"Kirchenrecht sieht vor, dass ein Papst auch zurücktreten kann"

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Von Euronews
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Joaquín Navarro-Valls war 22 Jahre lang Sprecher des Vatikans. Von 1984 bis 2006 leitete der Spanier die Öffentlichkeitsarbeit unter Papst Johannes Paul II. Auch nach dessen Tod bleib Navarro-Valls zunächst Leiter des Pressebüros, bat im Juni 2006 Benedikt XVI. aber um seine Amtsenthebung. Euronews-Reporter Alberto de Filippis hat Joaquín Navarro-Valls zum Interview getroffen.

Euronews: “Gab es aus Ihrer Sicht Änderungen in der Öffentlichkeitsarbeit des heiligen Stuhls während des Pontifikats Johannes Paul II. gegenüber Benedikt XVI.?”

Navarro-Valls: “In Bezug auf solche Themen ist Benedikt eine sehr senible Person. Er lässt sich helfen oder besser gesagt hat er bei schwierigen Themen oft Ratschläge angenommen. Ich denke da zum Beispiel an den Besuch in Auschwitz, der für einen deutschen Papst besonders schwer ist. Auch in anderen schwierigen Situationen hat er auf die Ratschläge gehört beziehungsweise einen Meinungsaustausch zugelassen. Nicht unbedingt inhaltlich, aber was die Form und den Ort der Veröffentlichung betrifft.”

Euronews: “Benedikts Pech war, dass er der Nachfolger desjenigen Papstes war, der am meisten in der Öffentlichkeit stand. Er ist ein Mensch, der zu kommunizieren weiß, wirkt oft aber ein bisschen zurückhaltend…”

Navarro-Valls: “Ich sehe Benedikt XVI. nicht als zurückhaltenden Menschen. Bevor er Papst wurde, hat er sich mit den Intellektuellen seiner Zeit auseinandergesetzt. Er hat sich nie vor Diskussionen und dem Meinungsaustausch mit Nicht-Gläubigen oder Anders-Gläubigen gescheut. Die Bedeutung Benedikts wird vor allem in Bezug auf die Themen unserer Zeit deutlich.
Es ging ihm nie darum, Recht zu bekommen, sondern mit seinen Ideen und Argumenten zu überzeugen. Darin war er brilliant.”

Während Johannes Paul II. trotz schwerer Krankheit Papst blieb und im Amt starb, entschied sich Benedikt für die Abdankung.

Navarro-Valls: “Wird sich etwas ändern aufgrund der Tatsache, dass er zurückgetreten ist? Und wird sich das auf zukünftige Pontifikate auswirken? Ich bin der Meinung, dass sich nichts ändern wird. Es ist eine historische Vorgabe, dass ein Papst nicht zurücktritt. Aber wer hat gesagt, dass dies eine Unmöglichkeit ist? Das ist eine historische Vorgabe, aber keine juristische, denn das Kirchenrecht sieht genau das vor, dass ein Papst auch zurücktreten kann.”

Euronews: “Welches ist Ihre schönste Erinnerung an die beiden Päpste?”

Navarro-Valls: “Ich erinnere mich zuerst an den Tag, bevor Johannes Paul II. starb. Er wusste, dass er sterben würde, er litt und hatte Probleme zu atmen, als er sich von seinem ältesten Kardinal verabschiedete. Das war Joseph Ratzinger.
Ratzinger hockte sich neben sein Bett, nahm seine kalte Hand, blickte ihm in die Augen und sagte: Danke, Heiliger Vater für alles, was ich von Ihnen während Ihres Pontifikats lernen durfte. Das waren Ratzingers letzte Wort an Johannes Paul II.”

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