"NATO muss Russland eine klare Botschaft vermitteln"

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Von Euronews
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Der neue NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat der Türkei uneingeschränkte Unterstützung zugesichert, sollte sie von der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen werden. Der frühere Ministerpräsident Norwegens will in den nächsten Tagen seine ersten Reisen nach Polen und in die Türkei unternehmen. Stoltenberg sprach von der grundlegenden Verantwortung des Bündnisses und von der Beistandspflicht, dem sogenannten Bündnisfall, wie er im Artikel 5 festgeschrieben sei. Bisher wurde der Bündnisfall nur ein einziges Mal ausgerufen: Einen Tag nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York. “Vor nicht allzu langer Zeit noch galt die NATO als ein Relikt des Kalten Krieges”, so unser Korrespondent James Franey. “Doch die Bedrohung an den östlichen Außengrenzen und die Gefahren im Nahen und Mittleren Osten geben dem Bündnis erneut Sinn. Stoltenberg muss die Mitglieder der Allianz davon überzeugen, dass sie für die neuen Aufgaben genügend Mittel bereitstellen.”

Über die Herausforderungen für den neuen NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprachen wir mit Julian Lindley-French vom Londoner Statecraft Institute.

euronews:
“Wie will Stoltenberg die europäischen Mitgliedsstaaten der NATO trotz der Krise in der Eurozone dazu bringen, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen?”

Julian Lindley-French:
“Ja, die Krise in der Eurozone. Wir beschäftigen uns damit nicht. Wir stellen dafür einfach Geldmittel bereit, in vielen europäischen Ländern hat keine der Strukturreformen stattgefunden, die nötig wären, um die Krise zu lösen. Stattdessen zieht man es vor, auf Wachstum zu warten, es geht wie in dem Stück “Warten auf Godot” von Samuel Beckett zu. Angesichts dieser Situation ist der Verteidigungshaushalt ein billiges Ziel. In den vergangenen Jahren konnte man sehen, wie die Verteidigungsausgaben zugunsten sozialer Ausgaben, zugunsten der Ausgaben für Gesundheit und Bildung verringert wurden und wie diese Länder mit den Sparprogrammen kämpften. In diesem Sinn muss Stoltenberg deutlich machen, in welcher Welt die Europäer heute leben. Es geht um den amerikanischen Niedergang. Die Ära der US-Vormacht ist zuende. Andere Faktoren kommen hinzu. In wenigen Jahren werden die USA zu Selbstversorgern in Sachen Energie. Im US-Kongress ist inzwischen eine andere Generation vertreten, sie ist nicht mehr gewillt, den Wohlstand der Europäer militärisch zu verteidigen. Die Europäer müssen in die Realität zurückkehren und zur Kenntnis nehmen, dass sie sich selbst verteidigen und viel mehr tun müssen, um ein US-Engagement zu rechtfertigen.”

euronews:
“Welches sollte die langfristige Russland-Strategie sein?”

Julian Lindley-French:
“Einerseits darf man die Kommunikation nicht abreissen lassen, Vertrauen ist notwendig, die Beziehung muss aufrechterhalten werden. Zugleich aber müssen wir Russland mithilfe der NATO eine klare Botschaft vermitteln: Denn Russland wird bis 2020 rund 700 Milliarden Dollar für die Modernisierung der Streitkräfte ausgeben, was 20 Prozent der öffentlichen Investitionen entspricht. Unsere Botschaft muss daher sein, dass unsere Verteidigungsausgaben im Rahmen der Allianz höher und sinnvoller sind. Klar ist, dass Verteidigungsausgaben in dieser Höhe für Russland eine Last sind, dass es hinausgeworfenes Geld ist und dass dies eine viele größere Bedrohung für den russischen Staat ist, als es die NATO sein kann. Im Grunde bedroht die NATO Russland nicht, die Bedrohung gibt es nur aus Moskauer Sicht. Wir müssen mit Russland kommunizieren, zugleich aber sicherstellen, dass die NATO-Alliierten in Europa die beherrschende Militärmacht bleiben.”

euronews:
“Welches ist die Rolle der NATO im Kampf gegen die Terrorbewegung Islamischer Staat?”

Julian Lindley-French:
“Die NATO wird diesbezüglich keine unmittelbare Rolle spielen. Eine solche hat die von den USA geführte Koalition inne. Dies ist eine der Lehren der Militäraktionen in Afghanistan, dass von den USA geführte Koalitionen jenseits der NATO-Strukturen wirksam sind. Es gibt allerdings eine Schwachstelle der Allianz: Die NATO eignet sich heute mehr zur Bildung von Koalitionen, als sie eine Militärallianz ist. Die Mitglieder und Partner haben gemeinsame Standards, was zur Folge hat, dass die Militärkräfte der Allianz viel effektiver sind, als es andere lockere Zusammenschlüsse von Nationen sein können. Die NATO spielt somit in Sachen Effizienz und Wirksamkeit eine ganz klare Rolle. In dem politischen Konflikt im Nahen Osten spielt sie zur Zeit aber keine Rolle.”

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