Felix Baumgartner: Leben am Limit

Felix Baumgartner: Leben am Limit
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Der erste Überschall-Sprung der Welt. Extrem Skydiver Felix Baumgartner, hat mit seinem Sprung aus der Stratosphäre drei neue Weltrekorde aufgestellt. Danach kündigte er seinen Rückzug aus der Welt der Waghalsigkeit an.

Der 43-Jährige Österreicher hat mit seinem Sprung über der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico die Grenzen der Menschheit und der Wissenschaft getestet. Ein Sprung, der um die 50 Millionen Euro gekostet hat.

euronews:

Felix Baumgartner, vielen Dank, dass Sie sich heute für Euronews Zeit nehmen. Die ganze Welt war gebannt von Ihren Skydive – besonders die Szene, als sie in einer Kapsel 39 Kilometer über der Erde hingen. Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen?

Felix Baumgartner:

Nun, ich habe mich konzentriert, weil ich viele Dinge zu tun hatte und dann bin ich aus der Kapsel geklettert. Für ein paar Sekunden hatte ich die Möglichkeit, den Ausblick zu genießen. Und das war einfach phänomenal. Wunderschön. Aber wenn man da draußen steht, kann man nicht lange verweilen. Denn sobald du dich vom System löst, hast du nur 10 Minuten Sauerstoff in der Notsauerstoff-Flasche zur Verfügung. Und wenn du da stehst, merkst du ziemlich schnell in was für einer lebensbedrohlichen Situation du dich befindest. Das heißt, du musst dich schnell bewegen.

euronews:

Was ist passiert nachdem sie gesprungen sind?

Felix Baumgartner:

Wir wussten, dass ich in einen Trudel geraten würde. Das ist einfach so, wenn keine Luft da ist, man in einem Vakuum steckt. Also wusste ich, dass ich mich einige Male überschlagen werde und die Frage war nur, wie schnell ich das in den Griff bekomme kann.
Und es ist mir gelungen, dafür hab ich meine Erfahrungen als Skydiver genutzt. Aber ich musste mich wirklich anstrengen, um in diesen 4 Minuten 20 einen gute Leistung zu bringen.

euronews:

Die Drehung nennt man eine tödliche Trudelbewegung. Wie stabilisieren Sie sich, wenn sie mit den Beinen über dem Kopf durch die Luft sausen?

Felix Baumgartner

Das Problem ist, man kann diese Trudelbewegung nicht üben. Und während man sich dreht, hat man etwa 50 Sekunden Zeit, um herauszufinden wie man diesen Trudel beenden kann. Also muss man seine Arme und Beine benutzen und alles muss ganz vorsichtig passieren, denn man darf nicht vergessen, dass man sich bei einer Geschwindigkeit von 830 Meilen pro Stunde bewegt. Es ist wirklich schwer die Situation zu kontrollieren, aber ich habe es geschafft.

euronews:

Waren Sie sich bewusst, dass Sie die Schallgrenze durchbrochen haben? Wie hat sich das angefühlt?

Felix Baumgartner:

Ich habe nichts davon gemerkt, als ich die Schallgrenze durchbrochen habe, weil es keine Anzeichen dafür gab. Mir wurde gesagt, eine Druckwelle würde meinen Anzug durchziehen. Aber die habe ich nie gespürt. Ich habe auch nicht den Überschallknall gehört, weil er weit nach mir passiert ist. Zum Zeitpunkt als ich meinen Fallschirm geöffnet hatte, wusste ich also nicht ob ich überhaupt die Schallgeschwindigkeit durchbrochen hatte. Aber nachdem ich gelandet bin, wurde mir von vielen erzählt, sie hätten den Überschallknall gehört.

euronews:

Zu welchem Zeitpunkt haben Sie sich selbst zugestanden, dass das Schlimmste hinter Ihnen liegt?

Felix Baumgartner:

Bei der Pressekonferenz verlas Brian Utley, einer der offiziellen Beobachter, zum ersten Mal die Zahlen. Das war das erste Mal, dass ich von meiner Schalldurchbrechung gehört habe. Und das war ein gutes Gefühl, das können Sie mir glauben.”

euronews:

Also haben sie bis zu dem Zeitpunkt an dem sie ihre Füße auf den Boden gesetzt haben gedacht, oh mein Gott, es kann noch etwas falsch laufen.

Felix Baumgartner

Nein, zu dem Zeitpunkt als ich meinen Fallschirm geöffnet hatte, wusste ich, dass es vorbei ist. Der Rest war einfach nur ein weiterer Tag im Büro.

euronews:

Sie haben sich selbst bis ans eigene Limit getrieben. Physisch und mental. Wie bereitet man sich auf sowas vor?

Felix Baumgartner:

Bei einem schwierigen Basejump ist es noch herausfordernder, wenn es heiß ist. Und ich habe über die vergangenen Jahre viele Testsprünge gemacht. Es gab dabei Skydives aus geringer Höhe und aus extremen Höhenlagen. Dazu im Inneren des Anzuges Druckluft oder keine. Wir waren im Wind-Tunnel, wir hatten auch eine Generalprobe in einer Kammer mit kompletter Ausstattung. Und wir haben die Kapsel und meine eigene Reaktion auf Temperatur und Höhe getestet.

Dann haben wir Testflüge aus einer Höhe von 70 000 Fuß und zwei Flüge aus 90.000 Fuß gestartet. Deshalb waren wir an dem Tag, an dem es bis auf 129.000 Fuß nach oben ging, gut vorbereitet -mental und physisch.

euronews:

Der Sprung wurde wegen schlechten Wetters abgesagt. Dann hat es etwa zweieinhalb Stunden gedauert, um die richtige Höhe zu erreichen. Wie halten Sie Ihre Nerven unter Kontrolle?

Felix Baumgartner

Nun, das ist nicht ganz einfach. Das musste ich über viele Jahre lernen, weil du viele Stunden lang sitzen musst und das ist nicht einfach. Hier in Interviews für sechs, sieben Stunden stillzusitzen ist schon nicht einfach, aber in einem Druckanzug ist es noch viel schwieriger. Und das einzige was du tust, ist Sauserstaff zu atmen, die Einsatzleitstelle und deinen eigenen Atem zu hören. Aber da muss man ruhig bleiben, andernfalls ist man nicht erfolgreich.

euronews:

Sie haben in der Vergangenheit viele gefährliche Stunts absolviert – warum werden sie von solchen Risiken so angezogen?

Felix Baumgartner:

Ich begann mit dem Skydiven als ich 16 Jahre alt war. Und ich denke, wenn man so lange einen Sport betreibt, will man seine Grenzen austesten und das habe ich über die vergangenen Jahre immer mehr gemacht. Als junger Skydiver schaust du zu Joe Kittinger auf, weil er die höchsten und längsten und schnellsten Sprünge der Geschichte vollzogen hat. Und dann denkt man sich, es wäre so cool diesen Rekord zu brechen und man wird aber nie diese Person sein, der das gelingt. Und dann bekam ich im Jahr 2005 die Chance dazu und habe sie ergriffen.

euronews:

Sie und Ihr Team haben sich jahrelang auf diesen Sprung vorbereitet. Welche technischen Schwierigkeiten waren zu überwinden?

Felix Baumgartner:

Über die Jahre kamen eine Menge technische Schwierigkeiten zusammen. Zum Beispiel die Herstellung des Anzuges, weil unser Anzug auf einem herrkömmlichen Airforce-Anzug basiert, der für Piloten gemacht ist, die meistens sitzen. Aber ich skydive in diesem Anzug. Wir mussten auch eine Menge Sicherheits-Material entwickeln, wenn etwas schief gehen sollte, denn Sicherheit war für uns das Wichtigste. Wir mussten eine Kapsel entwickeln, ein Lebenserhaltungssystem in der Kapsel und um alles am Fernseher verfolgen zu können, ein fliegendes TV-Studio. Und ich denke diese Bilder sprechen für sich selbst.

euronews:

Der Sprung war phänomenal, aber war es mehr als nur ein Stunt? Welche wissenschaftliche Resonanz bekam der Sprung?

Felix Baumgartner:

Nun, es war nicht nur ein Stunt, sondern vielmehr eine wissenschaftliche Herausforderung. Wir haben eine Menge Daten zusammen bekommen und wir haben der Welt bewiesen, dass aus dieser Höhe der sichere Wiederenitritt möglich ist.

euronews:

Dr. Jonathan Clark aus Ihrem Team hat seine Frau Laurel Clark beim Absturz von Space-Shuttle Columbia verloren. Einen Anzug herzustellen, der Astronauten in diesen Höhen schützt, muss ihm am Herzen gelegen haben?

Felix Baumgartner

Oh ja, er war Teil des ganzen Programms und er hat es sehr genossen mit uns zu arbeiten. Und er war derjenige, der sehr daran interessiert war, was wir entwickeln.
´
Der Anzug hätte seiner Frau das Leben retten können, weil unser Anzug Widerstand gegen diese Art von Geschwindigkeit leisten kann. Wir haben bewiesen, dass er bei Überschallgeschwindigkeit fliegen kann. Und all diese Sicherheitsvorkehrungen hätten mich am Leben gehalten.

euronews:

Wie reagieren sie auf Menschen, die sagen, es war eine Geldverschwendung?

Felix Baumgartner:

Nun ja, es gibt immer Menschen, die das sagen. Aber schauen sie sich an, wieviel Geld die Politik verschwendet. Hier war es Geld, dass eine Privatperson durch den Verkauf von Red Bull gemacht hat. Wir haben den Menschen viel Freude gebracht. Die ganze Welt hat zugesehen, und das spricht doch für sich selbst.

euronews:

Was steht als nächstes für Sie an?

Felix Baumgartner:

Ich denke, ich kann mich nun offiziell von waghalsigen Dingen zurückziehen. Als Kind hatte ich noch einen weiteren Traum, und das war das Helikopterfliegen. Seit 2006 habe ich meine Helikopter-Lizenz und das werde ich in der Zukunft weiter verfolgen. Um meine Fähigkeiten der Öffentlichkeit zugute kommen zu lassen, werde ich als Feuerwehrpilot und beim Bergrettungsdienst arbeiten. Sie sehen, da gehöre ich hin.

euronews:

Alles Gute dafür. Und vielen Dank, dass Sie sich für euronews Zeit genommen haben.

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