Was wird anders an Chinas Führungsspitze ?

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Von Euronews
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Es ging alles seinen sozialistischen Gang.
Abgestimmt wurde nur der Form halber, Gegenstimmen: keine. So gesehen reiht sich dieser 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas ein in die lange Reihe der Zusammenkünfte, bei denen viele Delegierte nur dem zustimmen durften, was einige wenige Kader vorher ausgekungelt hatten. Kleine Änderungen gibt es allerdings:
So wurde der oberste Führungszirkel, das “Ständige Komitee des Politbüros” von 9 auf 7 Genossen verkleinert. Parteichef Xi Jinping hat in dieser reinen Männerrunde zwei als vorsichtige Gesellschaftsreformer bekannte Genossen neben sich, zwei Konservative und zwei Wirtschaftsreformer. Im März soll er dann auch Präsident werden, auf dass wieder das Wortungetüm gilt: Partei- und Staatschef. Partei immer zuerst, denn die hat das Sagen.
Zum Parteitagsabschluß sprach er von der Verantwortung eines jeden Genossen für die Einhaltung der Prinzipien der Partei auch im persönlichen Verhalten, von Parteidisziplin, um das momentan größte Problem zu lösen und die Nähe zum Volk zu bewahren. Das sei das Herzstück der Führung im Vorwärtsschreiten zum Sozialismus chinesischer Prägung.
Anders gesagt, die Partei will sich wieder zu ihren Wurzeln bekennen. In der Ideologie hat Mao seinen Stammplatz als “großer Führer”, der die Partei 1949 an die Macht führte. Auch Reformer Deng Xiaoping, der 1982 die Marktwirtschaft einführte, hat seinen Platz in der aktuell gültigen Parteigeschichte.
Ebenso Jiang Zemin, auf den die Statutenänderung von 2002 zurückgeht, mit der der Klassencharakter der Partei zugunsten einer nationalistischer Ausrichtung geändert wurde. ( Man weiss ja auch aus den Erfahrungen anderer Parteien, wie schnell so eine Parteigeschichte umgeschrieben werden kann.) An den Juni 1989, als Blut floss auf dem Platz des himmlischen Friedens, wird natürlich nicht erinnert. Danach kam Jiang Zemin an die Macht.
Die neue Losung heisst jetzt “wissenschaftliche Entwicklung”. Wer lange genug die Geschichte kommunistischer Parteien an der Macht verfolgt hat, weiß, dass auch “jähe Wendungen” jederzeit möglich sind.

euronews Nial O’Reilly:
Was bedeutet der Wechsel an der Spitze für Chinas Richtung? Darüber sprechen wir mit dem China-Experten Robert Lawrence Kuhn, Autor des Buches “Wie Chinas Führer denken”.
Wir hatten eine gewisse Vorstellung von der Denkweise der früheren Führungskader.
Denkt und handelt der jüngere anders?

Robert Kuhn:
Wichtig ist, zu verstehen, dass er eben nicht so ein Typ von der Parteispitze ist. Xi Jinping, der neue Generalsekretär hat wie alle anderen Mitglieder im obersten Führungszirkels dort das gleiche Stimmrecht, nicht mehr. Da gibt es jetzt wirklich eine Art Konsens. Diese 7 Personen werden in China als eine Einheit angesehen und sie sind alle unabhängig. 6 von ihnen kommen aus wichtigen Provinzen oder Städten. Sie haben Gebiete mit 30, 50 oder 100 Millionen Menschen geführt. Das sind Gebiete, die würden zu den 20 größten Ländern dieser Welt gehören, wenn sie unabhängige Staaten wären. Und sie lägen mit ihrem BIP unter den ersten 35 Ländern.
Folglich haben diese Kader große Führungserfahrung. Sie arbeiten seit Jahren mit westlichen Firmenchefs und Diplomaten zusammen. Darum sehe ich da viel Erfahrung im Umgang mit Chinas manigfaltigen Problemen.

euronews Nial O’Reilly:
Als eines der besorgniserregendsten Probleme wird die Korruption genannt. Kann man da wirklich von der neuen Führung Besseres erwarten?
Erwarten die Chinesen es?

Robert Kuhn:
Korruption ist wirklich ein wichtiges Thema. Das chinesische Volk schaut da jetzt recht genau hin.
China hat sehr viel mehr an Gewicht gewonnen, es gibt mehr, was von der herrschenden Partei verteilt werden kann. Das Ein-Partei-System finde ich für China gut, so lange es eine gewisse Gewaltenteilung und Transparenz gibt und allen alles Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Aber bei einem Ein-Partei-System muss man auch die Medien kontrollieren. Und wenn das geschieht, hat man die Korruption nie unter Kontrolle. In diesem Jahr haben schreckliche Skandale gezeigt, dass die Gewaltenteilung bei den Spitzenkadern nicht funktioniert. Mir haben Chinesen in hohen Positionen gesagt, es ist Zeit, dass wir durchgreifen bei Korruption. Es ist zu viel geworden.

euronews Nial O’Reilly:
Was ist Ihrer Meinung nach zuallererst zu tun bei der Entwicklungspolitik in der Wirtschaft?
Was hat der Parteitag dazu gesagt?

Robert Kuhn:
Das Wirtschaftswachstum ist im Moment Chinas größtes Problem: Es ging hoch bis auf 7,5%.
Aber kann das gehalten werden?
Möglicherweise geht das, das ist aber noch nicht das Entscheidende. Entscheidend ist die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes.
In der Vergangenheit war es stark mit Investitionen, Infrastruktur und Export verbunden.
Das kann aus verschiedenen Gründen so nicht weitergehen. Man kann nicht ewig hohe Exportüberschüsse haben und je höher Investitionen ausfallen, um so geringer wird ihre Effektivität. Die Chinesen müssen auch Binnennachfrage schaffen. Konsum der eigenen Bevölkerung. Dazu müssen Löhne steigen, das Land muss wirtschaftlich umgekrempelt werden. Dass die Wachstumsrate im Moment etwas niedrig ist, stellt für sich gesehen noch kein Problem dar. Man muss sich alle Komponenten ansehen, weil alles zusammen auf eine ernsthafte Lage für Chinas Wirtschaft hindeutet, was natürlich Auswirkungen hat auf den Rest der Welt.

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