Georgien: "Wir wollen EU-Beitrittskandidat werden"

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Georgien will die Beziehungen zu Russland normalisieren und NATO-Mitglied werden, so der georgische Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili. Er fordert zudem den Rücktritt des Präsidenten Michail Saakaschwili.

Euronews: Sie nehmen an der Parlamentarischen Versammlung des Europarates teil. Die Delegationen Georgiens und Russlands treffen dort erstmals wieder zusammen, seit dem Kaukasuskrieg 2008. Bedeutet das, dass sich die Beziehungen langsam wieder verbessern? Wird das Verhältnis in naher Zukunft wieder so sein wie vor dem Konflikt?

Iwanischwili: Ich hoffe sehr, dass sich die Situation in Georgien in diese Richtung entwickelt. Und ich werde mein Bestes dafür tun. Wir wollen bessere Beziehungen zu unserem großen Nachbarn haben. Kein Land möchte in der Situation stecken, in der wir uns befinden. Unser Land hat zwanzig Prozent seines Territoriums verloren. Wir werden natürlich alles dafür tun, um uns dieses Gebiet zurückzuholen. Für Russland ist die bestehende Situation aber auch nicht gut und nicht akzeptabel.

Wir wollen uns zwar das Territorium zurückholen, aber ich betone, dies wird friedlich geschehen, durch Verhandlungen. Wir akzeptieren keinerlei Gewalt. Ich wiederhole, das alles wird auf friedlichem Wege geschehen und durch Verhandlungen. Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft uns dabei unterstützt, uns dabei hilft, dies zu erreichen.

Euronews: Serbien und das Kosovo streben eine Normalisierung ihrer Beziehungen an und haben eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Für Tbilisi vielleicht ein Beispiel, wenn es um das Verhältnis zu Abchasien und Südossetien geht?

Iwanischwili: Das ist ein sehr gutes Beispiel, das sie uns da geliefert haben. Es bestärkt uns in unserer Hoffnung, dass sich die Welt verändert: dass Menschen plötzlich etwas erreichen und sich einigen. Jene Menschen, die das vorher einfach nicht hinbekommen haben, die keine gemeinsame Sprache fanden, die finden nun eine Lösung. Wir müssen unser Bestes geben, damit wir wieder echte Beziehungen aufbauen können, zu unseren Brüdern den Osseten und Abchasen – und natürlich den Russen.

Euronews: Der Kaukasuskrieg 2008 wird seit Kurzem untersucht. Für Micheil Saakaschwili steht bereits fest, dass die Aufarbeitung die russische Version bestätigen wird. Was denken Sie über die Untersuchungen?

Iwanischwili: Das ist Saakaschwilis Art, das ist seine Methode: Er schiebt Russland all das in die Schuhe, was ihm nicht gefällt. So war auch seine Politik, so hat er das neun Jahre lang gemacht. Diese Politik hat den Stillstand in unserem Land verursacht. Dass eine Untersuchung eingeleitet wurde, ist meiner Ansicht nach normal. Das ist wichtig für die Menschen, sie sollten darüber Bescheid wissen.

Euronews: Sie wollen eine Annäherung an die NATO. Ihr Gegner Michail Saakaschwili will das auch. Sie wollen aber gute Beziehungen, sowohl zur NATO, als auch zu Russland. Saakaschwili hält das nicht für möglich. Warum denken Sie, dass das geht?

Iwanischwili: Es gibt viele gute Beispiele von europäischen Ländern. Viele haben das hinbekommen, obwohl sich die Beziehungen zu Russland für eine gewisse Zeit verschlechtert hatten.
Sie haben sich zunächst für den westlichen Weg entschieden und dann haben sie an ihrem Verhältnis zu Russland gearbeitet. Die Slowakei ist hier sicher ein gutes Beispiel. Das Verhältnis zu Russland hat sich nicht verschlechtert, obwohl das Land der NATO beigetreten ist.

Ich denke, Saakaschwili hat die Sache aufgebauscht. Man kann ein gutes Verhältnis zu Russland und der NATO haben. Saakaschwili hat sich, meiner Meinung nach, einfach über Russland geärgert.

Euronews: Kann Georgien NATO-Mitglied werden? Sagen wir innerhalb des nächsten Jahrzehnts?

Iwanischwili: Das ist sicherlich eine zu große Zeitspanne, ein zu langer Zeitraum. Zehn Jahre sind dafür nicht notwendig. Das kriegen wir schneller hin, in weniger Jahren. Wir müssen auch die Dynamik beachten, mit der sich momentan die Welt verändert, die Dialektik. Alles um uns herum ist davon betroffen.
Russland selbst wird in ein oder zwei Jahren vielleicht ein anderes Land sein, und die Beziehungen zur NATO werden sich verbessert haben.

Euronews: Denken Sie, Georgien könnte eines Tages ein EU-Beitrittskandidat werden?

Iwanischwili: Ich möchte betonen, dass wir das wirklich wollen. Wir würden uns wünschen, dass beim Gipfel in Vilnius über eine europäische Perspektive für Georgien gesprochen wird. Wir würden uns wünschen, dass es um eine europäische Zukunft für uns geht, dass es ein Angebot gibt.

Ich möchte betonen, dass sich Georgien derzeit in Richtung einer Beitrittskandidatur entwickelt. Das geht derzeit schneller als es bisher der Fall war. Auch wenn unsere Gegner das Gegenteil behaupten. Viele Sachen verändern sich momentan sehr schnell, die Entwicklung ist rasant. Wir können uns in den nächsten zwei Jahren der EU sehr weit annähern.

Euronews: Werden Georgische Sportler an den Olympischen Spielen in Sotschi teilnehmen?

Iwanischwili: Unsere Sportler werden ganz sicher an den Olympischen Spielen teilnehmen und das haben wir auch schon gesagt. Die Spiele, der Sport überhaupt, auch die Kultur, all das hilft uns, damit sich die Situation verbessert, nachhaltig verbessert.

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Nehmen wir ein Beispiel aus dem antiken Griechenland: Selbst Kriege wurden während der Olympischen Spiele unterbrochen. Die Situation wird sich durch solche Sachen wie Sport und Kultur normalisieren. Auch der Handel spielt dabei eine wichtige Rolle. All das hilft uns.

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