Erekat: "Israel will die Friedensgespräche zunichte machen"

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Ein halbes Dutzend Kriege und zahlreiche Bemühungen, Frieden zu schaffen, prägen den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Mohammed Shaikibrahim, euronews: Nach drei Jahren Stillstand haben die palästinensisch-israelischen Verhandlungen wieder begonnen – in der Hoffnung auf eine Lösung, die den Palästinensern vielleicht den von ihnen gewünschten eigenen Staat an der Seite Israels bringt. Über die Hindernisse und Hürden, die beide Seiten bei den Gesprächen überwinden müssen, sprechen wir nun mit dem palästinensischen Chef-Unterhändler Saeb Erekat. Vor gut vier Monaten haben die Verhandlungen begonnen, gibt es bereits greifbare Ergebnisse?

Saeb Erekat, palästinensischer Chef-Unterhändler: Von echten Ergebnissen kann ich nicht sprechen, und das liegt daran, wie sich Israel seit Beginn der Gespräche am 29. Juli abseits des Verhandlungstisches verhält. Da wurden zum einen 13 Palästinenser kaltblütig getötet, dann haben die Israelis den Bau von 5992 neuen Siedlungseinheiten angekündigt; damit wachsen die Siedlungen dreimal schneller als New York City! Außerdem wurden 209 palästinensische Häuser und andere Bauten zerstört, es gab Attacken auf die al-Aksa-Moschee, und terroristische Anschläge von Siedlern haben um 41 Prozent zugenommen. Auch wurde die Belagerung des Gaza-Streifens verschärft. Dieses Verhalten bedeutet eines: Die israelische Regierung ist entschlossen, die Friedensverhandlungen zunichte zu machen.

euronews: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat jüngst klargemacht, dass er die Siedlungsaktivitäten ungebremst fortführen wird. Sie scheinen lediglich mit Justizministerin Zipi Livni zu verhandeln und nicht mit der israelischen Regierung. Stimmt das?

Erekat: Die israelische Regierung ist für die Siedlungen verantwortlich. Der israelische Ministerpräsident hat Siedlungen den Vorzug vor Verhandlungen gegeben. Er hat sich für das Diktat entschieden anstelle von Friedensverhandlungen. Deshalb ist die israelische Regierung für diese Krise in den Verhandlungen verantwortlich.

euronews: Was sind die grundlegenden Streitpunkte zwischen Ihnen und Israel?

Erekat: Ich kann nicht in Details gehen, aber was jetzt nach internationalem Recht geschehen muss ist klar und eindeutig: Ein palästinensischer Staat hat keinen Sinn ohne Ost-Jerusalem als seine Haupstadt. Es gibt auch kein Palästina ohne den Gazastreifen. Gaza heißt: Mittelmeer und ein zusammenhängendes Territorium. Wir sind ein Volk. Wir können diesen Kampf nicht beenden, ohne eine Lösung in der Flüchtlingsfrage zu finden, bezogen auf die UN-Resolution 194.

euronews: Was passiert, wenn die Verhandlungen scheitern?

Erekat: Palästina will die Aufnahme bei 63 Organisationen und in bestimmte Abkommen beantragen. Das umfasst etwa den Internationalen Strafgerichtshof, das umfasst die vier Genfer Konventionen und das Wiener Übereinkommen. Wer die internationalen Gerichte fürchtet, muss seine Verbrechen beenden. Wir bauen starke Beziehungen zur EU auf, um den Siedlungsbau zu stoppen, und wir bauen Beziehungen zu Lateinamerika auf. Wir wollen, dass so viele Länder wie möglich den palästinensischen Staat anerkennen und unterstützen, besonders in der EU. Benjamin Netanjahu verfolgt eine dreigliedrige Strategie: Er braucht eine palästinensische Regierung ohne jegliche Macht, er braucht eine israelische Besatzung ohne Kosten und er versucht, den Gazastreifen vom restlichen palästinensischen Gebiet abzutrennen. Um diese Strategie zu durchbrechen, müssen wir unsere Bemühungen neu ausrichten, wir müssen uns gegenseitig helfen. Netanjahu muss sich darüber im klaren sein, dass wir die Mitgliedschaft in den 63 Organisationen beantragen werden – auch, wie bereits gesagt, beim Internationalen Strafgerichtshof.

euronews: Wieso wollen Sie Israel nicht als einen jüdischen Staat anerkennen?

Erekat: Damit würden wir eingestehen, dass dieses Land jüdisches Land ist, und das kann und werde ich nicht akzeptieren. Ich werde weder meine Religion, noch meine Geschichte und Kultur ändern. Politische Umstände und internationale Gesetze sagen, dass es hier zwei Staaten in den Grenzen von 1967 gibt, und das akzeptieren wir. Aber wir werden Israel unter keinen Umständen als rein jüdischen Staat anerkennen.

euronews: Es gab Gespräche über einen Austausch von Land zwischen Israel und Palästina. Israel sollte so Siedlungen im Westjordanland behalten können. Akzeptieren Sie das?

Erekat: Es gab Gespräche über den Tausch von Land, das denselben Wert hat. Unsere Haltung ist die: Wir können darüber nur sprechen, wenn Israel unseren Staat in den Grenzen von 1967 anerkennt, denn ein Austausch von Land ist nur zwischen Staaten möglich. Es ist die souveräne Entscheidung jedes einzelnen Staates.

euronews: Werden unter der derzeitigen US-Vermittlung auch Sicherheitsfragen angesprochen, speziell was die Täler an der Grenze zu Jordanien angeht?

Erekat: Das sind jordanisch-palästinensische Grenzen, da Israel seinen Rückzug abgeschlossen hat. Wir werden keine Israelis an unseren östlichen und westlichen Grenzen dulden, auch nicht in Häfen, an Grenzübergängen, in unseren Gewässern oder im palästinensischen Luftraum. Palästina ist ein unabhängiger, voll souveräner Staat.

euronews: Würden Sie die Anwesenheit internationaler Truppen akzeptieren?

Erekat: Internationale Truppen sind uns willkommen, wir haben nichts gegen sie. Das sehen wir in vielen Regionen der Welt, unter friedlichen Umständen.

euronews: Was wäre mit internationalen Truppen in Jerusalem?

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Erekat: Warum? Warum Jerusalem? Ganz Jerusalem ist besetztes Gebiet, genau wie Rafah, Chan Junis und Jericho. Wenn es um spezielle Fragen in bezug auf heilige Orte geht, dann ist das eine souveräne Entscheidung der Staaten. Jerusalem unterscheidet sich nach internationalem Recht nicht von dem seit 1967 besetzten Land. Es wird behandelt, wie die besetzten syrischen Golan-Höhen behandelt werden oder das besetzte libanesische Territorium. Über Eigentum zu sprechen, über die heiligen Orte zu sprechen, das ist Sache des souveränen Staates. Jerusalem ist in den Grenzen von 1967 sechs Quadratkilometer groß; zusätzlich zu vier Quadratkilometern um die Moschee. Das ist besetztes Land und es ist nicht legitim, Land gewaltsam zu besetzen.

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