Großaktion gegen 'Ndrangheta

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Von Euronews
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Im Rahmen einer umfangreichen Aktion gegen die kalabresische Mafia-Organisation ‘Ndrangheta ist in Mailand ein Regionalpolitiker der Berlusconi-Partei PdL festgenommen worden. Er soll von der Wählerstimmen gekauft haben. Dem Wohnungsbaudezernenten Domenico
Zambetti wird vorgeworfen, ‘Ndrangheta-Vertretern insgesamt 200.000 Euro für 4.000 Stimmen bei den Wahlen 2010 gezahlt zu haben.

In Reggio di Calabria wurde der Chef der Müllabfuhr verhaftet. Ihm wird Amtsmissbrauch und Nähe zum organisierten Verbrechen vorgeworfen. Er soll in Zusammenarbeit mit der ‘Ndrangheta der Stadtverwaltung überhöhte Rechnung unterbreitet haben.

Der 30-köpfige Stadtrat von Reggio di Calabria wurde aufgelöst. Die Provinzhauptstadt wurde von einer Nachfolgepartei der Christdemokraten und der Berlusconi-Partei PdL regiert. Das Innenministerium in Rom begründete seine Entscheidung mit der Nähe des Stadtrates zur ‘Ndrangheta.

Paolo Pollichieni ist italienischer Journalist, er hat schon mehrfach über Beziehungen zwischen Politikern und der organisierten Kriminalität in Kalabrien berichtet. Heute wurde die Verwaltung der Provinzhauptstadt Reggio Calabria wegen Nähe zur Mafia aufgelöst. In 52 kleineren Orten geschah das schon früher.

euronews: Warum erregt das jetzt solches Aufsehen?

Paolo Pollichieni: Erstmalig wurde diese Entscheidung für eine Provinzhauptstadt getroffen. Reggio Calabria ist mit 190.000 Einwohnern die größte Stadt in Kalabrien. Das Ganze hat einen politischen Grund: Bisher wurde Reggio Calabria als Modell bezeichnet für die Art, wie die ganze Region und alle lokalen Institutionen geführt werden. Im Bericht der Präfektur, der zur Auflösung führte, wird die Stadt als Modell für kriminelle Strukturen bezeichnet. Der Innenminister unterstrich, dass es sich hier um Nähe, um enge Abstimmung gehandelt habe. Hier ging es nicht um um Eindringen wie bei Hackern, hier standen die Türen weit offen.

euronews: Ebenfalls heute wurde in der Lombardei ein Regionalpolitiker der Berlusconi-Partei festgenommen. Dominico Zambetti wird vorgeworfen, bei der kalabresischen Mafia, der ‘Ndrangheta, Wählerstimmen gekauft zu haben.

Paolo Pollichieni: Man stellt sich heute manchmal vor – auch in Italien wie in Europa – die ‘Ndrangheta sei eine Art lokale Mafia, eher folkloristisch.Die Ermittlungen haben aber das Gegenteil ergeben. Die ‘Ndrangheta agiert über die Grenzen Italiens hinaus, wie bei dem Massaker im deutschen Duisburg zu sehen war. Die Ermittler, die die Ausbreitung der ‘Ndrangheta zu verhindern versuchen, berichten, wie die Mafiastruktur sich ausbreitet, dank großer Geldmengen aus dem Drogenhandel. Die werden in legale Geschäfte in Deutschland, Frankreich, Holland investiert. Und mit diesen Firmen kann sich die Mafia an öffentlichen Ausschreibungen in Italien beteiligen, zum Beispiel für die Vorbereitung der Weltausstellung in Mailand. Von italienischen Firmen wird dafür eine Bescheinigung verlangt, dass sie nichts mit der Mafia zu tun hat. Von einer ausländischen Firma kann man das nicht verlangen.

euronews: All das spielt sich in Europa ab. Wird in Europa genug getan, um die organisierte Kriminalität, die Mafia, zu bekämpfen?

Paolo Pollichieni: Europa bekämpft sie nicht. Es gibt ja noch nicht einmal ein gemeinsames Bewusstsein für diese realen Probleme. In der europäischen Gesetzgebung existiert nicht einmal der Straftatbestand der “Bildung einer kriminellen Vereinigung”. Das merken die italienischen Strafverfolgungsbehörden immer wieder, wenn sie Spuren im Ausland verfolgen wollen. Bei der Fahndung nach Kriminellen gibt es ein Minimum an europäischer Kooperation. Aber bei der Verhütung jene Aktivitäten, mit denen die ‘Ndrangheta in die Legalität wechselt, gibt es keine Zusammenarbeit. So wird Europa zum Paradies für die Kriminellen, sie müssen nur Steuern zahlen.

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