs unterlassen zu reagieren. Mit einer Reihe von Dekreten haben wir auf die zu niedrige Kaufkraft reagiert, haben den Mindestlohn angehoben, die Famileinbeihilfen zum Schuljahresbeginn, haben die Heraufsetzung des Rentenalters rückgangig gemacht und so weiter. Wir haben uns bemüht, anders zu regieren, das ist besonders wichtig. Und auch, dem allen eine Richtung zu geben, einen Kurs.

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Der Herbst verspricht heiß zu werden, mit schwierigen Entscheidungen. Wo setzt die Regierung Prioritäten?

Najat Vallaud Benlkacem
Wir kommen gerade aus einem Ministerrat, bei dem alle anstehenden Texte besprochen wurden. Es geht um enorm wichtige Reformen.In der zweiten Septemberhälfte wird sich das Parlament zu einer außerordentlichen Sitzung treffen, bei der es um die zwei wichtigen Themen geht: Arbeit und Wohnung. Wir werden 150.000 neue Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen. Wichtig ist auch die Wohnungsfrage, denn zu viele Franzosen wohnen unter schlechten Bedingungen. Für sie werden wir pro Jahr 150.000 neue Sozialwohnungen schaffen. In zwei weiteren Texten geht es um die Regulierung der Energiepreise. Gas- und Stromkosten belasten die Franzosen sehr. Und dann haben wir noch etwas vor, was bis Jahresende erledigt sein soll. Es geht um eine große Strukturreform im Bildungswesen, die das Land braucht.

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Erwarten die Franzosen mit dem Staatshaushalt 2013 echte harte Sparmaßnahmen, so ähnlich wie in Italien oder Spanien?

Najat Vallaud Belkacem
Wir wollen keine strenge Sparpolitik. Das bezieht sich nicht nur auf die Formulierungen, es geht um die Politik. Wir stellen fest, wenn man in einem Land das Wachstum ankurbeln will, dann muss man zuerst die Kaufkraft stärken und darf sie nicht belasten. Man muss sich Perspektiven schaffen, zum Beispiel mit Arbeitsplätzen. Der Staat muss Investitionen unterstützen in jenen Bereichen, in denen Arbeitsplätze geschaffen werden. Strenge Sparpolitik bewirkt das Gegenteil.

Strenge Sparpolitik ist, als sage man :
“ Wir mussen aufhören zu atmen und nur noch kürzen, kürzen, kürzen.” Solche Art des Kürzens führt zu nichts. Es besteht keine Chance, dass nach der strengen Sparsamkeit die Wirtschaft wieder ansprint. Man stribt bei bester finanzieller Gesundheit, aber man stirbt. Wir aber wollen leben.

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Eine Kritik besagt, dass bei allen Fragen der Sicherheit bisher nur mit Polizeigewalt geantwortet wird, womit sie sich nicht von der Vorgängerregierung unterscheiden.

Najat Vallaud Belkacem
Wir haben eine ganz klare Aussage. Gegen kriminelle Taten muss man mit Härte vorgehen. Aber gleichzeitig muss man den Gebieten eine Perspektive aufzeigen.
Wir haben noch eine andere Antwort, wie heute Francois Lamy, der Minister für Stadtentwicklung, vorgetragen hat. Zu seinem Arbeitsprogramm gehört die Nutzung der vorhin schon angesprochenen neu zu schaffenden Arbeitsplätze und Wohnungen. Es geht darum, Investitionen so einzusetzen, damit die Bewohner letztlich in einem sicheren Umfeld leben können und das mit Perspektiven.

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