Frankreichs Präsident Hollande: Abgestraft!

Frankreichs Präsident Hollande: Abgestraft!
Copyright 
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
WERBUNG

Jubel in der Parteizentrale der konservativen UMP am Morgen nach dem zweiten Wahlgang. Nach zwei Jahren im Amt haben die Wähler dem linken Präsidenten und seiner Regierungsmannschaft einen Denkzettel verpasst. So deutlich, dass UMP-Chef Jean-François Copé voller Freude verkünden kann, erstmals seit ihrer Gründung 2002 konnte seine Partei so deutlich bei Kommunalwahlen gewinnen. Er unterstreicht, dies sei eine ganz fürchterliche Missbilligungsäußerung für die Regierung.
Die Linken haben sich in 2 der 3 größten Städte halten können. In Paris und Lyon. In Marseille haben sich die Konservativen behauptet. Aber 155 Städte, die einmal als linke Bastionen galten, sind an die Rechten gefallen. Umgekehrt schwenkten nur 5 rechte Bastionen nach links – darunter nur zwei Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern, Avignon und Montpellier. In den Schlagzeilen der Tageszeitungen wimmelt es am Morgen danach nur so von bösen Worten wie “verurteilen”, “Strafe”.
Man rechnet mit “Bauernopfern”, manch Minister wird gehen müssen, vielleicht sogar Frankreichs Erster Minister. Der – Premier Ministre Jean Marc Ayrault – räumte ein, dass dieses Ergebnis einer Kommunalwahl sehr wohl eine nationale Niederlage für die Regierung bedeute. Der Präsident werde daraus seine Lehren ziehen. Das werde er im Interesse Frankreichs tun.
Rechts außen wird derweil gejubelt. Erregte vor 17 Jahren noch das erste von den Rechtspopulisten von “Front National” eroberte Rathaus ganz Europa, so wird es diesmal schon mehr als zehn FN-Bürgermeister geben. Ein Arrondissement von Marseille haben sie auch. Generell gilt: Je niedriger die Wahlbeteiligung, um so besser das Abschneiden der Front-National-Kandidaten.
Parteichefin Marine Le Pen sieht ihre Partei im Aufwind, sie werde nicht mehr nur von den Enttäuschten aus Protest gewählt. Niemand könne mehr bestreiten, dass es sich um Zuspruch für die Partei und ihre Kandidaten handele. Die Ideen, die die Partei vertrete, würden die Wähler als ihre eigenen erkennen.
Danach erwarten nicht nur in Frankreich die etablierten Parteien die Europawahl mit Sorge.
Es könnte einen Rechtsruck im Europaparlament geben.

Euronews:
“Eine Katastrophe für die Sozialisten, ein Erfolg für die Konservativen und ein Triumph für die Front National. So schauen die Kommunalwahlen in Frankreich kurzgefasst aus. Wir sprechen zu diesem Thema mit dem Politologen Martial Foucault. Die Niederlage der Sozialisten sticht ins Auge. Kann man sagen, dass die Wähler den Präsidenten, Francois Hollande, und die Regierung abstrafen wollten?”

Martial Foucault:
“Vor einer Woche konnte man daran noch zweifeln, ob es eine Abstrafung des Präsidenten sein sollte. Aber jetzt ist es klar. Die Wähler haben diese Gelegenheit ergriffen, um den Präsidenten nach zwei Jahren im Amt abzustrafen. Um eine ganz klare Botschaft zu senden, nämlich dass die Wähler mit der Politik dieser Regierung nicht zufrieden sind. Sie haben eine deutliche Botschaft gesendet, dass sie sich einen Richtungswechsel wünschen.”

Euronews:
“Die Front National ist auf kommunaler Ebene weit nach vorne marschiert. Front-Chefin Marine Le Pen sagte, jetzt sei Schluss mit dem Zwei-Parteien-System in Frankreich. Hat sie Recht?”

Martial Foucault:
“Es ist zu früh, um das zu sagen. Warten wir erst mal die Europawahlen ab. Dann können wir sagen, ob sich das, was Marine Le Pen jetzt vorhersagt, auch bewahrheitet. Ende Mai werden wir sehen, ob die Front Nationale wirklich so absahnen wird, wie die Chefin der Partei es jetzt prophezeit. Also, ich glaube, dass sich das wirklich erst Ende Mai sagen lassen wird, ob sich in Frankreich tatsächlich eine dritte Partei als breite Kraft richtig etabliert hat.”

Euronews:
“Die Zahl derer, die nicht zur Wahl gingen, war sehr hoch. Warum? Aus Unzufriedenheit, aus Gleichgültigkeit?”

Martial Foucault:
“Die Franzosen sind müde. Sie sind unzufrieden. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt, den ich hier ansprechen will, ist: in einigen Städten ist die Wahlbeteiligung nicht zurückgegangen, sondern angestiegen. Und das ist genau da, wo die Front National oder auch die linksextreme Front Gauche besonders viele Stimmen bekam. Das heisst, die Franzosen gehen vor allem dann wählen, wenn es darum geht, dass sie ihre Stimme nicht die Konservativen, der UMP, und nicht die Sozialisten, der PS, geben wollen.”

Euronews:
“Obwohl es sich um Kommunalwahlen handelte, hat sich die ausländische Presse sehr dafür interessiert. Was fällt dem Ausland bei dieser Wahl auf? Der Vormarsch der Front National, das Zerbröckeln der Macht des Präsidenten oder die Erstarkung der Konservativen?”

Martial Foucault:
“Alles drei. Die europäischen Partner werden wahrscheinlich hauptsächlich die Erstarkung der Konservativen mit Interesse verfolgen. Auf kommunaler Ebene sind die Konservativen stark, und auf nationaler Ebene in Paris regieren die Sozialisten. Und Francois Hollande kann nicht so tun, als ob es dieses Frankreich außerhalb der Hauptstadt nicht gibt. In Brüssel sollen der Haushalt und das Defizit vorgelegt werden. Die europäischen Partner interessiert es, ob Francois Hollande den wirtschaftlichen Abstieg noch aufhalten kann, ob er sich taub stellt gegenüber dem Willen der Wähler und noch bis 2017 seine Wirtschaftspolitik so weiterfährt.”

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

Kommunalwahlen in Polen: PiS-Nationalisten liegen laut Prognosen vorn

Schlappe für Erdoğan bei den Kommunalwahlen in der Türkei

Belgrads Bürger müssen nochmal zur Wahl