Stimmungstest in ukrainischer Schwerindustrie

Stimmungstest in ukrainischer Schwerindustrie
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Von Euronews
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Der Wahlkampf in der Ukraine geht in die heiße Phase. Das Zentrum der Schwerindustrie im Donezbecken, im Südosten des Landes hat seine politische Wahl bereits getroffen. Es steht hinter der derzeitigen Führung. Die Region ist das Rückgrat der Regierungspartei, der Partei der Regionen.

Die derzeitige Staatsführung kommt aus der Region. Mykola Shmigol ist stolz auf seine Arbeit und das Unternehmen, für das er arbeitet. Heute feiert er den 25. Jahrestag, an dem er seine Frau kennengelernt hat. Zu diesem freudigen Anlass trifft sich seine Familie im Kulturzentrum von Donezk zum Mittagessen. Der Klub wird von Donezkstahl finanziert.

Bergbauarbeiter Mykola Shmigol: “Ich arbeite seit 12 Jahren in diesem Betrieb. Wir bekommen hier im Donezker Hüttenwerk die volle Versorgung. Das geht bei dem Schutzanzug los bis hin zum vollen Sozialpaket, Ferien und Krankheitsurlaub. Der Arbeiter ist hier voll geschützt.”

Seine Frau Elena Shmigol erzählt: “Ich arbeite nirgendwo. Mein Mann lässt mich nicht, er liebt und schätzt mich sehr. Ich bleibe zuhause und kümmere mich um unsere Kinder und ihre Ausbildung. Ich mag mein Leben. Mein geliebter Mann ist nicht weit weg, was brauche ich mehr?”

Mykola Shmigol verdient im Monat 900 Euro. In der Ukraine liegt das Durchschnittseinkommen zwischen 250 und 300 Euro. Mykola Shmigol: “Die Lage ist stabil. Ich denke nicht, dass es mit einem Regierungswechsel besser wird. Wir haben das bereits gesehen. Es hat weder die Hüttenwerke noch die Kohleförderung, oder die Landwirtschaft und die Wirtschaft beeinflusst.”

Aber die Krise könnte Shmigol’s sicheren Familien-Hafen bedrohen. Andriy Yemchenko, Stellvertretender Manager von PJSC “Donetsksteel: “Es ist kein Geheimnis dass die Welt der Hüttenwerke in Europa und den ehemaligen Sowjet-Staaten nicht die besten Zeiten durchlebt.
Die energiesparenden Technologien, die wir einführen, helfen den Unternehmen zu überleben und sich weiterzuentwickeln.”

Aber diese Maßnahmen könnten bald nicht mehr ausreichen, den Arbeitern im Donezbecken den heutigen Lebensstandard zu gewährleisten. Ihor Burakovsky, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung: “Die ukrainischen Produzenten sind nicht sehr effizient, was das Design neuer Stahlprodukte betrifft. Das heißt, was wir produzieren ist mittlere Qualität. In diesem speziellen Sektor stehen wir im harten Wettbewerb mit beispielsweise chinesischen Produzenten und anderen.”

Neben den Stahlwerken ist der Bergbau das Rückgrat der Ukraine. Das Donezbecken ist eine wichtige Region zur Kohlenförderung. Wir trafen einen Bergarbeiter zu Beginn seiner Frühschicht. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Vorort von Donezk. Sergiy Abrosimov: “Am Morgen weckt mich mein Hund. Er hat seinen eigenen Wecker und weiß, dass ich um vier Uhr früh aufstehe. Wenn der Wecker nicht klingelt, weiß ich mit Sicherheit, dass mein Hund mich weckt.”

Bergarbeiter haben es besser als die meisten anderen in der Ukraine. Das Bergwerk gehört der gleichen Gesellschaft wie das Donezkstahl Hüttenwerk. Besitzer ist der russische Oligarch Viktor Nusenkis.

Sergiy Abrosimov: “Ich kann mir viele Dinge leisten. Ich arbeite seit 30 Jahren. Ich habe Erfahrung und einige Ersparnisse. Ich habe ein schönes Auto, fahre regelmäßig zur Kur und kann ins Ausland reisen. Die Lebensbedingungen haben sich seit der Sowjetunion verändert. Alles hat sich dynamisch weiter entwickelt. Es gibt keine Einschränkungen und die Menschen führen ein normales Leben.”

Der Bergbau ist ein stark subventionierter Industriezweig und bekommt jährlich eine Milliarde Euro. Der Gewinn des Sektors liegt bei sieben Milliarden Euro. Der Großteil der Subventionen fließt ins Donezbecken. Sergiy Abrosimov: “Für einen Kumpel sind zwei- bis dreitausend Euro ein exzellentes Gehalt. Ich denke, für jeden EU-Bürger ist das ein gutes Gehalt und man kann sich viel davon leisten.”

Andere Regionen blicken skeptisch auf diese großzügige Politik gegenüber den Arbeitern der größten Bergbau-Unternehmen. Sergiy Abrosimov: “Ich habe verschiedene Teile der Ukraine besucht und die Menschen sind überall gleich. Hier im Donezbecken und dort. Vielleicht arbeiten die Menschen im Donezbecken mehr, da die Industrie hier ihren Standort hat. Die Menschen arbeiten hart, stehen früh auf und haben immer Arbeit. Wenn ein Mensch viel arbeit, hat er keine Zeit, über die Politik nachzudenken, er arbeitet einfach nur. Vielleicht sind die Menschen in Donezk ein bisschen anders, da sie mehr arbeiten.”

Viele Jugendliche wollen Bergbauarbeiter oder Ingenieur in diesem Sektor werden. Ihor Burakovsky, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung: “Es ist offiziell bekannt, dass rund 40 Prozent der ukrainischen Kohlebergwerke restrukturiert werden müssten. Klar ist auch, dass die Mehrheit dieser Werke geschlossen werden müsste, wenn man sich die Tiefe des Abbaus anschaut – aber auch die geologischen Bedingungen, wie zum Beispiel die verschiedenen Gase, die den Abbau gefährden und es geht natürlich auch um die neuen Technologien.”

Ein anderes Problem der Schwerindustrie im Donezbecken ist der illegale Abbau. Nach Angaben des Instituts für Wirtschaftsforschung in Kiew stammen 12 Prozent der Donezker Kohleförderung aus illegalen Zechen. Man spricht in Donezk nicht darüber, denn die illegalen Bergarbeiter haben keinen sozialen Schutz und sie riskieren ihr Leben in gefährlichen Minen.

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