Raus aus Italien: Der reiche Norden muckt auf

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Von Euronews
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“Wir sind schon über eine Million, am Freitag um 18 Uhr erklären wir die Sezession”, das sagen die Organisatoren der Online-Abstimmung plebicitio.eu zur Unabhängigkeit des Veneto, der Region Venetien, die für die Unabhängigkeit von Italien eintreten. Eines der Gesichter hinter dem Aufstand ist der 46-jährige Unternehmer und Präsident der Region Veneto Luca Zaia von der LEGA NORD. Die rechtspopulistische Partei heißt mit vollem Namen “Lega Nord per l’indipendenza della Padania” und trat schon in den 90er Jahren für die Unabhängigkeit Padaniens ein. Padanien, das ist das wirtschaftsstarke Norditalien, das die LEGA NORD von den “Räubern in Rom” abspalten will. Die Macht des Zentralstaates Italien soll auf die Regionen übertragen werden, “devolution” nennt das die LEGA NORD. Auch der Euro soll abgeschafft, eine regionale Währung eingeführt werden. Luca Zaia sagt, die Menschen im Norden Italiens würden von der Krise stranguliert und sollten weniger Steuern bezahlen, der neue italienische Regierungschef Matteo Renzi sei ein “Neozentralist”, der die Unabhängigkeit der Regionen nicht fördere.

Die Wirtschaft der Region Venetien stützt sich auf viele kleine und mittlere Unternehmen, die von der Finanzkrise stark betroffen waren und sind. Mehrere Chefs von kleinen Firmen haben sich aus Verzweiflung das Leben genommen, deshalb machen viele Bürger die Regierung in Rom für ihre Misere verantwortlich.

Doch nicht alle vertrauen deshalb der LEGA NORD. Die Regionalpartei, deren Politiker sich traditionell als Saubermänner im Kampf gegen das korrupte Establishment aufspielten, hat viel Vertrauen bei den Bürgern verspielt, seit der damalige Parteichef Umberto Bossi 2012 wegen einer Korruptionsaffäre zurücktreten musste. Mailänder Staatsanwälte ermitteltn auch gegen Bossis Söhne und andere Verantwortliche der LEGA NORD u.a. wegen Veruntreuung, Geldwäsche und illegaler Parteienfinanzierung.

Kompliziert ist das Verhältnis der Fünf-Sterne-Protestpartei MOVIMENTO CINQUE STELLE zu der Bürgerbefragung. Eigentlich gehört Basisdemokratie ja zu den Forderungen der Gruppierung um den Komiker Beppe Grillo, die sich in den vergangenen Monaten auch an die LEGA NORD angenähert hat. Beide Parteien boykottierten die Gespräche mit dem italienischen Staatspräsidenten vor der Bildung der Regierung Renzi, weil diese auf undemokratische Weise zustande gekommen sei.

Offiziell wollen die Organisatoren der Volskbefragung im Internet, die eine parteiübergreifende Bewegung sind, den demokratischen Weg gehen, nach dem erwarteten Erfolg soll über Brüssel und über internationales Recht die Unabhängigkeit des Veneto vorangebracht werden. Gemäss der italienischen Verfassung hat die Online-Abstimmung aber keinerlei Bedeutung, das unterstreichen die italienischen Medien auch immer wieder. Bestärkt sehen sich die Vorstreiter für die Unabhängigkeit ihrer Region durch ähnliche Bestrebungen in Katalonien und in Schottland. Und sie weisen darauf hin, dass in Venetien und Friaul insgesamt sechs Millionen Menschen leben. Zwei Drittel aller EU-Staaten haben weniger als zehn Millionen Einwohner: in Österreich sind es acht, in Finnland und Dänemark fünf Millionen.

Und natürlich haben die Politiker wie Luca Zaia, die die Volksbefragung unterstützen, noch ein anderes europaweit wichtiges Datum im Auge: die Europawahlen Ende Mai, bei denen die traditionellen Parteien bangen Blickes auf die euroskeptische Konkurrenz blicken.

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