Slowakei: Kotlebas Kampf gegen Korruption und Küchentücher

Slowakei: Kotlebas Kampf gegen Korruption und Küchentücher
Von Euronews
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Es ist der 15. März: Wie jedes Jahr gehen Menschen in der slowakischen Hauptstadt Bratislava auf die Straße, um gegen Faschismus zu demonstrieren.

Auch in der Stadt Nitra, etwa hundert Kilometer von Bratislava entfernt, protestieren Menschen wie die Studentin Martina Majerníková gegen Rechtsradikale.

Sie meint, “derzeit versuchen Nazis in der Slowakei und in ganz Europa auf politischer Ebene weiterzukommen. Da die Menschen in Krisenzeiten und angesichts fehlgeschlagener Politik keine Alternativen haben, scheinen sie die Ansichten der Neonazis gut zu finden. Wir sind auch hier, weil Marian Kotleba in ein hohes politisches Amt gewählt wurde: zum Regionspräsidenten von Banská Bystrica. Er ist ein früherer Neonazi und Faschist. Wir sind hier, um dagegen zu protestieren. Wir gehen für Toleranz und gegen Hass auf die Straße.”

Marian Kotleba ist der Chef der kleinen ultranationalistischen Partei “Unsere Slowakei”.

Ebenfalls an diesem 15. März begeht er den Jahrestag der ersten Unabhängigkeit des Landes, die 1939 ausgerufen wurde – durch den Verbündeten des deutschen Nazi-Regimes Josef Tiso. Dem euronews-Kamerateam schlägt Misstrauen entgegen.

Einzig der örtliche Parteirepräsentant ist bereit, einige knappe Antworten zu geben. Ján Kečkéš erklärt, “wir wollen das slowakische Volk verteidigen. Wir setzen auf traditionelle slowakische Werte, die sich entfalten sollen, und auf Gesetze, die der slowakischen Bevölkerung zu Gute kommen sollen.”

Unsere Interviewanfragen lehnt Marian Kotleba kategorisch ab. Die Medien hätten ihn zu oft lächerlich gemacht, begründen seine Anhänger.

Kotlebas erste Schritte in der Politik liegen etwa zehn Jahre zurück: Er war Vorsitzender einer rechtsextremen Splittergruppe. Zwar ist seine aktuelle Volkspartei “Unsere Slowakei” verfassungskonform, doch Kotlebas frühere Reden ließen kein Feindbild aus. Sündenbock Nummer eins: Die Roma, die er Zigeunerparasiten nennt.

Oft lieferte er sich Handgemenge mit der Polizei und wurde mehrmals verhaftet, jedoch niemals verurteilt. Der Regionspräsident von Banska Bystica hat mittlerweile seine Reden entschärft. Er sieht sich als Verfechter eines gerechten Staates und anständiger Bürger.

Das brachte ihm bei den Regionalwahlen im letzten November 55 Prozent der Stimmen ein. Pavel Šedivý ist Anhänger der Partei “Unsere Slowakei”. Die Regionalwahlen seien zu allererst Protestwahlen, glaubt einer der wenigen Anhänger Kotlebas, der sich von uns interviewen lassen. Mit dem Ergebnis hätten die Menschen den Poltikern einen Denkzettel für Gleichgültigkeit und Korruption erteilt, meint der frühere Soldat, der dann Radiomoderator wurde, weiter.

“Innerhalb der letzten 25 Jahre, also seit der Revolution, hat sich in der Slowakei nichts getan. Das schlimmste ist, dass alles hemmungslos geklaut wird. Die öffentlichen Gelder werden geplündert. Einige Politiker verprassen das Vermögen des Landes. Die Justiz ist komplett nutzlos, niemand weiß mehr, was zu tun ist. Wir müssen Stopp sagen und ein neues Kapitel aufschlagen,” beklagt sich Pavel Šedivý.

Ansichten, die durch die Folgen der Wirtschaftskrise und Inflation in der Slowakei mehr und mehr Anhänger finden. 18 Prozent der Bevölkerung in der Region sind arbeitslos. Die Gehälter sind nur halb so hoch wie in der Hauptstadt.

Einzig die Fabrik Grand Power floriert. Sie stellt Waffen her – vor allem für Sportschützen, meint der Direktor. Auch manchmal auch für die eigene Sicherheit. Jaroslav Kuracina ist ein früheres Gründungsmitglied der Sozialdemokraten, die derzeit die Regierung stellen. Jetzt unterstützt er Marian Kotleba. Dieser sei der einzige, der der Korruption und Vetternwirtschaft in der Politik den Kampf ansage. Und der die Slowakei aus der Eurozone herausführen wolle.

Er kritisiert: “Die wirtschaftliche Situation der Slowakei hat sich stark verschlechtert seit dem Beitritt zur EU. Seit sich das Land an europäische Normen angepasst hat, sind die meisten slowakischen Betriebe der Lebensmittelindustrie Pleite gegangen. Seit dem Beitritt zur EU haben die Politiker eine große Zahl slowakischer Unternehmen auf ihrem Gewissen. Die meisten sind in die Hände ausländischer Geldgeber geraten, die von den billigen slowakischen Arbeitskräften profitieren.”

Neben der EU bekommt auch die in Banska Bystrica stark vertretene Gemeinschaft der Roma in Kotlebas Reden ihr Fett weg. Sie lebt am Rande der Gesellschaft, nach Meinung vieler liegen die Roma der slowakischen Bevölkerung auf der Tasche. Zwei Drittel von ihnen haben keinen Job. Ein Problem, das niemand anpacken will, kritisiert Milota Zaslavová. Sie lebt in einer Behelfsunterkunft, die vom Abriss bedroht ist. Ihrer Meinung nach gibt es Schlimmeres als Kotleba.

Zaslavová sagt, “ich finde, Kotleba ist ganz ok. Was er denkt, stimmt. Er will doch nur, dass Ordnung herrscht, die Menschen Arbeit finden, dass die Kinder zur Schule gehen, das ist alles. Wenn er uns Arbeit verschafft, können wir nur zufrieden sein. Die Menschen hier leben von der Sozialhilfe. Sie brauchen Arbeit. Wenn sie sich bewerben, sagt man ihnen am Telefon, sie sollen vorbeikommen. Aber wenn sie dann wirklich hingehen, lautet die Antwort “nein” – nur weil sie Roma sind. Die Menschen bemühen sich wirklich, aber es klappt nicht.”

Nun hängt das politische Schicksal der Partei “Unsere Slowakei” vor allem an den Leistungen des Regionspräsidenten. Die Präsidentschaftswahlen in der Slowakei hat Marian Kotleba nicht angepeilt. Ob er die slowakischen Parlamentswahlen in zwei Jahren anvisiert, bleibt abzuwarten.

Der Politikexperte Grigorij Mesežnikov wagt eine Prognose: “Derzeit nähern sie sich der 5% Hürde, die sie noch nicht überwinden konnten. Aber wenn sich die Lage in der Roma-Problematik verschärft, dann schließe ich nicht aus, dass die Partei bei der nächsten Wahl ins Parlament einzieht.”

Bis dahin will Kotlebas Partei bei den kommenden Wahlen zum EU-Parlament im Mai Kandidaten aufstellen. Mit einem euro-skeptischen Wahlprogramm, das keinen Zweifel offen lässt.

Kotleba nutzt die Öffentlichkeit am 15. März, um gegen Brüssel zu hetzen. “Selbst Hitler hätte sich nicht erlaubt, was die EU sich heute herausnimmt. Damals zumindest wehte keine Deutschland-Flagge über allen öffentlichen Einrichtungen der Slowakei. Sehen Sie sich doch an, welches Bild die Slowakei heute abgibt. Über jedem Verwaltungsgebäude prangt dieses schandhafte blaue Küchentuch der Besatzer. Überall – nur in Banska Bystrica nicht. Wir wollen für eine neue Unabhängigkeit der Slowakei kämpfen. Für eine bessere Slwoakei – für unsere Slowakei.”

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