Adel verpflichtet? Spanische Königstochter im Visier der Justiz

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Von Euronews
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Es war für das spanische Königshaus ein extrem schwieriger Jahresanfang. Die Infantin Cristina, die jüngste Tochter von König Juan Carlos muss als Beschuldigte in einem Verfahren wegen Steuerdelikten und Geldwäsche vor Gericht erscheinen. Bevor wir uns darüber mit dem Politikwissenschaftler Fernando Vallespín unterhalten, ein Blick auf die Affäre:

Ein neues Jahr, eine alte Tradition: König Juan Carlos sprach zu den spanischen Soldaten. Es war der erste öffentliche Auftritt des Monarchen seit seiner Hüftoperation Ende November. Juan Carlos, der am Sonntag 76 Jahre alt wurde, wirkte müde und hatte Mühe, seine Rede vorzutragen.

Juan Carlos’ angeschlagene Gesundheit dient als Sinnbild für das Königshaus. Die Unterstützung des Volkes schwindet, 62 Prozent der Spanier wollen, dass der Monarch abdankt.

Dass Infantin Cristina als Beschuldigte vor Gericht zitiert wurde und sich unangenehmen Fragen wird stellen müssen, versetzt dem Königshaus auch nicht gerade einen Popularitätsschub, sondern verlängert das Martyrium der royalen Familie nur, sagte ein Palastsprecher.

Bereits zum zweiten Mal steht Cristina im Visier der Justiz, schon im vergangenen Jahr wurde sie von Richter José Castro einbestellt. Damals verhinderte Staatsanwalt Pedro Horrach allerdings eine Vernehmung der Infantin.

Seit 2011 wird gegen ihren Ehemann Inaki Urdangarin ermittelt, dem Steuerbetrug und Geldwäsche vorgeworfen werden. In Urdangarins Schriftverkehr tauchten Hinweise darauf auf, dass Cristina von den Abläufen gewusst haben könnte.

Dem ehemaligen Profi-Handballer und seinem Geschäftspartner Diego Torres wird zur Last gelegt, öffentliche Gelder in Millionenhöhe veruntreut und der Steuer vorenthalten zu haben. Das Unternehmen Aizoon soll dabei als Scheinfirma gedient haben.

Der mallorquinische Journalist Andreu Manresa verfolgt das Geschehen seit Anfang an. Er sagt: “Infantin Cristina ist gemeinsam mit ihrem Mann Eigner von Aizoon. Er hat über diese Firma Geldgeschäfte abgewickelt, ihm wird Finanzbetrug in drei Fällen vorgeworfen.”

Richter José Castro hat Cristinas Finanzgeschäfte neun Monate lang untersucht, ehe er die 48-Jährige erneut vorlud. So sieht es das spanische Gesetz vor. Castro ließ verlauten, er habe handfeste Beweise, die auf Straftaten hindeuten.

euronews: “Wir sprechen nun mit dem Politikwissenschaftler Fernando Vallespín.
Bedeutet die Entscheidung des Untersuchungsrichters, die Infantin Cristina zu laden, dass in Spanien vor dem Gesetz alle gleich sind, auch das Königshaus? Die Staatsanwaltschaft hat ja mit allen Mitteln versucht, die Ladung der Infantin zu verhindern…”

Vallespin: “Ja, ich denke, das zeigt, dass in der Tat alle vor dem Gesetz gleich sind. Zweifellos hätte ein normaler Bürger nicht die gleiche Unterstützung von der Staatsanwaltschaft genossen, aber ich denke, man muss auch verstehen, dass die Staatsanwaltschaft in einer Situation, in der eine Person von derartigem Prestige betroffen ist, vorsichtiger agiert. Aber der Richter hat eine wirklich erstaunliche Autonomie in diesem Fall demonstriert.

Mir erscheint es sehr wichtig zu sein, alle Dokumente zu veröffentlichen. Die öffentliche Meinung verfolgt den Fall mit großem Interesse und natürlich auch das Königshaus, das ein großes Interesse an Transparenz bei jedem Schritt in dieser Affäre hat.”

euronews: “Die Krone findet, sie durchleide ein Martyrium. Welche Auswirkungen hat diese Affäre auf den König, dessen Ansehen durch seine sehr schlechte Gesundheit und Skandale wie die Elefantenjagd oder sexuelle Eskapaden beeinträchtigt wird?”

Vallespín: “Es ist aus vielen Gründen der größte Skandal für das Königshaus. Unter anderem weil sich diese Institution dadurch legitimiert, dass sie ein Vorbild ist und symbolisch mit einer Person verbunden ist, die nichts falsch machen kann.

Das Königshaus hofft auf ein rasches rechtskräftiges Urteil, damit es sich anderen Dingen zuwenden kann. Aber immer mehr Einzelheiten werden bekannt. Und damit erodiert kontinuierlich das Ansehen der Institution. Und damit verbunden ist eine Erosion des Ansehens aller politischen Institutionen Spaniens.”

euronews: “Die Zukunft der spanischen Monarchie erscheint immer stärker gefährdet. Wie kommt das Königshaus würdevoll aus dieser Zwickmühle?”

Vallespín: “Wenn es so aussieht, dass die Angeklagten keine Vorzugsbehandlung durch den Richter erhalten, dann zeigt das meines Erachtens der öffentlichen Meinung, dass es sich um normale Bürger handelt. Das wäre gut für die Monarchie und könnte teilweise den entstandenen Schaden kompensieren.

Zweifellos aber ist es problematisch, dass das Königshaus mit einer Serie von Skandalen assoziiert wird und darüber hinaus die Frage auftaucht, die die Bürger wirklich beschäftigt, nämlich ob Juan Carlos in der Lage ist, seinen verfassungsmäßigen Aufgaben nachzukommen.”

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euronews: “Sie halten eine mögliche Abdankung des Königs für wenig wahrscheinlich?”

Vallespín: “Ich halte das für unwahrscheinlich und persönlich erschien es mir auch unklug. Spanien muss sich, glaube ich, aus vielen Gründen, vermutlich wegen der Frage der Katalanischen Souveränität früher oder später Reformen seiner Verfassung stellen. Und bis diese durchgeführt wurden, erscheint mir eine Abdankung des Königs nicht klug zu sein. Natürlich vorausgesetzt, dass er die physische Kraft besitzt, seine Funktionen so wahrzunehmen, wie es die Verfassungspraxis vorsieht.”

Die Fragen stellte Javier Villagarcia. Das Interview übersetzte Christoph Debets aus dem spanischen Original.

Fernando Vallespín Oña ist Professor für Politikwissenschaft und Verwaltung an der Universidad Autónoma de Madrid. Er hatte unter anderem Gastprofessuren in Heidelberg, Frankfurt und Harvard inne.

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