Bereit zum Krieg gegen Syrien - mit welchem Kriegsziel?

Bereit zum Krieg gegen Syrien - mit welchem Kriegsziel?
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Von Euronews
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Auf der türkischen NATO-Basis Incirlik laufen schon die Vorbereitungen auf den nächsten Krieg. Gegen wen, das ist schon klar, auch wenn noch längst nicht erwiesen ist, ob der Beschuldigte das ihm angelastete Verbrechen begangen hat. Die Inspekteure werden schließlich erst am Freitag oder Samstag dem UN-Generalsekretär Bericht erstatten. In der Politik gibt es keine Unschuldsvermutung. Da reichen die unwahrscheinlichsten Verdachtsmomente, um das Recht des Stärkeren zu praktizieren.

Aus dem Fiasko im Irak haben westliche Politiker offensichtlich nichts gelernt. Wenigstens das Kriegsziel war definiert, als US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2003 verkündete: “Was sie hier sehen, ist eine Ansammlung von Fakten und beunruhigenden Erkenntnissen. Saddam Hussein und sein Regime verbergen ihre Bemühungen, noch mehr Massenvernichtungsmittel zu produzieren.”

Sein aktueller Amtsnachfolger John Kerry kann nicht einmal das Kriegziel klar definieren. Soll Assad gestürzt werden wie weiland Saddam Hussein? Oder nur ein bischen geschwächt, weil sonst in Syrien al-Qaida an die Macht käme? Vor 10 Jahren hieß es, das Regime arbeitet nicht mit den Inpekteuren zusammen, tut vielmehr alles, damit nicht gefunden wird. Es wurde dann ja auch nichts gefunden. Der heutige Text klingt ähnlich.

Warum allerdings Assad genau das tun sollte, was der US-Präsident als “Überschreiten einer roten Linie” bezeichnet hat, warum er also die USA zum Krieg einladen sollte, das hat auch noch niemand erklärt. So scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Protestierende Bürger haben noch nie einen Krieg verhindern können. Diesen Krieg, der uns da bevorsteht, kann man wohl als das absolut am wenigsten zu kalkulierende Risiko ansehen, das Politiker je eingegangen sind.

Chemiewaffen durch Angriffe mit Marschflugkörpern auschalten? Was passiert, wenn eine Rakete ein Chemiewaffenlager trifft? Was passiert, wenn radikale Islamisten in den Besitz von Chemiewaffen gelangen? Oder haben sie die schon? Sicher ist, durch den westlichen Angriff wird die ohnehin schon zerstrittene syrische Opposition noch weiter gespalten.

Da wird gewissenmaßen ein Bürgerkrieg herbeigebombt. Was wird nach einem “gezielten Militärschlag” in Syrien anders sein? Assad ein bischen schwächer? Zu wessen Gunsten? Soll auf diese Weise Israel geschützt werden? Nie gab es mehr Fragen, zu denen auch nur der Ansatz von logischen Antworten fehlt.

euronews:
Shada Islam, Nahost- und Asien-Expertin, willkommen bei euronews. Welches wären die Folgen eines möglichen Militärschlags der internationalen Gemeinschaft oder der USA, Großbritanniens, Frankreichs…?

Shada Islam:
Im günstigsten Fall, in einer idealen Welt wird es mehrere präzise, zielgenaue Schläge gegen die Militäranlagen al-Assads geben, gegen seine Kommando- und Kommunikationszentralen, gegen seine Luftwaffenstützpunkte. Diese überzeugen al-Assad hoffentlich davon, dass der Westen, die internationale Gemeinschaft dem Einsatz chemischer Waffen in Syrien ein Ende setzen, den seit Jahren andauernden Bürgerkrieg stoppen wollen, in dem mehr als 100.000 Menschen getötet wurden. Das lehrt ihn hoffentlich, dass dem Westen ernst ist und bringt ihn an den Verhandlungstisch in Genf.

euronews:
Sollen die westlichen Staaten Syrien angreifen?

Shada Islam:
Es gibt ein internationales Abkommen, das den Einsatz von chemischen Waffen verbietet. Wenn al-Assad tatsächlich ihren Einsatz angeordnet hat, haben wir die moralische, vertragliche Verpflichtung zu handeln. Handeln der Westen, die internationale Gemeinschaft aber nicht, stellen sie sich angesichts von chemischen Waffen blind, ist das eine fatale Botschaft für andere Despoten und Diktatoren.

euronews:
Wird Baschar al-Assad diese Botschaft verstehen?

Shada Islam:
Er wird sie verstehen, ich denke, dass sie ihn selbst in der Blase erreichen wird, in der er lebt. Sie wird nicht nur ihn sondern auch die Menschen aus seiner unmittelbaren Umgebung erreichen, und wie bereits gesagt, auch andere Regimes. Erinnert sei hier an Nordkorea und andere Regimes, die chemische Waffen besitzen und die keine Scheu hatten und haben, sie einzusetzen.

euronews:
Warum sind Iran und die Hisbollah in diesen Konflikt verwickelt?

Shada Islam:
Wir blicken auf eine Region, in der es immer schon sektiererische Unterschiede, Klüfte gegeben hat. Ich spreche von Konfessions
-Konflikten innerhalb des Islams. Der Krieg im Irak hat das Gleichgewicht der Kräfte zerstört, das es jahrzehntelang zwischen Schiiten und Sunniten gab. Iran und die Hisbollah sind Schiiten, Assad zählt zu den Alawiten, die zum schiitischen Spektrum gehören. In Qatar und in Saudi-Arabien bilden die Sunniten die Mehrheit, in Saudi-Arabien handelt es sich eigentlich um Wahabiten. Im Grunde geht es um einen alten Kampf um die Macht, den diese beiden Sekten innerhalb des Islam gegeneinander führen. Er findet zur Zeit in der Region statt. Syrien ist nur ein Beispiel dafür, doch er findet auch in Ägypten, im Libanon und in den Palästinenser-Gebieten statt. Der Westen hat diesem Konflikt viel zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Wir müssen gegenüber den Mächtigen klare Worte finden, wir müssen mit Iran und mit Saudi-Arabien sprechen, wir müssen sie dahin bringen, diesen sehr gefährlichen, explosiven Machtkampf einzugrenzen, zu stoppen, der die muslimische Welt umfasst. Wir schauen auf Syrien, doch unser Blick sollte über Syrien hinausgehen.

euronews:
Was unternimmt die Arabische Liga in diesem Konflikt?

Shada Islam:
Sie ist hilflos, paralysiert.

euronews:
Warum?

Shada Islam:
Die Ursache dafür ist die zuvor erwähnte Zersplitterung. Wir brauchen die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz, wir müssen sie mitnehmen, wenn Sie so wollen. Doch wir können uns auf sie nicht verlassen. Es ist höchste Zeit für eine kluge, wohlüberlegte Intervention, eine diplomatische Intervention.

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euronews:
Nur eine diplomatische Intervention?

Shada Islam:
Wir hätten früher schon etwas unternehmen müssen, als es bessere Gelegenheiten dafür gab, als wir wussten, um wen es sich bei den Aufständischen, bei den Rebellen handelte, als es um den Kampf für
Demokratie ging. Daraus ist jedoch ein Religionskrieg geworden, der ein solcher zu Beginn nicht gewesen ist. Hätten wir al-Assad mit einem Handelsboykott, mit dem Boykott von Hilfsgütern stärker unter Druck gesetzt, hätten wir ihn zu Verhandlungen gezwungen. Dann hätte all dies gestoppt werden können!

euronews:
Shada Islam, herzlichen Dank!

Shada Islam:
Ganz meinerseits.

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