Homo-Ehe - gleiches Recht oder seltene Ausnahme?

Homo-Ehe - gleiches Recht oder seltene Ausnahme?
Von Euronews
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Eine Hochzeitstorte – eine besondere, angeschnitten zum Jubiläum “Zehn Jahre Homo-Ehe in den Niederlanden.” Im Rathaus von Amsterdam ließ es sich deshalb der Oberbürgermeister auch nicht nehmen, höchstselbst die Zeremonie zu vollziehen.

Eberhard van der Laan sagt, die Homosexuellen-Ehe symbolisiere die Gleichheit aller Lebensformen vor dem Gesetz. Zuvor stießen solche Paare an hohe Hürden in ihrem Alltagsleben. Und die Paare könnten nach zehn Jahren am besten ermessen, wieviel ihnen diese Möglichkeit bedeute.

Nach fünfjähriger Debatte hatte das niederländische
Parlament als weltweiter Vorreiter im Dezember 2000 das entsprechende Gesetz verabschiedet. Seit den achtziger Jahren war in den ohnehin als besonders liberal geltenden Niederlanden so manches Tabu im Umgang mit Homosexualität gefallen.

Es folgten 2003 Belgien, 2004 Massachusetts und später acht weitere Bundesstaten der USA. 2005 waren es Kanada und Spanien, 2006 Südafrika, 2009
Norwegen und Schweden, 2010 Island, Portugal und
Argentinien, zuletzt jeweils Teile von Mexiko und Brasilien – und 2012 unter bestimmten Voraussetzungen als Ausnahmeregelung auch in Dänemark.

In Spanien nutzten seit 2005 25.000 homosexuelle Paare die Möglichkeit, sich so in aller Öffentlichkeit zueinander zu bekennen, mit Rechten und Pflichten wie jedes andere Ehepaar. Das bedeutet aber keineswegs das Ende aller Debatten.

Gerade in katholischen Ländern wie Spanien macht die Kirche mobil gegen die Legalisierung einer Lebensform, die es nach katholischem Verständnis nicht geben dürfte. Und wie man 2008 in Madrid sah, bringt sie dafür auch immer noch massenhaft ihre Anhänger auf die Straße.

Auch die evangelisch-lutherische Kirche in Schweden
hat so ihre Probleme mit denen, die anders leben. Möglich wurde die Homo-Ehe erst nach der Trennung
von Kirche und Staat im Jahr 2000. Vorher galt das Prinzip “Staatskirche”.

Und dann dauerte es noch neun Jahre, ehe sich die
Kirchenführung dazu durchringen konnte, es ihren Priestern freizustellen, ob sie ein Homo-Paar trauen wollen oder nicht. Erzbischof Anders Wejryd meint,
man müsse die lutherische Tradition bedenken, da habe die Kirche eben rund fünfzig Jahre gebraucht, um sich zu solch einer neuen Sicht durchzuringen. Anders ging das nicht.

In Schweden ist es nun ganz normal: Wenn ein Priester Vorbehalte hat geht das Paar eben zu einem liberaleren Kollegen. Im ebenfalls protestantischen Nachbarland Dänemark bleibt aber die Homo-Ehe noch die seltene Ausnahme.

Wir haben über die französischen Pläne mit der Soziologin Irène Théry gesprochen. Sie hat die französische Regierung in der Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe beraten.

Euronews: Warum haben wir diese wütende
Debatte? Ist Frankreich schwulenfeindlich?

Théry: Das glaube ich überhaupt nicht, und auch einige Details in den Umfragen sprechen dagegen. Manchmal wird die Ehe für alle eher auf dem Land befürwortet als in den großen Städten.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Generationen. Leute unter fünfzig sind sehr für die Ehe und auch für das Adoptionsrecht. Bei denen über fünfzig sind es weitaus weniger.

Was die Debatte auch nährt, ist der Wille der katholischen Kirche, daraus ein Streitthema zu machen.

Euronews: Sie haben die Adoption erwähnt. Die Gegner des Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare führen die Ausgeglichenheit der Kinder an.

In manchen Ländern gibt es aber diese Adoption schon. Sind dort die Auswirkungen auf Kinder untersucht worden – wie in den Niederlanden, wo sie
vor zwölf Jahren eingeführt wurde?

Théry: Die Lage in den Niederlanden kenne ich nicht genau: Aber ich habe von vielen Studien gelesen. Sie zeigen, dass Kinder genauso ausgeglichen wie andere sind, wenn sie von zwei Männern oder zwei Frauen aufgezogen wurden.

Euronews: Auch Spanien und Portugal sind sehr katholische Länder, aber Gesetze über die gleichgeschlechtliche Ehe und auch die Adoption gelten dort seit Jahren. Gab es dort auch soviel Widerstand?

Théry: Zumindest in Spanien gab es am Anfang enormen Widerstand. Die katholische Kirche hatte die gleiche Haltung und versammelte nach eigenen Angaben zu einer Kundgebung in Madrid anderthalb Millionen Menschen.

Sieben Jahre später wollen aber auch Spanien und Portugal nicht wieder zurück. Spanien hat jetzt eine andere politische Mehrheit, und trotzdem will keiner das Gesetz wieder rückgängig machen.

Euronews: Hat sich in Ländern mit gleichgeschlechtlicher Ehe die Haltung zur Homosexualität verändert? Und gibt es viele dieser Ehen und Adoptionen?

Théry: Es gibt weder viele Ehen noch viele Adoptionen, und auf gewisse Art beruhigt das auch die Leute. Sie sehen, dass die Einrichtung der Familie davon nicht erschüttert wird.

Und warum auch: Homosexuelle machen ja nur sechs Prozent der Bevölkerung aus. Von ihnen leben
auch nicht alle als Paar zusammen, und nicht alle Paare heiraten, also betrifft das auch nicht sehr viele.

Und trotzdem glaube ich, dass es hier einen großen Wandel gibt. Man sieht gleichgeschlechtliche Paare inmitten von Eltern und Großeltern; sie sind ja nicht
isoliert, wie man sich das so vorstellt.

Mehrere Generationen sind um die Paare herum; sie zeigen damit ihre Liebe und ihr Verständnis dafür, was diese Paare für eine Verpflichtung eingehen. Das hat große Auswirkungen, indem es die Gesellschaft enger zusammenbringt.

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