Schwarzgeld-Skandal um Spanien konservative Partei

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Von Euronews
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26 Prozent der Spanier haben keine Arbeit. Es ist Existenzangst pur für Millionen Menschen. Und in diese Situation platzt nun ein Skandal um schwarze Kassen, in den auch der Regierungschef Mariano Rajoy verwickelt zu sein scheint.
In News+ analysieren wir die politische Krise von Spaniens Regierungspartei und sprechen anschließend mit dem Politikwissenschaftler Fernando Vallespin von der Autonomen Universität in Madrid.
Gut ein Jahr nach ihrem großen Wahlsieg stehen Spaniens Konservative mit dem Rücken zur Wand.
Informationen über schwarze Kassen machen die Runde. Regelmäßig Umschläge mit Bargeld für Spitzenpolitiker von privaten Unternehmen – so etwas kommt besonders schlecht in einer Zeit, da die Bürger in der Krise den Gürtel enger schnallen sollen. Spaniens Konservative erreichten im Herbst 2011 den höchsten Wahlsieg in ihrer Parteigeschichte. Mariano Rajoy wurde Regierungschef. Die Spanier hatten die Sozialisten für Krise und Sparkurs abgestraft. Am Wochenende war nun Krisensitzung bei der Führung der “Partido Popular”.
Am Samstag, als sich Mariano Rajoy eigentlich schon auf das Treffen mit der deutschen Kanzlerin in Berlin am Montag vorbereiten wollte, gab er vor der Presse eine Erklärung ab: Er wies alle Vorwürfe von “schwarzen Kassen” zurück, wörtlich:
“Die gab es niemals. Ich habe niemals Schwarzgeld erhalten oder ausgezahlt. Weder in der Partei noch sonstwo. Was da behauptet wird, ist falsch.”
Der Skandal, der nach dem ehemaligen Schatzmeister der Partei “die Affäre Bercenas” genannt wird, macht seit Mitte Januar Schlagzeilen.
Zuerst druckte die Tageszeitung “El Mundo” Teile der handschriftlichen Buchführung von Luis Barcenas, wonach Mitglieder der Parteiführung regelmäig Umschläge mir Summen zwischen 5.000 und 15.000 Euro erhalten haben sollen. Und zwar von privaten Unternehmen, die in irgend einer Weise mit öffentlichen Aufträgen zu tun hatten.
Dann legte Spaniens größte Zeitung “El Pais” nach – mit Ausschnitten aus der speziellen handschriftlichen Buchführung, auf denen der Name Rajoy gut zu lesen ist – laut “El Pais” soll er von 1997 bis 2008 pro Jahr mehr als 25.000 Euro unter der Hand bekommen haben. Die linke Opposition hat das Thema natürlich sofort aufgegriffen.
Oppositionsführer Alfredo Rubalcaba forderte den Rücktritt des solcherart beschuldigten Ministerpräsidenten. Er solle das Amt an einen anderen Politiker übergeben, der dem Land die Glaubwürdigkeit und Stabilität geben könne, die es so nötig brauche.
Für viele Spanier sind diese Vorwürfe der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt. Bei 26 Prozent Arbeitslosigkeit! Der 30jährige Miguel Gomez, einer der Protestierenden sagt, dass Rajoy jetzt seine Steuererklärung veröffentlichen wolle, sei für ihn ein schlechter Witz. Schließlich gehe es hier um Schwarzgeld, das nirgendwo deklariert wurde. Er fordert Rajoys Rücktritt, weil die Politiker doch mit gutem Beispiel vorangehen sollten – aber genau das Gegenteil tun.
Dabei hat Spanien doch schon so einen Skandal um die unseriösen Geschäfte des königlichen Schwiegersohnes. Der König hat dem Ehemann seiner jüngsten Tochter alle königlichen Ehren entzogen, bevor der im Februar zu seinem zweiten Verhandlungstermin vor Gericht erscheinen muss.

Beatriz Beiras. euronews
Wir sprechen über das Thema mit Fernando Vallespín, Politik-Professor an der Autonomen Universität von Madrid, der auch regelmäßig bei “El Pais” politische Themen analysiert. Der Parteichef der Sozialisten und Oppositionsführer im Parlament, Alfredo Rubalcaba, hat Regierungschef Mariano Rajoy zum Rücktritt aufgefordert. Er solle besser einen anderen Politiker die Regierung führen lassen. Sehen Sie das auch so? Oder wird die absolute Mehrheit seiner “Partido Popular” im Parlament ausreichen, um Rajoy zu retten?

Fernando Vallespín
Ich glaube das nicht. Die absolute Mehrheit seiner Partei wird Mariano Rajoy nicht auf seinem Posten halten können. Aber andererseits wäre vielleicht ein sofortiger Rücktritt etwas übereilt. Ich denke, zunächst gilt auch für ihn noch die Unschuldsvermutung. Rajoy hat kategorisch jede Verwicklung geleugnet, da wird man wohl noch abwarten müssen, was Rajoy jetzt tun wird, in welcher Weise er sich für das verantwortlich zeigt, was seine Partei getan hat. Es geht nicht nur darum, wie er persönlich aus der Sache herauskommt. Denn heutzutage zeigt sich immer wieder, dass sich viele der Sachen, die die Medien enthüllen, als wahr herausstellen. Somit dürfte die Situation für Rajoy wirklich kompliziert werden.

Beatriz Beiras. euronews
Dieser von “El Pais” enthüllte Skandal um mutmaßliche schwarze Kassen beim Parteivorstand der konservativen Volkspartei platzt mitten in Spaniens Wirtschaftskrise. Während Millionen Spanier arbeitslos sind, beschäftigt sich ein Gericht damit, wie der Schwiegersohn des Königs sich auf illegale Weise bereichert hat. Reicht die Krise schon bis zur Krone?

Fernando Vallespín.
Ich glaube, Spanien steht vor einer schweren institutionellen Krise – provoziert und verschärft durch die Krise, von der Sie sprechen. Man muss verstehen, dass in Spanien die Arbeitslosigkeit schon seit Jahren steigt, dass die soziale Situation in verschiedenen Bereichen unerträglich geworden ist. Und damit ist dann auch das Vertrauen in die Institutionen – auch in die politischen Parteien – dramatisch gesunken. Deshalb wirkt der Unmut, den Korruptionsaffären immer erzeugen, angesichts solcher Skandale nur noch verschärfend. Sie haben auch die Affäre Urdangarin, der Schwiegersohn des Königs, angesprochen. Das ist wichtig. Ich sehe Spanien nach dieser Affäre anders, als es vorher war. Es gibt eine Gefühl von “Null-Toleranz” gegenüber den Handlungen solcher Typen. Wir können sagen, dass unser moralisches Bewußtsein inzwischen durchaus so entwickelt ist wie in den skandinawischen Ländern, denen eine besonders hohe politische Ethik zugesprochen wird. Und genau das ist das große Problem der “Partido Popular”.
Weil die Bevölkerung nicht noch eine Affäre mehr ertragen will, die sich bis vors Gericht hinzieht, wollen die Leute jetzt, sofort Erklärungen.

Beatriz Beiras. euronews
Heißt das, dass eine historische Etappe, die mit dem Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie begann, jetzt zuende geht?

Fernando Vallespín.
Ja, genau so. Wir sind am Ende einer Etappe angelangt. Die spanische Demokratie muss sich neu erfinden. Das gilt auch, weil wir eine Reihe von Problemen haben – um Katalonien zum Beispiel – die eine Überarbeitung unserer Verfassung verlangen. Die ist jetzt mehr als 30 Jahre alt. Und da sehe ich den Moment gekommen, dass wir nach einem Konsens für eine neue Verfassung suchen müssen. Die braucht eine neue Basis, damit sie uns zu einer neuen Phase der ja immer noch jungen spanischen Demokratie führen kann.

Beatriz Beiras. euronews
Ferando Vallespin, vielen Dank für Ihre Analyse der Krise in der spanischen Politik.

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