Fukushima drei Jahre danach

Fukushima drei Jahre danach
Von Euronews
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Die Nuklearkatastrophe der Höchststufe 7 von Fukushima begann am 11. März 2011 um 14.47 Uhr Ortszeit mit dem Töhoku-Erdbeben. Sie lief gleichzeitig in vier von sechs Reaktorblöcken des japanischen Kernkraftwerks ab. In Block 1 bis 3 kam es zu Kernschmelzen. Große Mengen an radioaktivem Material – etwas mehr als das Doppelte von Tschernobyl – wurden freigesetzt. Luft, Böden, Wasser und Nahrungsmittel in der land- und meerseitigen Umgebung wurden kontaminiert. Zwischen 100.000 und 150.000 Einwohner wurden evakuiert.

Wie sieht es heute in der betroffenen Gegend aus?

Euronews-Reporter Chris Cummins:
“Wir sind in Koikenaganuma, einer provisorischen Wohnanlage, die zu Zeiten des Tsunamis gebaut wurde, um Familien zu schützen, die in und um Fukushima wohnen. Das Kernkraftwerk ist nur 36 Kilometer entfernt. Hier leben Menschen wie Ladenbesitzer und Bauern. Aber seit 2011 hat sich ihr Leben völlig verändert.”

Zwei Frauen aus den Notunterkünften berichten:
“Wir verloren unser Haus, und das Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe, wurde geschlossen. Die Menschen sind in alle Winde zerstreut. Ich mache mir Sorgen über die Zukunft. Ich zahle immer noch die Hypothek von einem Haus, in dem ich nicht wohnen kann. Es macht mir Sorgen, wir können das Darlehen verlängern, aber nicht in dem Haus wohnen.”

“Uns wurde gesagt, wir könnten im April 2016 zurückkehren, aber nirgendwo wird saniert. Mich trifft keine Schuld, aber aufgrund des nuklearen Unfalls bin ich eingesperrt. Wir sind nicht frei. Das ist ein Gefängnis, ich bin sehr traurig. Alles nur wegen dieses Kernkraftwerks.”

Euronews-Reporter:
“Die vollständigen gesundheitlichen Auswirkungen der Atomkatastrophe von Fukushima müssen noch untersucht werden. Hier in Minamisoma, 23 Kilometer von der Anlage entfernt, hat Neurochirurg Tomoyoshi Oikawa einige interessante Ideen.”

Dr. Tomoyoshi Oikawa:
“Das größte Problem ist der Umbruch in der Bevölkerung. Die meisten von denen, die nach der Evakuierung zurückgekehrt sind, sind ältere Menschen. Nur sehr wenige Kinder sind wiedergekommen. Wenn das so weitergeht, wird die Stadt aussterben. Der Rest der Welt denkt, dass die Kontamination hier sehr hoch ist. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Gegend sicher ist. Aber aufgrund der Gerüchte kehren die Leute nicht zurück.

Zum Zeitpunkt der Explosion war die Kontamination sehr hoch. Ich untersuchte meinen Körper, deshalb wusste ich das, nach sechs Monaten hatte sich meine Kontamination halbiert. Jetzt ist sie winzig.

Wenn die Lebensmittelkette kontrolliert wird, gibt es keine chronische Kontamination. Der psychische Schaden für die Bewohner der Notunterkünfte ist ernst zu nehmender. Die Zahl der Schlaganfälle ist gestiegen. Aber ich glaube nicht aufgrund der Strahlung, sondern wegen des Stresses.”

Hidekiyo Tachiya, der Bürgermeister von Soma, erklärt:
“Laut dem Katastrophenhilfegesetz müssen wir den Opfern Wohnraum zur Verfügung stellen, das sagt das Gesetz. Für ihren täglichen Bedarf müssen die Opfer selbst sorgen, auch wenn ihr Haus zerstört wurde. Aber wir denken, wir haben eine moralische Verantwortung, unseren Leuten zu helfen.”

Euronews-Reporter:
“Die Strahlung mag für das menschliche Auge unsichtbar sein, aber es gibt einfache Tests, um sie nachzuweisen, einen Taschen-Geigerzähler zum Beispiel. Tepco (Tokyo Electric Company) hält gelegentlich Pressekonferenzen ab und aktualisiert seine Website bis ins kleinste Detail. Doch was ist wirklich los in der Anlage? Ein Tepco-Mitarbeiter hat sich bereit erklärt, mit uns zu sprechen, wenn wir seine Identität geheim halten.”

Der Tepco-Mitarbeiter erzählt:
“Tepco hat das Vertrauen der Japaner verloren. Sie vertuschen, wie schwer das Grundwasser kontaminiert wurde. Wenn sie ein größeres Problem haben, berichten sie darüber. Aber wenn es ein Leck im Tank gibt und das Kühlwasser kontaminiert wird, müssen sie nichts melden.

Die Sanierung ist noch lange nicht fertig. Es gibt eine enorme Reststrahlung im Bauschutt. Tepco sagt, es wird 40 Jahre dauern. Ich glaube, es dauert viel länger. Die Menschen sind dumm, wir machen immer wieder Fehler. Diese gefährliche Technik sollte nicht verwendet werden. Ich glaube, wir sollten Abstand von der Kernenergie nehmen.”

300.000 Menschen wurden nach der Fukushima-Katastrophe evakuiert. Laut Schätzungen der japanischen Regierung leben immer noch rund 138.000 Anwohner in Notunterkünften.

Kiichi Matsumoto, ein Stadtrat von Nahara sagt:
“Die Regierung gab die Explosion in der Fukushima-Anlage am 13. März 2011 bekannt. Das war, nachdem ich die ganze Sache im Fernsehen gesehen hatte. Von Tepco erhielten wir in den frühen Morgenstunden des 12. einen Anruf. Sie sagten, in der Anlage würde sich eine gefährliche Situation entwickeln. Wir dachten immer, in der Anlage würde es früher oder später eine Wasserstoffexplosion geben.

Heute wissen wir, dass die Explosion bereits stattgefunden hatte, als wir den Anruf am 12. erhielten. Tepco wusste nicht wirklich, was los war. Wir wussten, dass wir evakuieren mussten. Also kontaktierten wir alle lokalen Behörden, damit sie sich auf die Evakuierung vorbereiten konnten.”

Ein Bauer, der geblieben ist, erzählt:
“Zunächst hatte ich nicht vor zu bleiben. Aber die, die gingen, ließen ihre Katzen und Hunde angebunden zurück. Als ich die Tiere ohne Futter und Wasser sah, wollte ich ihnen helfen. So hat es angefangen. Ich hätte nie gedacht, dass es so weitergeht, das ist jetzt drei Jahre her und die Situation hat sich nicht verändert.

Ich dachte immer, japanische Atomkraft sei 100 Prozent sicher. Amerika, Tschernobyl und Japan überall hat es nukleare Unfälle gegeben. Nach der Explosion wusste niemand, was man tun sollte. Tepco und die Regierung können nicht damit umgehen. Doch die Welt setzt immer noch auf Kernenergie, das ist lächerlich. Die nächste nukleare Katastrophe wird in Europa passieren. Die Sanierung kommt nicht voran. Tepco hat von Anfang an gelogen. Stoppt die Atomkraft in Japan. Bei Tepco läuft vieles falsch.”

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