Die blutige Räumung des Rabaa al-Adawiya-Platzes in Kairo

Die blutige Räumung des Rabaa al-Adawiya-Platzes in Kairo
Von Euronews
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Mit dem Eingreifen der Sicherheitskräfte haben die vor der Rabaa al-Adawiya versammelten Anhänger des abgesetzten Präsidenten Mohamed Mursi seit Tagen gerechnet. Immer wieder hatte sie die Übergangsregierung aufgefordert, die Protestlager in Kairo zu verlassen. Als Polizei und Militär dann schließlich in die Camps vorrückten, kam es — wie schon bei früheren Konfrontationen — zu einem Blutbad.

Die Proteste begannen kurz nach der Absetzung von Mohamed Mursi. Am 3. Juli feierten auf dem Tahir-Platz in Kairo Hunderttausende den Sturz des vor einem Jahr gewählten Präsidenten, dem sie einen zu autoritären Regierungsstil und wirtschaftliche Inkompetenz vorwarfen.

Leiter der Übergangsregierung wurde der Armeechef, Abdel Fatah al-Sisi, den Mursi vor einem Jahr selbst zum Verteidigungsminister ernannt hatte. Al-Sisi künidgte für Anfang nächsten Jahres Neuwahlen an, an denen auch Mursis Partei, die Muslimische Bruderschaft teilnehmen sollte.

Die Muslimbrüder lehnen jedoch die Übergangsregierung ab. Für sie ist der Sturz Mursis ein Staatsstreich und sie verlangen seine Wiedereinsetzung ins Amt.

Bereits eine Woche nach der Absetzung des gewählten Staatsoberhaupts wurde klar, dass eine friedliche Lösung des Konflikts unwahrscheinlich ist.

In Kairos Nasr City, einer Hochburg der Muslimbrüder, kamen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und den ägyptischen Sicherheitskräften mehr als 50 Menschen ums Leben. Die Bruderschaft sprach von einem Massaker. Die Regierung verteidigte ihr Vorgehen mit der Begründung, sie habe gegen bewaffnete Terroristen einschreiten müssen.

Ende vergangenen Monats kamen auf dem Rabaa al-Adajiwa-Platz weitere 70 Menschen ums Leben.
Mohammed Shaikhibrahim, der Euronews-Reporter in Kairo, besuchte das Protestlager auf dem Platz vor einigen Tagen, als sich die Demonstranten auf eine weitere blutige Konfrontation vorbereiteten. Am frühen Mittwochmorgen kehrte er in das Lager zurück und beobachtete das Vorrücken der Sicherheitskräfte.Im Gesrpäch mit Riad Muasses berichtet er, was er erlebt hat.

Riad Muasses
Sie waren heute morgen auf dem Rabaa al-Adawija-Platz. Beschreiben Sie, was sie dort gesehen haben.

Mohammed Shaikhibrahim
Die ägyptischen Sicherheitskräfte sind weiter dabei, den Platz zu räumen. Dabei kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen den Anhängern der Muslim-Bruderschaft und den Sicherheitskräften. Dabei wird mit scharfer Munition geschossen. Augenzeugen berichten, dass zuerst vom Platz aus gefeuert wurde. Sie sagen, es seien die Muslimbrüder gewesen, die als erste das Feuer eröffnet haben. Die Sicherheitskräfte erwiderten daraufhin das Feuer. Das Resultat ist eine große Zahl von Toten und Verletzten.

Muasses
Laut einigen Berichten sind die Töchter von zwei Islamistenführern, Al Chater und Beltagui, bei den Zusammenstößen ums Leben gekommen. Können Sie diese Berichte bestätigen?

Shaikhibrahim
Ja. Laut den jüngsten Informationen, die wir auf dem Patz erhielten, sind die Töchter von Al-Chater und Beltagui getötet worden.

Muasses
Uns liegen außerdem Informationen vor, dass einige der Muslimbrüder, die sich auf den beiden Plätzen befanden, versuchen, sich an anderen Orten zu versammeln. Stimmen diese Meldungen?

Shaikhibrahim
Einige Mitglieder der Muslim-Bruderschaft, die von den Sicherheitskräften vom al-Nahda-Platz vertrieben wurden, sind zum Rabaa al-Adawija-Platz weitergezogen, um ihren dort versammelten Parteifreunden zu helfen. Die Sicherheitskräfte haben jedoch die Straßen gesperrt und ihnen den Zugang zum Platz verweigert.

Muasses
Wir haben gehört, dass die Armee den Notstand erklärt hat und eine Ausgangssperre verhängt.

Shaikhibrahim
Politische Analysten und Sicherheitsexperten hier in Kairo haben erwartet, dass die ägyptische Armee diese Maßnahmen ergreift, um die Lage in der Stadt zu beruhigen. Eine Ausgangssperre soll ermöglichen, dass Ruhe und Ordnung wieder hergestellt und die Versammlungen und nicht genehmigten Demonstrationen beendet werden können. Das ist eine Reaktion auf das Vorgehen der Islamisten auf dem Rabaa al-Adawija und dem al-Nahda-Platz.

Muasses
Eine letzte Frage, Mohammed. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie sich die Konfrontation zwischen Islamisten und Sicherheitskräften weiterentwickeln wird?

Shaikhibrahim
Als die Sicherheitskräfte auf den Rabaa al-Adawija-Platz vordrangen, haben wir erlebt, dass die Muslimbrüder sich nicht von der Stelle gerührt haben. Im Gespräch haben sie bestätigt, dass sie die Absicht haben, bis zum Ende weiterzumachen. Wenn nötig, so sagen sie, sind sie bereit zu sterben. Sie wollen den Platz unter keinen Umständen verlassen und drohen mit einem massiven Vorgehen gegen die Ordnungskräfte hier in Kairo. Die Lage wird sich in den kommenden Stunden also eher verschärfen. Eine Entspannung der Situation ist nicht in Sicht.

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