ISIL - die Gefahr der neuen radikalen Islamisten

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Von Euronews
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In einer Autoschlange harren rund 170 Kilometer nördlich von Bagdad Iraker aus, die auf der Flucht sind. Auf der Flucht vor den fanatischen Gotteskriegern, die nach eigenem Bekunden für einen “Islamischen Staat im Irak und in der Levante” kämpfen.
Das entsprechende arabische Wort meint damit ein “Großsyrien”, das bis weit in heutige Nachbarländer hineinreicht wie den Libanon.

In der Stadt Mossul, die die ISIL-Kämpfer am 10. Juni eingenommen haben, verteilen sie auf der Straße den Koran. Nach ihrer Ideologie soll in ihrem Herrschaftsgebiet nur noch die Scharia als einzige Quelle der Rechtsprechung gelten. Nachdem die irakischen Soldaten vor ihnen davonliefen, beherrschen sie ein zusammenhängendes Gebiet im Nordwesten des Irak ebenso wie mehrere große zusammenhängende Gebiete in Syrien. Und sie haben die Autobahn von Bagdad nach Norden zur syrischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht.

Den Gegner demoralisiert haben sie durch ihren beispiellosen Terror. Auch wenn all diese grauenhaften Fotos und Videos von Hinrichtungen nicht nachzuprüfen sind – sie verbreiten Angst und Schrecken. Im so ausgelösten Nervenkrieg haben die Islamisten die ersten Schlachten klar gewonnen. Zu ihrer Strategie gehört das Anwerben ausländischer Kämpfer. Die kommen nicht nur aus anderen sunnitischen Ländern. Es sind auch zum Islam bekehrte Europäer dabei wie der Brite, der der sich jetzt Abu Muthanna al Yemen nennt. Er sagt: “wir haben in Syrien gekämpft und werden jetzt mit Gottes Erlaubnis in den Irak gehen. Dann werden wir ohne Probleme weiter ziehen nach Jordanien und in den Libanon.”

Es sind auch schon ähnliche Videos von deutschen Dschihadisten aufgetaucht. Die Drohungen gegen die Nachbarländer des Irak werden dort sehr ernst genommen. Jordanien versucht seine Grenze stärker zu sichern. Das haschimitische Königreich ist schon einmal zum Opfer benachbarter Konflikte geworden.
Vor gut 50 Jahren bestand die Gefahr, dass die damals sehr radikalen Palästinenserführer die Macht im Lande übernehmen. Die blutige Vertreibung der Palästinenser aus Jordanien zu Beginn der 1970er Jahre ist als “Schwarzer September” in die Geschichte eingegangen.

INTERVIEW: “Die Sunniten im Irak werden diskriminiert”

euronews-Korrespondent Bora Bayraktar hat den früheren irakischen Vizepräsidenten Tarik al-Haschimi zum Gespräch über die Lage im Irak getroffen. Haschimi wurde 2012 wegen Mordvorwürfen im Irak in Abwesenheit zum Tode verurteilt, nun lebt er in der Türkei, die ihn nicht ausliefern will. Der Sunnit ist ein politischer Gegner des schiitischen irakischen Regierungschefs Nuri al-Maliki. Haschimi gehört zur irakischen Nationalbewegung.

Tarik al-Haschimi

Nuri al-Malikis Politik, die auf moderate Sunniten abzielt, hat ein Vakuum geschaffen, das von Extremisten gefüllt wurde. Gleichzeitig werden unsere jungen und bislang moderaten Männer langsam zu Extremisten, denn sie können die unmenschlichen Umstände, in denen sie leben, nicht länger tolerieren. Sie werden diskriminiert und erniedrigt, nur, weil sie Sunniten sind. Sie haben keine Jobs. Und dann kamen Extremisten zu ihnen und sagten, “schau, du bist in dieser Lage, weil du am friedlichen politischen Prozess teilgenommen hast. Versuche, deine Einstellung und dein Verhalten zu ändern, versuche, stark zu sein und Gewalt anzuwenden, dann wirst du eine bessere Zukunft haben.” Das ist die Botschaft der Extremisten an die jungen Männer.

euronews

“Das Gleichgewicht, das von den USA zwischen 2010 und 2013 zwischen Schiiten und Kurden erzielt wurde, und das die Sunniten außen vor ließ – ist dieses Gleichgewicht nach den Angriffen von ISIL zerstört?

Tarik al-Haschimi

“Die internationale Gemeinschaft sollte nicht uns die Schuld geben, sondern sich selbst und Maliki. Als sie ihn bei der Parlamentswahl 2010 unterstützten, waren wir von der irakischen Nationalbewegung die eigentlichen Gewinner. Und am Ende fanden wir heraus, dass die USA mit dem Iran kooperierte, um Maliki zu unterstützen. Das ist das, was geschehen ist. Jetzt ist es an der Zeit für die internationale Gemeinschaft, einzuschreiten und den Irakern dabei zu helfen, zusammenzukommen und die historischen Fehler zu beheben, um einen alle einschließenden, zivilen Staat aufzubauen der alle Iraker, egal wo sie herkommen, gleichstellt, mit gleichen Pflichten und gleichen Rechten.

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