Wahlforscher: "Ich denke, Erdogan wird gewinnen"

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Von Euronews
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An diesem Sonntag kann das türkische Volk erstmals seinen Präsidenten direkt wählen. Das Ergebnis könnte einen historischen Wendepunkt in der Geschichte des Landes darstellen und wichtige Änderungen im politischen und wirtschaftlichen System zur Folge haben.

Der neue Präsident steht vor großen Herausforderungen.
Was die Innenpolitik betrifft, ist die derzeitige wirtschaftliche Lage eher stabil. Das Hauptproblem bleibt, eine friedliche Lösung in der Kurdenfrage zu finden.

Was die Außenpolitik angeht, hat die Türkei an ihren Grenzen Probleme zu lösen. Zahlreiche syrische und irakische Flüchtlinge strömen ins Land. Die Türkei betreut momentan mehr als eine Million syrische Flüchtlinge.

Der Journalist Mahmut Övür erklärte: ‘‘Die Türkei hat tiefgreifende Probleme, die seit vielen Jahren nicht gelöst werden konnten, wie zum Beispiel die Kurdenfrage, das Problem mit anderen Minderheiten und strenggläubigen Muslimen, die gemäß ihres Glaubens in Übereinstimmung mit ihrer Identität leben wollen.”

Bei den Kommunalwahlen im vergangenen März hatte Erdogan einen Sieg davongetragen und bereitet sich seitdem auf sein neues Wunsch-Amt vor. Ihm gegenüber stehen: Ekmeleddin Ihsanoglu, der gemeinsame Kandidat der beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP und der kurdische Kandidat Selahattin Demirtas.

Sollte Erdogan gewählt werden, stehen dem Land einige Änderungen bevor, unterstreicht der Journalist Mahmut Övür: ‘‘Ich denke, die Tatsache, dass ein Präsident von seinem Volk gewählt wird, stellt einen Übergang zu einem semipräsidentiellen System dar. Demzufolge wird sich auch die Rolle des Ministerpräsidenten verändern, auch wenn es dafür keine Änderung der Verfassung gibt. Ich glaube, dass die AKP-Partei darauf vorbereitet ist.”

Die türkische Opposition hat Schwierigkeiten, ihre Kräfte zu bündeln. In den vergangenen 12 Jahren verlor sie acht Wahlen hintereinander. Mahmut Övür sagte dazu: “Das Hauptproblem liegt darin, dass die Opposition nicht in der Lage ist, Politik zu machen. Sie hätte Alternativen schaffen müssen. Wie wir alle wissen, haben die beiden größten Oppositionsparteien einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt, den sie auf Türkisch einen “Dach-Kandidaten” nennen.

Dieser Kandidat, Ekmeleddin Ihsanoğlu, früherer Generalsekretär der Organisation für Islamische Zusammenarbeit hat Umfragen zufolge nur äußerst geringe Chancen, über 40 Prozent der Stimmen zu erhalten.

Melis Ozoglu, euronews
Vor diesem historischen Datum in der Türkei gehen wir nach Istanbul, dort sind wir mit dem Wahlforscher Adil Gür von A&G Research verbunden. Beide Kandidaten, also Ministerpräsident Recpe Tayiip Erdogan und Selahattin Demirtas von der HDP sind beides bekannte Politiker. Nun ist mit Ekmeleddin İhsanoğlu ein weiterer Kandidat im Rennen, der neu in der Politik ist. Und viele kennen ihn nicht. Denken Sie, das ist ein Nachteil für ihn?

Adil Gür
Laut den jüngsten Umfragen, die wir gemacht haben, kennen gut 80-90 Prozent der Bürger Ihsanoglu. Aber seinen Namen zu kennen heißt nicht, sein politisches Programm zu kennen. Das heißt, damit man ihn wirklich kennt, müssen die Leute wissen, welche Ansichten der Kandidat zu bestimmten politischen Fragen und wichtigen Problemen der Türkei vertritt. Was denkt er beispielsweise über die Kurdenfrage? Oder wie ist seine Meinung zur Außenpolitik der Türkei? Es ist wichtig, dass die Bürger all das wissen. Und in dieser Hinsicht liegt Ihsanoglu ganz klar hinter Erdogan und Demirtas, auch wenn man seinen Namen kennen mag,

euronews
Bei dieser Wahl werden keine Parteien, sondern einzelne Kandidaten gewählt. Denken Sie, die Parteizugehörigkeit spielt für die Wähler dennoch eine Rolle oder wird es Wechselwähler geben?

Gür
Unsere Untersuchungen zeigen, dass bei den letzten Kommunalwahlen 97 Prozent der Wähler, die für die AKP sind, Erdogan gewählt haben. 98,4 Prozent von denen, die für die HDP sind, wählen auch Demirtas. Auf der anderen Seite ist Ihsanoglu ein Kandidat, der die Unterstützung von zehn politischen Parteien erhalten hat. Aber es scheint unmöglich, dass die Stimmen aus all diesen Parteien in einem einzigen Block zusammenkommen. Es ist durchaus möglich, dass es hier viele Wähler gibt, die nicht für Ihsanoglu stimmen. Die Wählerbasis der AKP und der HDP unterstützt also ihren jeweiligen Kandidaten. Die meisten Stimmen werden wohl bei den Wählern der CHP nd der MHP verloren gehen, auf deren Ticket Ihsanoglu kandidiert.

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Wenn keiner in der ersten Runde 50 Prozent erhält und HDP-Kandidat Demirtas aus dem Rennen geht, werden dann die meisten Demirtas-Wähler sich Ihsanoglu zuwenden?

Gür
In der Türkei wählen vor allem Menschen kurdischer Herkunft Demirtas. Bei den letzten Wahlen vor 8-10 Jahren in der Türkei, haben nur zwei Parteien kurdische Stimmen bekommen, und das sind die AKP und die HDP. Ein Großteil der Wähler von HDP und BDP werden also für Erdogan stimmen. Ich denke nicht, dass es eine zweite Runde geben wird, die Wahl wird im ersten Durchgang entschieden.

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