Ausblick auf die "neue" Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan

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Von Euronews
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Der Gang ins Mausoleum des Mustafa Kemal Atatürk gehört für neue türkische Präsidenten dazu. Auch Recep Tayyip Erdoğan besuchte gleich nach seiner Vereidigung am Donnerstag das Grabmal des Begründers und ersten Präsidenten der modernen Republik Türkei, dessen Vermächtnis er nun weiterführen soll.

Doch Erdoğan, der mächtigste Mann der Türkei lässt keinen Zweifel daran, dass er das System verändern möchte. Schon jetzt hat die AK-Partei, die er 2001 mitbegründete und die seit 12 Jahren regiert, das Land grundlegend verändert. Sie hat das Bruttoninlandsprodukt verdreifacht und die Macht des Militärs verringert, betreibt mir ihrer Hinwendung zum Islam aber auch eine Abkehr vom Atatürkschen Prinzip des Laizismus.

Was schwebt Erdoğan, als jetzt parteilosen Präsidenten, für die Türkei noch vor? Darüber sprach euronews-Reporter Bora Bayraktar mit Prof. Dr. Talip Küçükcan, Direktor des Instituts für Nahost-Studien, Professor für Soziologie und Religion an der Marmara-Universität in Istanbul und ein Anhänger der Erdoganschen Politik.

Bora Bayraktar, euronews: “Der neue Präsident ist vereidigt. Wie wird er Ihrer Meinung nach die Türkei regieren?”

Talip Küçükcan: “In der Türkei ist zum ersten Mal ein Präsident vom Volk gewählt worden. Das ist neu. Deshalb sollten wir die Wahl als Beginn einer neuen Ära sehen. Er unterstreicht die Tatsache, dass die Türkei seit 12 Jahren im Wandel ist. Er sagt, das werde sich fortsetzen. Er verwendet häufig dieses Konzept, es ist das Konzept einer neuen Türkei.

“Wir können davon ausgehen, dass er auch in der Außenpolitik aktiv sein wird. In seinem Programm greift er das Thema globale Gerechtigkeit auf – wie beim Gaza-Problem, oder bei der Überwindung der Armut in Somalia während seiner Amtszeit als Ministerpräsident. Er wird versuchen, die internationale Gemeinschaft und die Vereinten Nationen zu beeinflussen, um seine Ziele der globalen Gerechtigkeit und Gleichheit zu erreichen.

“Es gibt gewisse Unterschiede zwischen der ‘alten’ und der ‘neuen’ Türkei. Es geht nicht nur um Rhetorik. In der ‘alten’ Türkei war die politische Beteiligung begrenzt und Rechte und Freiheiten waren eingeschränkt. Das Land war politisch instabil. Zwischen 1990 und dem Jahr 2000 hat es alle anderthalb Jahre Wahlen gegeben. Die Medien waren in einer Hand, das Kapital war monopolisiert. Aber die ‘neue’ Türkei bedeutet mehr Pluralismus. Eine Türkei, in der Reformen durchgeführt werden, eine nach der anderen, aufgrund des Integrationsprozesses mit der EU, bei dem der Einfluss des Militärs reduziert wird und die politische Beteiligung steigt.”

euronews: “Davutoğlu steht nun der AK-Partei und der Regierung vor. Was für ein Ministerpräsident wird er sein?”

Talip Küçükcan: “Ahmet Davutoğlu ist ein wichtiger Intellektueller. Davutoğlu’s Amtszeit als Ministerpräsident sollte als die Fortsetzung von 12 Jahren AKP-Herrschaft angesehen werden, nicht als eine neue Ära. Er wird der Partei mehr Dynamik und jüngere Kader bringen. Aufgrund des Maximums von drei Mandaten pro Mitglied werden viele erfahrene Abgeordnete nach der nächsten allgemeinen Wahl fehlen.

“Ahmet Davutoğlu ist sich dessen bewusst: Die türkische Machtstellung wächst mit der Konsolidierung des Landes, weniger Polarisierung und der Stärkung der Demokratie. Und auch die Beziehungen der Türkei mit der Europäischen Union hängen damit zusammen.”

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