Iran-Konflikt: "Die Welt kann nur auf einen Kompromiss hoffen"

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Von Euronews
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Der Iran wird bald einen neuen Präsidenten haben, ein Land, das immer anders sein wollte als der Rest der Welt. Und das international lieber gegen als mit dem Strom schwimmt. Dieses Verhalten und die Konfrontation mit dem Westen führt im Iran zu wirtschaftlichem Verfall und zu immer neuen Sanktionen. Diese treffen vor allem die einfache Bevölkerung.

Ein kurzer Blick in die Geschichte:

Die Politik der iranischen Staatsoberhäupter hat sich über die Jahre sehr verändert. Der letzte Schah verfolgte absolutistische Ideen. Ihm folgte der Absolutismus der Islamischen Republik und ihrer religiösen Führer. Als der Schah ins Exil ging starben auch seine Ideen. Der heutige Gottesstaat sucht auch 34 Jahre nach seiner Gründung die Balance zwischen der Moderne und der alten Frömmigkeit. Das Land ist zudem durch die Konfrontation mit den USA stark isoliert.

Die Auseinandersetzung mit dem Westen begann mit der Botschaftskrise in Teheran 1979. Die Feindschaft wuchs, als der irakische Staatspräsident Saddam Hussein mit Hilfe des Westens im Iran einmarschierte. Die Konfrontation dürfte mit dem iranischen Atomprogramm ihren Höhepunkt erreicht haben.

Der Gottesstaat nennt gegenüber der Weltöffentlichkeit eine westliche Verschwörung als Ursache für seine wirtschaftlichen Probleme.
Die USA geben vor allem zwei Gründe an, die zur internationalen Isolation des Irans führten: Die Menschenrechtsverstöße und die fehlende Demokratie in dem Land. Die Amerikaner bezeichen die iranische Republik zudem als Terrorunterstützer. Der Gottesstaat nennt Amerika im Gegenzug die größte Gefahr für seine Sicherheit und verweist auf die Sanktionen, mit denen das Land isoliert werden soll.

US-Präsident Barack Obama bot dem Iran nach seinem Amtsantritt einen neuen Dialog an.
Er sagte den iranischen Führern: “Wir werden unsere Hand ausstrecken, wenn ihr Eure Faust öffnet.” Sein iranischer Amtskollege antwortete: “Wenn ihr aufhört, die Waffen auf uns zu richten, werde ich mit Euch reden.” – die immer gleichen Reaktionen seit 34 Jahren. Der Iran pendelt zwischen politischer Rhetorik und nüchternem Pragmatismus hin und her – im Kampf um eine starke Verhandlungsposition, ohne sich dabei wirklich festzulegen.

Euronews: Rouzbeh Parsi, Analyst des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien ist uns aus Stockholm zugeschaltet. Die Islamische Revolution liegt 34 Jahre zurück, wie würden Sie den Iran heute beschreiben: als radikal, pragmatisch, pragmatisch und radikal oder wie sonst?

Rouzbeh Parsi: Es ist ein post-revolutionärer Staat. Und dieser Staat findet sich gerade damit ab, dass seine Rhetorik nicht mehr zu der aktuellen Politik passt. Das ist in vielerlei Hinsicht der derzeitige Zustand.

Euronews: Warum schwimmt der Iran nicht mit, sondern gegen den Strom, wenn es um die internationale Gemeinschaft geht?

Rouzbeh Parsi: Nun das lässt sich teilweise auf die Revolution zurückführen. Man will die Welt umdrehen, neuformen – sie in einem eigenen Sinne gerechter machen. Das wird teilweise immer noch angestrebt.

euronews: Wer zahlt für die vom Westen verhängten Sanktionen: die Iraner oder Irans Nuklearprogramm?

Rouzbeh Parsi: Die meisten der jüngst verhängten Sanktionen treffen vor allem die Gesellschaft, den Großteil der Bevölkerung. Die Führung kann sich nach wie vor behaupten, momentan zumindest.

euronews: Denken Sie der Iran und die USA werden eines Tages zu direkten Verhandlungen zusammenkommen?

Rouzbeh Parsi: Das ist unvermeidlich. Die Frage ist nur, wer hat den politischen Willen und Mut dazu? Wer redet nicht nur davon sondern macht auch konkrete Schritte?

euronews: Was sich da gerade in der Region und auf der weltpolitischen Bühne abspielt, hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Iran und dem Westen: treibt der Westen da nur seine geopolitischen Interessen voran oder geht es ihm wirklich um eine Demokratiebewegung im Iran?

Rouzbeh Parsi: Es ist wohl ein bisschen von beidem. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Iran müssen angeprangert werden. Einiges von dem, was der Iran in der Region macht ist nicht sehr hilfreich. Trotzdem, es geht auch um Geopolitik. Um einige Themen gäbe es auch Streit, wenn gerade jemand anderes in Teheran regieren würde.

euronews: Und das Ende der grünen Bewegung? Was wird aus ihr?

Rouzbeh Parsi: Damit man etwas als “Bewegung” bezeichnen kann, muss es dauerhafter existieren. Es bleibt natürlich im Bewusstsein. Ich meine die Unzufriedenheit ist ja da. Da gibt es keine Frage. Aber ob daraus tatsächlich eine Bewegung wird, lässt sich noch nicht sagen.

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euronews: Wer ist letztlich der Entscheider im Iran?

Rouzbeh Parsi: Der endgültige Entscheider – aber nicht der alleinige – ist der geistliche Führer Ali Chamenei.

euronews: Aber die Politik im Iran ist doch viel komplizierter. Entscheidungen werden auf verschiedenen Eben getroffen, oder?

Rouzbeh Parsi: Das ist absolut richtig. Das System besteht aus verschiedenen Machtzirkeln und Netzwerken und diese reichen bis ins Militär, die Politik, die Wirtschaft usw. Deshalb sage ich, er ist letztlich der Entscheider aber eben nicht er allein. Er muss sich mit all diesen Gruppen abstimmen, bevor er eine Entscheidung treffen kann, die von allen getragen wird. Das ist notwendig.

euronews: Wer hat mehr bei dieser Konfrontation zu verlieren, der Iran oder der Westen?

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Rouzbeh Parsi: Also, für den Iran steht mehr auf dem Spiel, wenn es um die geopolitische Bedeutung geht und um den Einfluss. Der Iran stellt für die USA eher ein regionales Problem dar, denn die Amerikaner haben größere Sorgen, als ein Land im Nahen Osten. Trotzdem, die Politik des Westens und die getroffenen Maßnahmen haben natürlich ihren Preis.

euronews: Wer wird ihrer Meinung nach die Wahlen im Iran gewinnen?

Rouzbeh Parsi: Das Einzige, das wir wissen, ist, dass die Präsidentschaftswahlen in den letzten 20 Jahren immer wieder Überraschungen bereit hielten. Und so wird es auch dieses Mal sein.

euronews: Was erwarten sie vom Iran in den nächsten vier Jahren, unter dem neuen Präsidenten?

Rouzbeh Parsi: Die nächsten Jahre werden sehr wichtig, gleich aus mehreren Gründen. Vor allem geht es um die Führung. Das Land wurde sehr schlecht geführt. Es gibt einen Mangel an Vertrauen in der Gesellschaft. Aber ein Thema steht über allem: die Wirtschaftspolitik. Die gesamte wirtschaftliche Situation und die Strukturen funktionieren sehr schlecht.

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euronews: Wie wird der Konflikt mit dem Westen beendet? Durch einen Kompromiss oder durch Krieg?

Rouzbeh Parsi: Wir können nur hoffen, dass man einen Kompromiss findet. Alle Seiten werden voraussichtlich erkennen, dass das sinnvoller ist. Die Frage ist nur, ob man die Geister, die man einmal rief, noch bändigen kann oder ob die Konfrontation schon zu weit getrieben wurde.

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