Hongkong-Proteste: "China nimmt 'ein Land, zwei Systeme' sehr ernst"

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Von Euronews
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Seit gut zwei Wochen halten die Demonstrationen in Hongkong für mehr Demokratie nun an, doch die Occupy-Central-Bewegung hat an Schwung verloren. Lediglich ein paar hundert Studenten nehmen noch an den Protesten teil.

Jetzt hat die Regieung der Sonderverwaltungszone die für diesen Freitag geplanten Gespräche mit den Studenten abgesagt. Verwaltungschefin Carrie Lam begründete das mit dem Aufruf der Studenten, am Freitag wieder zu demonstrieren, um Druck auf die Verhandlungen auszuüben. Sie kritisierte, dass die Studenten eine Abschaffung der Wahlreform forderten, die China Volkskongress beschlossen hatte.

Seit der Rückgabe der Kronkolonie durch die Briten 1997 an China wird Hongkong als eigenes Territorium mit einem hohen Maß an Autonomie, aber unter Chinas Souveränität regiert. Der Grundsatz heisst: “Ein Land, zwei Systeme”.

Getreu diesem Motto ist Chinas Präsident Xi Jinping weiter das Staatsoberhaupt von Hongkong. Chinas Zentralregierung muss die Wahl des Regierungschefs der Sonderverwaltungszone billigen. Der Wahlausschuss besteht aus meist pekingfreundlichen Mitgliedern.

Der Hongkonger Regierungschef Leung Chun-ying ist seit Juli 2012 im Amt, genießt aber wie seine zwei Vorgänger wenig Vertrauen im Volk. Sollten die Proteste nun wieder aufflammen, stellt sich die Frage, wie Peking damit umgehen wird und welche Strategie Xi Jinping verfolgt. Darüber haben wir mit dem China-Experten Robert Laurence Kuhn gesprochen.

Euronews: China hat sich angesichts der Proteste in Hongkong eher zurückgehalten, ganz im Gegensatz
zu sonst, wenn es herausgefordert wird. Ist das eine neue Strategie von Xi Jinping oder ein Einzelfall?

Kuhn: Zunächst einmal muss man das Konzept “ein Land, zwei Systeme” begreifen.

Nach diesem Grundsatz werden Hongkong und Macao regiert – sowie, wenn es nach China geht, eines Tages auch
Taiwan. Und dieses Prinzip nimmt China sehr ernst.

Aus Sicht der chinesischen Regierung hat sich somit nichts geändert: Solche Proteste sind eine Sache für die Behörden vor Ort in Hongkong.

Die Regierung ist deshalb nicht davon losgelöst, natürlich macht sie sich trotzdem starke Sorgen über die Ereignisse.

In Festlandchina würde eine solche Kundgebung nie über so lange Zeit zugelassen: Aber dass Hongkong damit selbst umgehen darf, ist kein Politikwechsel.

Euronews: Warum hat China überhaupt beschlossen, die Wahlbewerber vorher auszusuchen? Es war doch klar, dass das Ärger bringt.

Kuhn: Das mit dem Ärger würde ich so nicht unbedingt unterschreiben. Man muss da das Hongkonger Grundgesetz sehen; es bleibt ja so ein bisschen im Unklaren, wie das genau funktionieren soll.

Es ist das erste Mal in der Geschichte: Unter britischer Herrschaft gab es ja keine westliche Demokratie, sondern einen Gouverneur. Das alles muss sich also auch erst entwickeln.

Natürlich kommt Hongkong nicht los von dem Umstand, dass es chinesisch ist und letztlich von China regiert wird.

Aber davon abgesehen wird China sich so weit wie möglich an den Grundsatz halten “ein Land, zwei Systeme”, der bisher ja auch ganz gut funktioniert hat.

Euronews: Sie sprechen von einer Entwicklung. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass Xi Jinping auf die Forderungen der Demonstranten eingeht, vor allem was die Vorauswahl der Kandidaten betrifft?

Kuhn: Klare Antwort: Nein. Für mich gibt es keine Möglichkeit, dass die Führungsspitze in China Hongkong erlauben wird, durch Proteste irgendetwas Grundlegendes zu ändern.

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Es geht hier um zwei Dinge: Erstens um die Wahl des Hongkonger Regierungschefs und die Frage, ob das ein Gegner der chinesischen Politik sein kann – oder ob er durch allgemeine Wahlen bestimmt
wird, aber aus einem vorher genehmigten Bewerberfeld. Darum geht es doch im Kern.

Es geht aber zum anderen auch um die äußere Form: China will hier keinen Präzedenzfall, bei dem sich durch Straßenproteste etwas ändert.

Wir haben hier also zwei Fragen – und auf beide gibt es die Antwort: Nein.

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