Schiefergas und Fracking: Fluch oder Segen?

Schiefergas und Fracking: Fluch oder Segen?
Von Euronews
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Seit November versuchen Umweltaktivisten mit der Unterstützung einiger Anwohnern von Barton Moss die Wagenkolonnen zu behindern, die auf das Gelände der britischen Gruppe IGas gelangen wollen. Ihr Widerstand richtet sich gegen die Erkundung eines Geländes nach unterirdischen Schiefergasvorkommen. Ihre Angst ist bedingt durch die ökologischen Risiken der Förderung von Gas durch Fracking (hydraulische Frakturierung). Verseuchte Böden und vergiftetes Grundwasser könnten die Folge sein. Dies alarmiert nicht nur die Anwohner, sondern auch Umweltorganisationen sowie Unternehmen der Wasseraufbereitung.

Was genau verbirgt sich hinter der Methode der hydraulischen Frakturierung? Hierbei werden große Wassermassen mit Sand und Chemikalien gemischt und danach mit Hochdruck in die Erde gepresst. Hierdurch entstehen Risse im Schiefer, aus denen das Gas ausströmt und so eingefangen werden kann. Nach Ansicht der Industrie können die ökologischen Probleme, die mit der Förderung zusammenhängen, durch Verbesserung der Technik sowie strengere Regeln beseitigt werden.

Für Helen Chuntso, eine Anwohnerin von Barton Moss, liegen die Dinge jedoch anders:

“Von der ganzen Brühe, die in den Boden gepumpt wird weiß niemand, wie viel wieder raus kommt. Nach Schätzungen bleiben etwa 70 Prozent im Boden. Also ist er schon verseucht. Außerdem wandert das Wasser durch die Erdschichten und auch die Industrie kann nicht vorhersagen, wohin es fließt. Die Unternehmen machen schnelles Geld und scheren sich einen Dreck um die Anwohner und die Umwelt.“

Ken Cronin, Sprecher des britischen Verbandes der Gasförderer, beurteilt die Lage wie folgt:

„Schiefergas sollte als eine ökonomische Möglichkeit gesehen werden die Abhängigkeit vom Import zu reduzieren. 2030 werden etwa 80 Prozent des Gases von außerhalb Großbritanniens kommen. Das wird zu Preiserhöhungen führen. Nutzen wir aber unsere einheimischen Gasvorkommen besser, könnten wir die Preise stabil halten. Wenn Europa genug Gas produzieren kann, das heißt wenn sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ändert, dann müssten die Preise sinken, wie in den USA.“

Über solche Vermutungen wird in Europa allerdings diskutiert. Laut des Energieexperten Paul Stevens wird eine europäische Gasrevolution sicherlich ausbleiben. Sowohl die geologischen Bedingungen als auch die Bevölkerungsdichte, vor allem aber die wirtschaftliche Realität seien ganz andere als in den USA. Stevens zufolge könnte eine Steigerung des Angebots nur dann zu einer Preissenkung führen, wenn es ausreichenden Wettbewerb gäbe. Die großen europäischen Unternehmen seien jedoch nicht sonderlich an Konkurrenz interessiert. Sie würden, so Stevens, lieber zusammen spielen als gegeneinander.

Laut des internationalen Verbandes der Erdöl- und Gasproduzenten könnte die Entstehung einer neuen Schiefergasindustrie hunderttausende von Arbeitsplätzen für Europa bringen, ganz zu schweigen von der höheren Unabhängigkeit in Energiefragen. Dies wird jedoch von grünen Parteien bezweifelt. Viel eher würden für kurze Zeit einige Jobs entstehen, die verschwänden sobald das Fracking abgeschlossen und das Gas gefördert wurde. Danach würde das Gebiet nutzlos für diesen Industriezweig und die Arbeitsplätze vernichtet, so Laura Bannister von den britischen Grünen.

Nach Schätzungen verfügt der alte Kontinent über beträchtliche Schiefergasvorkommen. Mehrere Länder haben grünes Licht zur Erforschung der Quellen gegeben. Andere haben es aufgrund der ökologischen Risiken verweigert. Experten weisen vor allem auf eine Steigerung des Methananteils in der Atmosphäre hin, zu dem es durch die Förderung und den Transport von Schiefergas kommen würde. Dies könnte die europäischen Ziele zur Verringerung des Treibhauseffekts gefährden.

Der Klimaexperte Kevin Anderson gibt zu bedenken, dass die Nutzung von Schiefergas mit einer Reduktion der Kohleförderung einhergehen muss. Klimawandel sei ein weltweites Problem, das durch den Einsatz neuer fossiler Brennstoffe noch vergrößert werden könnte. Daher sei Vorsicht geboten sich auf das Beispiel der USA zu stützen. Auch wenn dort der Ausstoß von Emissionen ein wenig verringert werden konnte, so stiegen die europäischen Emissionen an. Dies nicht zuletzt deswegen, weil nun die zuvor exportierte Kohle verbrannt würde.

Zahlreiche Analysten befürchten sogar, dass die Förderung von Schiefergas negative Auswirkungen auf die Entwicklung der erneuerbaren Energien haben könnte. Die anvisierten Lösungen müssten daher politische sein. Schiefergas könnte hierbei eine Übergangslösung darstellen, bevor leistungsstärkere ökologische Alternativen gefunden würden. Auch hierfür gelten die USA wieder als Vorbild. So wurden von Präsident Obama günstige fossile Brennstoffe höher besteuert, um die Gewinne für die Entwicklung neuer Technologien nutzen zu können.

Die Europäische Union hat ein gemeinsames Gesetz zur Erforschung und Förderung von Schiefergas abgelehnt. Statt strikter Richtlinien gab es lediglich einfache Empfehlungen. Dies könnte die Gemüter der Bürger erregen, die laut einer Umfrage der EU-Kommission vom vorigen Jahr, einheitliche Regeln in ganz Europa fordern.

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