Katalonien - die Region, die nicht länger Teil Spaniens sein will

Katalonien - die Region, die nicht länger Teil Spaniens sein will
Von Euronews
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Verkaufsschlager im herbstlich verregneten Barcelona sind katalanische Fahnen – geschwenkt werden sie von Nationalisten, die einen eigenen Staat Katalonien gründen wollen. Weg von der Regierung in Madrid. Eine katalanische Autonomie gab es schon in der Republik, die 1936 von Diktator Franco weggeputscht wurde. Verkäuferin Rosa bestätigt – natürlich auf Katalanisch – wie gut die Geschäfte mit den Symbolen des Separatismus laufen. Sie sagt, die Leute wollen den Politikern ihre Meinung unter die Nase halten und die heiße: Unabhängigkeit.

Di katalanische Sprache ist neben Spanisch Amtssprache. Mit seinen siebeneinhalb Millionen Einwohnern ist Katalonien – gelegen zwischen Mittelmeer und Pyrenäen – eine der reichsten unter den 17 spanischen Regionen.
Es gibt eine autonome Regionalregierung mit weitgehenden Kompetenzen über Polizei, Bildung, Gesundheit. Hier werden 19,5% des spanischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Das ist mit 210 Milliarden Euro so hoch wie jenes von ganz Portugal.

Was die Katalanen sich am dringendsten wünschen, ist die hundertprozentige Verfügung über die Steuereinnahmen, so wie sie das Baskenland im Norden hat. Die Katalanen sind der Meinung, in der Umverteilung unter den Regionen, die dem deutschen Länderfinanzausgleich ähnelt, müssten sie zu viel draufzahlen.

Nun kommt aber auch hier die Krise an mit zahlungsunfähigen Wohnungskäufern, gegen deren Rauswurf immer häufiger demonstriert wird.
Krisen waren schon immer die hohe Zeit für die Verkünder einfacher Lösungen. Und die erzählen den Katalanen jetzt, alles Schlimme komme aus Madrid – so etwa die inzwischen selbst in der Industrieregion Katalonien steigende Arbeitslosigkeit. Die liegt mit fast 22,56 % nur noch knapp unter der gesamt-spanischen von 25 %.
Dazu lasten auf der Region Schulden von 44 Milliarden Euro. Aus Madrid kamen im Zuge der Steuerumlage gerade mal 5 Milliarden, um diese Last zu mindern.

Wen wundert es da, wenn sich schon mal ein katalanischer Bürgermeister weigert, überhaupt noch Steuern aus seiner Gemeinde weiterzuleiten. Auch Jordi Fornas, der Bürgermeister des Ortes Gallifa, sieht im spanischen Staat die Wurzel allen Übels und meint:” Raus aus dem spanischen Staat heißt auch raus aus der Krise.”

Zur Situation in Katalonien haben wir einen Wirtschaftsberater der vorherigen linksgerichteten Regionalregierung befragt.

Vicenç Batalla, euronews: “Um die Bedeutung der Wahlen in Katalonien besser zu verstehen, sprechen wir jetzt mit dem früheren sozialistischen Vize-Wirtschaftsminister der Region, Martí Carnicer. Herr Carnicer, Ihre einstigen Verhandlungen mit Madrid zur Finanzlage der Region sind Geschichte. Die neue Regierung in Katalonien hat einen Fiskalpakt wie im Baskenland verkündet. Warum haben sich die Beziehungen derart verschlechtert, dass jetzt sogar eine Abspaltung von Spanien verlangt wird?

Martí Carnicer, Wirtschaftsexperte: “Ich denke, das hat vor allen Dingen zwei ganz wesentliche Gründe. Erstens fehlt es an Übereinstimmung, an Verständnis und an Sympathie, und zwar von spanischer Seite gegenüber Katalonien. Das kommt zunächst einmal davon, dass die konservative Volkspartei PP 2006 gegen das neue Autonomiestatut Kataloniens Einspruch eingelegt hat, und dann hat auch das Verfassungsgericht das Statut in Teilen annulliert. Aber die Lage wird noch komplizierter wegen eines weiteren und wesentlich wichtigeren Faktors, und zwar wegen der Wirtschaftskrise. Diese Krise führt dazu, dass Finanzgeschäfte, dass die Wirtschaftsaktivitäten schwer getroffen sind. Diese beiden Tatsachen, also der Mangel an Einigung und Verständnis für Katalonien einerseits, sowie die immer schlimmere Wirtschaftskrise andererseits erklären großteils, was in Katalonien abläuft.”

euronews: “Madrid hat Absprachen aus der Zeit gebrochen, als Sie im katalanischen Wirtschaftsministerium saßen?

Martí Carnicer: “Ja, ganz klar ja. Ich kann Ihnen, was die Finanzierung angeht, meine Meinung sagen. In unserem Autonomiestatut hatten wir Mechanismen eingeplant, wie etwa die Bereitstellung zusätzlicher Gelder für die autonomen Regionen, und das hat Madrid absolut nicht respektiert. Es stimmt, dass sich Madrid nicht an sein Wort gehalten.”

euronews: “Es scheint so, als sei das föderale System Spaniens verkrustet. Aber wäre ein unabhängiges Katalonien denn wirtschaftlich lebensfähig? Ob nun in oder außerhalb der EU?

Martí Carnicer: “Diejenigen, die die Unabhängigkeit verlangen, sagen, der Föderalismus funktioniere nicht. Aber wäre die Unabhängigkeit einfacher zu erreichen, als ein föderaler Staat? Das glaube ich nicht. Die Logik sagt uns doch, dass es einfacher sein muss, machbarer, dauerhafter und gerechter, einen föderalen Staat zu schaffen. Das heißt, eine Übereinkunft zwischen den verschiedenen Teilen Spaniens, um vorwärtszukommen und einen gemeinsamen Raum zu schaffen. Ich sage nicht, dass ein föderaler Staat einfach zu handhaben ist, aber ich denke, die Unabhängigkeit wäre noch viel schwieriger.”

euronews: “Gibt es im Rest Spaniens Boykott-Aufrufe für katalanische Produkte?”

Martí Carnicer: “Das halte ich jetzt für kein sonderlich großes Problem. Katalonien hat einen deutlichen Exportüberschuss, die Ausfuhren haben noch zugenommen und die Region hat womöglich sogar spanienweit die höchsten Exportzahlen aufzuweisen. Katalonien hat seine Wettbewerbsfähigkeit also eindeutig unter Beweis gestellt. Gut, in der Vergangenheit gab es bereits solche Boykotte, aber das vergisst man mit der Zeit. Ich denke, das ist nicht der wichtigste Punkt, mit dem man sich bei der derzeitigen Diskussion befassen muss.”

euronews: “Als Sie im Amt waren, gab es Korruption in der konservativen Partei Convergència i Unió, die heute in Katalonien regiert. Die Vorwürfe sind jetzt wieder aktuell. Glauben Sie, der derzeitige Ministerpräsident Artur Mas hat damit irgendetwas zu tun?

Martí Carnicer: “Ich vertraue, hoffe und wünsche, dass das nicht der Fall ist. Ich hoffe, dass er damit nichts zu tun hat. Aber jetzt werden die Gerichte entscheiden müssen. Die Justiz muss eine Entscheidung finden und gleichzeitig allen die Möglichkeit gegen, sich zu verteidigen und die eigene Unschuld zu beweisen.”

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