Erste Regionalwahl im Baskenland ohne ETA-Drohungen

Erste Regionalwahl im Baskenland ohne ETA-Drohungen
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“Adieu ETA”. Das war die Sensationsmeldung vor einem Jahr. Schluß mit der Gewalt. Mit einem Video im alten Stil kündigte die ETA die neue Zeit an.
Die Waffen werden aber nicht abgegeben.
Nun steht die baskische Gesellschaft bei dieser Regionalwahl vor einer ganz neuen Herausforderung.
Vergangenheitsbewältigung ist angesagt. Und die tut bekanntlich weh. Auch bei Christina schmerzen noch die Wunden. Cristina Sagarzazu war mit einem gegen die ETA eingesetzten Agenten der baskischen Polizei verheiratet. Der wurde von der ETA als “Verräter” ermordet. 1996 explodierte sein Auto. Sie hat zwei Söhne. Als ihr jüngerer Sohn 17 Jahre alt war, hatte sie ihn einmal gefragt, wie er zur Freilassung von verurteilten ETA-Tätern stehe.
Wie es wäre, wenn er dem Mörder seines Vaters auf der Straße gegegnen würde. “Nein”, habe der Sohn geantwortet, das wolle er auf keinen Fall.
Daraus schließt sie für sich, die Wunden würden nicht so einfach vernarben.
Auf der anderen Seite des Konflikts stehen die Angehörigen, der ETA-Täter, die im Gefängnis ihre Strafe absitzen. Sie verlangen, dass alle ETA-Täter zusammen in Gefängnisse in der Nähe ihrer Familien kommen. Arantxa beklagt, dass sie für jeden Besuch ihres Sohne 900 km fahren muss.
Ihr Sohn ist zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Auch sie hat mit dem Wort “Verzeihung” so ihre Probleme. Um die Toten tut es ihr leid, auch für deren Familien, sagt sie. Und dann geht sie ganz weit zurück bis zu den Wurzeln des Konflikts unter der Franco-Diktatur und erklärt: “Bevor wir um Verzeihung bitten können, muss man uns um Verzeihung bitten.”
Es ist die erste baskische Wahl ohne ETA-Drohungen. Aber deshalb ist im Baskenland noch lange nicht alles gut.

Erste Versöhnungsschritte zwischen Opfern und ETA-Tätern im Baskenland

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Ein Jahr ohne Gewaltdrohung der ETA, das reicht noch nicht, damit das Baskenland zur Normalität zurückkehren kann. Dazu schmerzen noch zu viele Wunden aus den mehr als drei Jahrzehnten ETA-Terror. Txema Urkijo ist stellvertretender Direktor im Büro der baskischen Regierung, das sich um die Opfer kümmert.
Frage an ihn: Wie kann das Baskenland zu einem normalen Leben zurückfinden, nachdem so viele Leben zerstört wurden durch den Terror der ETA?

Txema Urkijo.
Die Basken, das ist nur eine kleine Gemeinschaft von 2,1 Millionen Einwohnern. Die Gewalt ist in jeden Winkel dieser Gemeinschaft eingedrungen.
Daher glaube ich, dass ein Heilungsprozeß die Anstrengungen von allen erfordert. Er beginnt mit der Anerkennung aller Opfer, dann folgt die Wiedergutmachung für sie alle. Es darf nichts vergessen werden, was geschah, und gleichzeitig ist die Erziehung wichtig. Die Erziehung zur Toleranz, die dann einen friedlichen, demokratischen Umgang miteinander erlaubt. Aber das braucht Zeit.

Javier Villagarcía. euronews
Die linken baskischen Nationalisten, der politische Arm der ETA, haben ihr Bedauern ausgedrückt für die schmerzlichen Folgen, die Opfer des Terrorismus zu erleiden hatten. Reicht so ein
mea culpa ?

Txema Urkijo.
Bisher gab es nur die Schmerzen, aber keine Bewertung dieser Leiden. Kein Warum. Es war über die Opfer gekommen wie ein Erdbeben, eine Naturkatastrophe, für die man das Mitgefühl der anderen empfängt. Es geht darum, dass man jene erkennen muss, die einem das angetan haben oder auch jene, die andere dazu ermuntert haben, so etwas zu tun. Die große Aufgabe, die vor uns steht, das ist nicht nur die Anerkennung von erlittenem Leid. Es gilt auch, den Hintergrund zu beleuchten und dazu ist auch Selbstkritik nötig.

Javier Villagarcía. euronews
Sie, die baskische Regierung, organiseren Begegnungen von Opfern und reuigen Tätern.
Welche Erfahrungen machen Sie dabei?

Txema Urkijo.
Sehr positive. Auch wenn es sich um keine große Zahl handelt. Es gab nur einige Dutzend solcher Treffen. Aber das hat uns schon zu der Erkenntnis geführt, dass es im Kollektiv der ETA-Häftlinge eine gewisse Anzahl von Menschen gibt, die einräumen, dass die Gewalt nicht nur deshalb falsch ist, weil sie nicht zum Erreichen der angestrebten politischen Ziele geführt hat. Sie war falsch von Anfang an. Sie war ein Irrweg, der zu irreparablen Schäden geführt hat für viele Menschen. Und das nun gegenüber jenen Menschen einzuräumen, die am eigenen Leibe die Leiden erlebt haben, sich zur eigenen Verantwortung zu bekennen und um Verzeihung zu bitten, darauf kommt es an.
In diesem Sinne habe ich einige Dutzend solcher Begegnungen organisiert mit sehr lohnenden Ergebnissen. Sowohl für die Gefangenen selber als auch für die Opfer, die dadurch eine gewisse Genugtuung erfahren haben, indem sie nun wissen, dass sich in den Köpfen der Gegenseite etwas bewegt hat. Und so etwas ist die Garantie dafür, dass die Bitte um Verzeichung auf Aufrichtigkeit beruht.

Javier Villagarcía. euronews
Am Sonntag sind Regionalwahlen im Baskenland. Die ersten ohne ETA-Drohungen.
Was erwarten Sie von diesen Wahlen?

Txema Urkijo.
Dass sich die Verantwortlichen des historischen Moments bewusst sind. Aus diesen Wahlen wird jene Regierung hervorgehen, die die Verantwortung dafür tragen wird, dass nun wirklich das letzte Kapitel in der Geschichte des Terrorismus zuende geschrieben werden kann. Sie wird zuständig sein für den neuen Prozess des Miteinander, in dem alle Initiativen für friedliche und demokratische Koexistenz im Baskenland zusammenlaufen. Und egal, wer da welche Initiative ergreift – es muss ein Konsens gefunden werden zwischen den politischen Kräften.

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