Was bedeuten die Kommunalwahlen für Frankreich?

Was bedeuten die Kommunalwahlen für Frankreich?
Copyright 
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
WERBUNG

Knapp 2 Jahre nach der Wahl eines linken Präsidenten werden die Franzosen zur Kommunalwahl an die Urnen gerufen. Die wird als wichtiges Votum auch auf nationaler Ebene angesehen. Paris bekommt in jedem Fall erstmals eine Bürgermeisterin. Mit Anne Hidalgo und Nathalie Kosciusko-Morizet haben die beiden großen Parteien in Paris Frauen ins Rennen geschickt. Anne Hidalgo soll die mittlerweile 13jährige linke Regierungszeit in Paris fortführen.
Ihre konservative Konkurrentin Nathalie Kosciusko-Morizet bringt Regierungserfahrung auf nationaler Ebene unter Sarkozy mit. Vor dem ersten Wahlgang, bei dem nur ein Kandidat mit absoluter Mehrheit gewinnen kann, wird wieder die wachsende Wahlmüdigkeit der Franzosen erörtert. Es wird damit gerechnet, dass bis zu 40 Prozent der Wahlberechtigten nicht zur Wahlgehen.
Und von niedriger Wahlbeteiligung profitieren immer jene Parteien, die ihre Anhänger am besten mobilisieren können. Und in dieser Hinsicht hat die rechts-populistische Partei “Front National” enorm zugelegt. Seit die Tochter von Parteigründer Jean-Marie Le Pen die Parteiführung übernommen hat, ist FN bei breiten Wählerschichten, die von beiden großen Parteien enttäuscht sind, salonfähig geworden. Marine Le Pen macht selbst Wahlkampf in Haut Beaumont im Norden, in einer schwer unter der Deindustrialisierung leidenden Region. Bisher stellt ihre Partei nur 0,016 Prozent aller gewählten Kommunalpolitiker. Jetzt könnte FN auch große Städte erobern wie Marseille. Bei den Kommunalwahlen 2008 gingen 28 von 42 Großstädten an die LInken. Das sind nicht nur die Sozialisten sondern auch Bündnisse der vielen linken Gruppierungen bis hin zur Kommunistischen Partei, von deren einstiger Stärke als Regierungspartei nur eine wehmütige Erinnerung geblieben ist. Kommunalpolitiker werden in Frankreich für sechs Jahre gewählt. Oft auch aus rein lokalen Erwägungen, die dem nationalen Trend total entgegenlaufen können.

Laurence Alexandrowicz, euronews
Martial Foucault ist Direktor des Zentrums für politische Studien an der rennomierten Hochschule “ Sciences Politiques”. Nach der Bedeutung der anstehenden Kommunalwahl befragt, zählt er auf:

Martial Foucault
Es gibt drei entscheidende Fragen: Die Steuerpolitik mit ihren Auswirkungen auf die 36 Millionen Kommunen im Lande ist für die Wähler besonders wichtig, der Steuerdruck steigt. Zweitens die Lage auf dem Arbeitsmarkt, die lokale Arbeitslosenrate steigt, die Bedingungen für den Arbeitsmarkt in Frankreich werden immer schlechter. Und drittens geht es um die rein lokalen Probleme, um die Fähigkeit der Bürgermeister, ihre Stadt zu regieren.

euronews
Es wird viel über die Nichtwähler gesprochen. 1983 gingen 20 Prozent nicht zur Kommunal-Wahl, 2008 waren es schon 34 Prozent. Wer profitiert davon?

Martial Foucault
Am kommenden Sonntag werden die Meinungsforscher mit Sicherheit eine historisch neue Dimension der Stimmenthaltung vermelden
Es könnten bis zu 40 Prozent werden. Man muss dabei verschiedene Motive unterscheiden. Das heisst, die Stimmung in den Kommunen ist eher als links einzuschätzen. Deshalb würden viele Nichtwähler eben eher dem rechten Lager nützen.

euronews
Würde auch die rechts-populistische Partei “Front National” davon profitieren?

Martial Foucault
Die Stimmenthaltung wird ganz einfach eine Folge mangelnder Mobilisierung sein. Die Unlust der Wähler hat damit zu tun, dass die großen Parteien immer unpopulärer werden. Linke wie rechte. Und davon profitieren kleine Parteien, die besser Wähler mobilisieren können. “Front National” könnte durchaus unter diesen Parteien sein, denen sich die Wähler zuwenden. Und nicht die Parteien links und rechts.

euronews
Gibt es in Krisenzeiten ein Hinwenden zu lokalen Interessen?

Martial Foucault
Es ist schwierig, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Stimmenthaltung genau zu benennen. 2014 scheint es sich aber um einen Zusammenhang von politscher Krise, Krise der Demokratie und Stimmenthaltung zu handeln.
Wenn man sich die verschiedenen Meinungsumfragen anschaut, erkennt man ein sehr geringes Vertrauen in die politischen Institutionen, das liegt nur die acht Prozent. Die Bürgermeister aber und die anderen Lokalpolitiker genießen bei 60 Prozent der befragten Franzosen Vertrauen.

eunronews Geht die konservativer Partei von Sarkozy jetzt den Bach ´runter nach all ihren internen Querelen, die der Ex-Präsident verursacht hat mit seinem Bemühen, wieder auf die politische Bühne zurück zu kehren?

Martial Foucault
Ich sehe das nicht als Absturz des rechten Lagers.
Um zwar, weil Front National sehr präsent sein wird mit vielen Kandidaten, die es in die Stichwahl schaffen können. Wenn in vielen Orten drei Kandidaten in die Stichwahl kommen – man nennt das “triangulaires” – dann wird oft auch Front National dabei sein. Und das schadet der traditionellen Rechten. Es hängt natürlich viel von den lokalen Bedingungen ab, seinen wir also vorsichtig mit Voraussagen. Wenn das rechte Lager Erfolg hätte, könnte das als Grund für eine Rückkehr von Nicolas Sarkozy herhalten. Verliert das rechte Lager aber, dann würde Nicolas Sarkozy sagen, die Partei UMP brauche ihn als Alternative zur gegenwärtigen Führung.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Nicht hart genug? Migrationspakt im EU-Wahlkampf an Frankreichs Grenze kritisiert

120 Jahre Entente Cordiale: Frankreich und Großbritannien tauschen Wachen aus

80. Jahrestag: Emmanuel Macron würdigt Widerstandskämpfer in Glières