Merkel, Putin und die Demokratie

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Von Euronews
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Der medienwirksame Protest war gut vorbereitet. Die barbusigen Frauen, die den Besuch des russischen Präsidenten bei der Hannover Messe störten, kamen Wladimir Putin ziemlich nahe, bevor sie von seinen Leibwächtern gestoppt wurden. Merkel sprach sich unterdessen bei einer Pressekonferenz für die freie Arbeit der NGOs aus: “Wir müssen auch den Nichtregierungsorganisationen, auch den vielen Vereinigungen, die wir aus Deutschland als immer wieder als Innovationsmotoren kennen, in Russland eine Chance geben.” Die deutsche Bundeskanzlerin reagierte damit auf die jüngsten Razzien der russischen Behörden bei zivilen Einrichtungen. Diese hatten auch deutsche Organisationen getroffen, darunter die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Petersburg. Hintergrund ist ein neues russisches Gesetz, wonach sich Einrichtungen in Russland, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, als “Agenten” registrieren lassen müssen. Doch nicht nur in Hannover, auch in Amsterdam wurde Putin bei Protesten vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die Entwicklung der Demokratie zu blockieren.

Wir begrüßen in unserem Studio Christian Forstner, Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Brüssel, die auch einen Ableger in Moskau hat. Herzlich willkommen.

Euronews:
Zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin scheinen die Meinungen im weitesten in der Frage der ausländischen Organisationen auseinanderzugehen.

Christian Forstner:
Es gibt Leute, die ausländischen Nichtregierungsorganisationen misstrauen. Die russischen Behörden sollten sich darüber klarwerden, dass sich die Modernisierung als Ganzes nicht allein auf die Wirtschaft beschränkt, sondern auch die Bereiche Politik und Gesellschaft umfasst.

Euronews:
Wenn Moskau nun die Botschaft vermittelt, dass Hilfe für die Zivilgesellschaft unerwünscht ist…

Christian Forstner:
Wir haben unterschiedliche Partner. Es sind offizielle Partner dabei, bei anderen handelt es sich um Organisationen der Zivilgesellschaft. Es gibt diesbezüglich keine klaren Signale. Die russischen Behörden haben uns nie zu verstehen gegeben, dass unsere Arbeit unerwünscht ist.

Euronews:
Sie teilen Putins Sorge also nicht, dass eine Milliarde Euro für ausländische Tätigkeiten innerhalb Russlands zur Verfügung gestellt wird?

Christian Forstner:
Das Geld ist für die Miete von Veranstaltungsräumen, für Konferenzen, Dolmetscher, für die Logistik notwendig. Man muss die Menschen zusammenbringen. Das bedeutet nicht, dass eine Milliarde Euro für subversive Aktivitäten ausgegeben wird.

Euronews:
Zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin scheint die Kommunikation zu funktionieren. Die Beziehungen könnten freundschaftlich sein. Putin gratuliert stattdessen dem früheren Kanzler Schröder zum Geburtstag…

Christian Forstner:
Für Schröder war es eine klare Sache: Russische Rohstoffe gegen deutsches Know-how, gegen deutsche Technologie. Das war für beide Seiten ein Gewinn. Für Angela Merkel ist es etwas schwieriger. Sie ist rationaler, sie versteht, dass es in dieser Partnerschaft nicht nur ein Thema gibt. Die russische Wirtschaft hängt zu sehr vom Export von Rohstoffen ab. Im Interesse der russischen Gesellschaft muss sich das ändern.

Euronews:
Angela Merkel kritisierte die Form des Protests der Femen-Gruppe. Unterstützt man in Deutschland das Anliegen dieser Gruppe, die gegen die Verurteilung der Mitglieder von Pussy-Riot und gegen autoritäre Tendenzen in Russland protestiert?

Christian Forstner:
Der Protest ist provozierend. Femen ist vielleicht sehr radikal, weil jene sich nicht wehren können, gegen die sich ihr Protest richtet. Doch Angela Merkel hat sehr deutlich gesagt, dass sie die Verurteilung der regierungskritischen Gruppe Pussy Riot ablehnt.

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