Beppe Grillo - der Komiker im italienischen Wahlkampf

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Am 24. und 25. Februar werden in Italien Parlamentswahlen abgehalten. Es sind merkwürdige Wahlen. Die stärkste Partei dabei ist die Partei der Nichtwähler. Manche Politiker fürchten sich so sehr vor dem Zorn der Bürger, dass sie sich von öffentlichen Plätzen und damit von den Wählern fernhalten. Ganz anders Beppe Grillo, der Parteichef und Sprecher der Partei “5 Sterne”.

Er macht Wahlkampf aus dem Campingwagen heraus, mit dem er übers Land zieht. Wir haben ihn quer durch Sizilien begleitet. Sizilien ist eigentlich Berlusconis Königreich. Aber bei den letzten Regionalwahlen gewann Grillos Partei hier 15 Sitze im Regionalparlament. Kann dieser Beppe Grillo Italiens Regierungschef werden? Aber der sagt, das will er gar nicht: “Ich bin kein Kandidat. Ich hatte niemals Lust, in einem Parlament zu sitzen. Diese Politiker, die unser Land ausgeraubt haben, können sich einfach nicht vorstellen, dass ein normaler Mensch – auch ein Komiker wie ich – irgend etwas tut, ohne die Absicht, damit Geld zu machen.” Aber Politik kostet auch Geld. Was will Grillos Partei im Parlament anders machen? “Als erstes werden wir die Erstattung der Wahlkampfkosten abschaffen. Diese wirtschaftliche Nabelschnur werden wir durchschneiden. Wir wollen nicht 100 Millionen Euro kassieren, dafür, dass unsere Partei ins Parlament einzieht. Für unsere 15 Abgeordneten in Sizilien haben wir die Diäten um 70 Prozent gekürzt. Sie bekommen jetzt 2.400 Euro pro Monat. Der Rest geht auf ein Konto, dessen Führung im jährlichen Regionalbericht offengelegt wird. Von diesem Geld werden Mikrokredite vergeben an Bauern, Fischer, kleine Händler. Als Kredit zum Überleben in Würde. Wir wollen den Bürgern die Instrumente in die Hand geben. Sie müssen das letzte Wort haben. Wir wollen ein Referendum ohne Quorum vorschlagen mit dem Ziel, dass das Parlament dann durch die Verfassung verpflichtet ist, dieses Gesetz zu diskutieren. Ohne Quorum soll heissen: Wenn 50.000 Bürger nach einem Gesetz verlangen, dann muss es im Parlament diskutiert werden.

Die heutige Verfassung erlaubt das nicht. Aber nur so können Bürger JA oder NEIN sagen zu einer neuen Autobahn, einem Radweg, einem Krankenhaus oder anderen öffentlichen Arbeiten. Die Bürger müssen das letzte Wort haben. Sie müssen ´der Staat´sein. Wir haben genug von denen, die in unserem Namen sprechen.” 55% der Kandidaten in Grillos Partei sind Frauen. So einen hohen Anteil verzeichnet keine andere Partei. Italiens Medien stellen Grillo als dummen Clown dar, darum spricht er über euronews im Vergleich zu den berlusconi-Sendern. Er sagt:

“Dies hier ist euronews, ein europäischer Sender in 12 Sprachen. Man kann ihn überall auf der Welt empfangen. Müssen wir uns wirklich von Rete 3, Canale 5 oder Rete 4 für dumm verkaufen lassen?” Grillo wird von den meisten italienischen Medien als ein Populist dargestellt, der mit dem Strom der Unzufriedenen schwimmt. Also fordert er seine Zuhörer auf, ganz laut ´ Populist´ zu rufen. Könnte seine Bewegung “5 Sterne” in Europa etwas bewegen? Und wie sieht Europa ihn? “Im Europa von Brüssel verbreitet diese Bewegung Schrecken, denn wir wollen alle Verträge erneut zur Diskussion stellen. Von Bolkenstein bis zum militärischen Engagement in Libyen, Afghanistan oder Mali. Wir wollen die Agrar- und Fischerverträge neu verhandeln. Wir müssen über Verschuldung diskutieren, denn wir werden von den Schulden erdrosselt. Wir zahlen allein 100 Milliarden Euro Zinsen für unsere Schulden in Höhe von 2,2 Billionen Euro. Dafür müssen wir eine Lösung finden. Ich habe keine, aber wir müssen diskutieren. In unserer Bewegung haben wir auch Ökonomen, wir müssen nach einer Lösung suchen, bevor uns die Schulden auffressen. Wir haben kein Geld, höchstens Hoffnung. Schaut doch mal den Sizilianern in die Augen! Die haben einen anderen Blick. Der Wandel beginnt hier. Europa – das hatten sich seine Gründungsväter als eine tolle Sache vorgestellt. Es kam nur leider anders. Deutschland? Da lief es auch nicht so, wie es sich ´das Volk ´vorgestellt hatte. Wir Europäer haben ihnen die Wiedervereinigung bezahlt, trotzdem haben sie jetzt Probleme. Weil der Westen in der Krise steckt.” Versteht Beppe Grillo eigentlich, wie das funktioniert mit den internationalen Verträgen, mit der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation WTO? Er formuliert es so: “ Für die Aufnahme Chinas wurde ein Vertrag mit 21 Punkten unterschrieben. Nicht einen Punkt hat China eingehalten. Hat irgendwer China daraufhin angesprochen? Die halten einfach keinen Vertrag ein. Aber mir wird zugemutet, alles hinzunehmen, was sie tun.

Angela Merkel wollte China zum Kauf von italienischen Staatsanleihen animieren. Die Chinesen nahmen sie, obwohl sie wussten, dass diese Anleihen nichts wert sind. Und warum? Weil ihnen dafür die italienische Regierung sehr profitable Steuervergünstigung für ihre Investitionen in Italien gewährt hat.” Erinnert sich beim Anblick von Grillos Wahlkampf-Vehikels Marke alter Campingwagen jemand in Deutschland an das gigantische “Guido-Mobil” aus dem Bundestagswahlkampf? Aber weiter zu Italien. Was denkt Beppe Grillo über die EU und die Einhaltung von Verträgen, ökonomischen und politischen? “ Ich will meine Souveränität zurück! Meine Souveränität über mein Essen. Der Verkauf von Lebensmitteln wird in Italien von französischen Konzernen kontrolliert. Die verkaufen hier französische Milch und französischen Käse. Hier! In Italien! Es reicht!!! Ich will Schutz. Versucht doch mal, chinesischen Stahl in den USA zu verkaufen. Das geht nicht. Dabei herrscht dort Demokratie. Das ist nicht die Sowjetunion. Aber hier wird sizilianischen Fischern von der EU vorgeschrieben, mit welchen Netzen sie fischen dürfen. Nur mit solchen, die nichts taugen Also nehmen sie illegalerweise die anderen, um zu überleben. Außerdem werden die Fischer gezwungen, die Umwelt zu zerstören. Erfolgreich Tunfisch fangen dürfen in unseren Gewässern nur die Japaner. Und die kommen mit Schiffen so groß wie Flugzeugträger.” Populist oder Clown – egal – Beppe Grillos Bewegung ist die eigentliche Überraschung in diesem Wahlkampf. Umfragen sagen ihr 18 bis 23 % der Wählerstimmen voraus. Was sie daraus machen, wird man sehen.

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