Ukraine bleibt ein gespaltenes Land

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Von Euronews
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“Wie wird die Ukraine nach der Wahl aussehen?”, fragen sich nicht nur die Zeitungen und die Ukrainer selbst, das fragt man sich auch in Europa. Eine klare europäische Perspektive hat das Land nicht. Verglichen mit anderen Ländern der Region, die früher zur Sowjetunion gehörten, gäbe es immerhin einige demokratische Standards, meint Pawel Robert Kowal, Leiter der Delegation des Europaparlaments. Wähler hätten wirklich die Wahl gehabt. Verglichen mit der Wahl 2010 oder mit der Wahl 2007 gäbe es aber einige Rückschritte. Die Anhänger des Präsidenten und seiner Partei der Regionen haben zwar die meisten Stimmen geholt, ein Triumph aber sieht anders aus. Denn mit Klitschko hat Janukowitsch jetzt einen neuen und starken Gegner. Die Vaterlandspartei Timoschenkos wurde zwar stärkste Kraft in der Opposition, doch der erhoffte Machtwechsel blieb aus. Die Ukraine ist weiterhin ein gespaltenes Land. Über die künftige Regierungskoalition, die Machtverhältnisse in Kiew sowie über die ultrarechten Nationalisten der Partei Swoboda sprachen wir mit dem Politologen Oleksij Haran.

Euronews:
Kann die Partei der Regionen eine neue Regierung bilden?

Olexij Haran:
Ja, um die einfache Mehrheit zu haben. Analysten gehen davon aus.

Euronews:
Werden sie eine Koalition mit den Kommunisten bilden?

Olexij Haran:
Mit den Kommunisten, die sich dazu noch nicht geäußert haben, letztendlich aber die Partei der Regionen unterstützen werden.

Euronews:
Wie lange werden die Koalitionsverhandlungen dauern? Weil es Streitpunkte gibt, könnten sie schwierig werden…

Olexij Haran:
Im Grunde handelt es sich weniger um Verhandlungen im wahren Sinn des Wortes als um Verhandlungen, bei denen Druck ausgeübt wird. Vermutlich werden sie unmittelbar nach der Wahl beginnen, aber erst im Dezember abgeschlossen sein, nachdem sich das Parlament konstituiert hat. Bekommt Präsident Janukowitsch die einfache Mehrheit, wird er mit einer solchen Regierung weniger Macht über das Parlament haben als bisher. Das Parlament wird vielfältiger sein, es wird mehr Debatten geben.

Euronews:
Welches wird die Rolle Klitschkos in der politischen Arena sein?

Olexij Haran:
Klitschko hat deutlich gemacht, dass seine Partei mit der Partei der Regionen keine Koalition bilden will. Klitschko geht in die Opposition, doch wo genau er stehen wird, bleibt abzuwarten. In seiner Partei gibt es unterschiedliche Leute, einige sind für ihre demokratischen Positionen bekannt, andere Mitglieder sind nicht bekannt. Doch sie alle werden unter Druck stehen. Die Frage stellt sich, ob die Abgeordneten der Partei Klitschkos dem Druck standhalten können.

Euronews:
Ist die Partei Swoboda das Schlüsselelement für die Opposition? Einerseits hat sie eine Menge Stimmen geholt, andererseits handelt es sich um eine Partei, auf die das Ausland mit Sorge blickt…

Olexij Haran:
Swoboda ist eine schwierige Mischung, denn es gibt Radikale, doch es gibt auch Leute, mit denen man reden kann. Die Ukraine ist vom russischen oder dem weißrussischen Modell weit entfernt. Es gibt mehr Pluralismus, das Parlament hat eine Opposition, die unterschiedlichen Parteien der Opposition sind ein Gewinn für das Land.

Euronews.
Die Fremdenfeindlichkeit und der Antisemitismus der Partei geben jedoch Anlass zur Sorge.

Olexij Haran:
Die Regel ist, dass eine Partei flexiblere Positionen einnimmt, wenn sie ins Parlament gelangt, denn sie ist genötigt, sich an verschiedenen parlamentarischen Vereinbarungen zu beteiligen.

Euronews:
Seitens der EU heißt es, die Wahl sei ein Test dafür, ob die Türe zur Ukraine geöffnet oder geschlossen wird.

Olexij Haran:
Diese Frage kann weder ich noch können sie die Ukrainer beantworten. Die EU muss sie selbst beantworten. In meinem Verständnis ist diese Wahl ein Rückschritt. Doch die Ukraine hat sich ein Stück weit geöffnet, sie ist pluralistischer und vielfältiger als Russland geworden. Die EU wird nicht einfach ja oder nein sagen können, sondern sie wird – abhängig davon, was in der Ukraine passiert – ihre Haltung differenzieren müssen.

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