Ägypten zwischen Putsch und Protest

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Riad Muasses, euronews:
“Nach dem erneuten Blutvergießen in Ägypten, dem Eingreifen der Armee in die Politik und der Absetzung Mohammed Mursis sprechen wir nun mit unserem Kairoer Korrepsondenten Mohammed Sheikhibrahim. Mohammed, wie ist die Stimmung in Ägypten nach dem Sturz Mohammed Mursis?”

Mohammed Shaikhibrahim, euronews:
“Das ägyptische Volk feiert die Entscheidung des Militärrats von gestern Abend, dem Vorsitzenden des Verfassungsgerichts die Präsidentschaft zu übertragen. Die Stimmung auf den Straßen Kairos und anderer Städte in Ägypten, die auf die so genannte korrigierende Revolution folgt, ist ausgelassen.”

Muasses, euronews:
“Die großen internationalen Akteure verlangen, dass die Demokratie nach Ägypten zurückkehrt. Ist das machbar?”

Shaikhibrahim, euronews:
“Der Militärrat hat den Menschen zugesichert, dass er nicht nach der Macht greifen will, und dass er keine politischen Amibitionen hat. Vom Rat verlautete, sein einziges Ziel sei es, ein Blutbad zu vermeiden und die Lage in Ägypten zu beruhigen. Heute hat der Vorsitzende des Verfassungsgerichts den Amtseid als Übergangspräsident abgelegt, in der Hoffnung, in Kürze eine Regierung zu bilden.”

Muasses, euronews:
“Falls es vorgezogene Neuwahlen in Ägypten gibt, könnte es den Muslimbrüdern gelingen, an die Macht zurückzukehren?”

Shaikhibrahim. euronews:
“Die Muslimbrüder wollen weiter in der Politik mitmischen. Das haben wir erfahren, als wir sie gestern in der Rabia Adawia Moschee besuchten. Sie meinten, sie wollen nicht aufgeben und nennen die Entscheidung des Militärrats ungültig.”

Der lange Machtkampf zwischen Armee und Muslimbrüdern

30. Juni 2012: Als Mohammed Mursi den Amtseid ablegt, erwartet er sicher nicht, dass er nur ein Jahr später entmachtet wird. Er ist der erste zivile, demokratisch gewählte Präsident Ägyptens. Seine Vorgänger waren alle Mitglieder des Militärs.

Stattdessen gehört Mursi der Muslimbruderschaft an – einer gut organisierten Bewegung im Land. Zwischen ihr und der Armee liegt eine lange Feindschaft, die mehr als 60 Jahre andauert. Wenige Muslimbrüder saßen vor der Revolution nicht in ägyptischen Gefängnissen ein.

Als die Demonstrationen gegen Langszeitmachthaber Husni Mubarak beginnen, gehen die Muslimbrüder zunächst nicht auf die Straße, sie schließen sich erst später an. Verwunderlich – denn dieser hat sie komplett aus dem politischen Leben ausgeschlossen.

Bei den Protesten spielt das Volk die Schlüsselrolle. Es stürzt Mubarak vom Sockel. Als sich bei den Parlamentswahlen im Dezember ein Sieg der Islamisten abzeichnet, verlieren viele Ägypter die Geduld: Sie verlangen den Rückzug der Armee als Interimsmacht und fordern einen Termin für die Präsidentschaftswahl.

Sechs Monate später ist Mursi im Amt. Er entlässt Langzeit-Armeechef General Tantawi und ersetzt ihn durch Al-Sisi. Die zahlreichen Privilegien des Militärs beschneidet Mursi jedoch nicht – seine eigenen Machtbefugnisse erweitert er.

Doch der Präsident schafft es nicht, die Menschen mit seiner Politik zu überzeugen. Als gegen Mursi mehr und mehr Menschen auf die Straße gehen, errichtet die Armee zum Schutz Barrikaden rund um den Präsidentenpalast – um deutlich zu machen: Sie sei der einzige neutrale Garant der Nation.

Das Volk in Ägypten wird nicht müde, seinen Willen einzufordern. Das Militär steht ihm bislang zur Seite und hilft bei der Umsetzung – solange es in seinen Schlachtplan passt.

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