Kurdischer Außenminister bittet internationale Gemeinschaft um Hilfe

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Von Euronews
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Sie stehen den IS-Dschihadisten seit Monaten allein gegenüber. Die kurdischen Kämpfer sind im Irak und in Syrien wie in Kobani im Einsatz. Ohne sie hätten die islamischen Extremisten vielleicht schon den Krieg gewonnen. Doch was bringt den Kurden der militärische Widerstand?

Der Krieg gegen die ISIL-Kämpfer hat sie zumindest einander nähergebracht. Jeden Tag begraben türkische Kurden ihre Brüder, die auf der anderen Seite der Grenze fallen, in den Hügeln vor Kobani. Dass sie sich den Kämpfern in Syrien anschließen, verhindert die türkische Regierung. Im Irak bieten die Peschmerga den Dschihadisten seit Monaten erbitterten Widerstand. Der Irak ist der einzige von vier Staaten mit großem kurdischen Bevölkerungsanteil, in dem es eine autonome politische Einheit gibt, die von der irakischen Verfassung und der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird.

Von den 40 Millionen Kurden weltweit leben viele weit verstreut in Europa. Doch die überwiegende Mehrheit hat sich im Iran, in Syrien, im Irak und in der Türkei niedergelassen. Genau in der Mitte des Gebietes erstreckt sich die autonome Region Kurdistan im Irak. Der Vorbote eines unabhängigen Staates mit ausgeweiteten Grenzen?

Soweit will der Präsident der irakischen Region nicht gehen. Allerdings kündigte er in diesem Sommer an, ein Referendum über die Unabhängigkeit der Provinz abhalten zu wollen. Im dem derzeit herrschenden Chaos ist schwer einzuschätzen, wie der Ausgang ausfallen würde.

Die Kurden der Region haben zumindest einen Teilerfolg erzielt, indem sie sich bei der Bekämpfung von ISIL unentbehrlich machen und die Rückendeckung des Westens haben. Der Traum von einem großen Kurdistan ist weit entfernt, da es unter den Kurden viele Differenzen gibt und die Staaten, in denen sie leben, unterschiedliche Interessen verfolgen. Zur Stunde bleiben sie ein Volk ohne Staat, von dem Hunderttausende verstreut in der ganzen Welt leben.

Kurdischer Außenminister: “Bitte helft uns”

Alasdair Sandford, euronews
Aus Brüssel ist uns Falah Mustafa Bakir zugeschaltet, der Außenminister der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, er ist gerade auf Europabesuch. Mehrere Regierungen haben Waffen für den Kampf gegen die Terrormiliz ISIL angeboten. Was fordern Sie und welche Antwort erhalten Sie?

Falah Mustafa Bakir
Danke, ich freue mich, mit Ihnen zu sprechen. Wir sind den Regierungen, die uns militärische und humanitäre Hilfe angeboten haben, sehr dankbar. Aber wir wollen, dass die Hilfe fortgesetzt und ausgeweitet wird, damit wir ISIL bekämpfen und besiegen können. Wir haben Fortschritte erzielt, wir haben einige Gebiete zurückerobert, aber um sicherzustellen, dass wir weiterhin Erfolg haben, müssen die Luftschläge fortgesetzt und ausgeweitet werden und wir benötigen schwere Waffen. Und wir haben mit den Peschmerga verlässliche Bodentruppen im Einsatz, die dem Rest der Welt gezeigt haben, was sie können. Daher rufen wir unsere Freunde in der internationalen Gemeinschaft auf: Bitte helft uns, damit wir uns selbst helfen und gegen ISIL kämpfen und gewinnen können.

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Sind Sie mit den kurdischen Kräften zufrieden, die die einzigen Kämpfer stellen und die Drecksarbeit machen?

Falah Mustafa Bakir
Wir sind stolz, im Namen der freien Welt gegen diese Terrororganisation zu kämpfen, aber um unsere Ziele im Irak zu erreichen, brauchen wir auch andere Partner. Um ISIL langfristig zu besiegen, benötigen wir regionale wie auch internationale Kooperation. Es geht nicht nur darum, sie am Boden militärisch zu bekämpfen, wir müssen auch Geheimdienstinformationen austauschen, wir müssen ihren Nachschub und die wirtschaftliche Unterstützung, die sie erhalten, stoppen. Daher benötigen wir Partner und die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und der internationalen Koalition.

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Zum Standpunkt der Türkei: Tut Ankara genug, was Sie angeht?

Falah Mustafa Bakir
Wir müssen zusammenarbeiten, aber sicherlich ist es Sache der türkischen Regierung zu entscheiden, wo sie steht und wie sie vorgeht. Sie wollten bezüglich der ISIL-Miliz in Syrien Klarheit von der Internationalen Gemeinschaft. Aber ich glaube, sie denken über das Thema sehr ernsthaft nach, und wir hoffen, dass es eine einheitliche Front der internationalen Koalition und der regionalen Mächte gibt.

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Wie sieht die humanitäre Situation aus? Sie haben von 1,5 Millionen Flüchtlingen im Kurdengebiet gesprochen, die vor der Gewalt, vor ISIL fliehen. Was muss an humanitärer Hinsicht noch geleistet werden?

Falah Mustafa Bakir
Wir haben 250.000 syrische Flüchtlinge in unserer Region aufgenommen, und erst jüngst sind mehr als 10.000 gekommen, die die Grenze von Kobani in die Türkei und von der Türkei in die kurdische Region überschritten haben. Dazu haben wir mehr als 1 Million irakische Binnenflüchtlinge.

Wir stehen unter enormem Druck. Wir sind den UN-Organisationen und Hilfsprogrammen dankbar, die hier bei uns vor Ort sind. Wir freuen uns über die guten Beziehungen, die wir zu ihnen haben. Wir sind den internationalen NGOs dankbar, die unsere Partner geworden sind, dank lokaler kurdischer Wohltätigkeitsorganisationen, aber wir brauchen Partner. Zunächst möchten wir, dass die Regierung in Bagdad sich vorwärtsbewegt und Verantwortung mit uns teilt.

Wir sind allen Gebern dankbar, besonders der Europäischen Union, der EU-Kommission, die uns sehr mit den Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen geholfen hat. Aber wir haben wirklich Probleme, besonders, da der Winter kommt. Tausende Menschen leben unter freiem Himmel, in Schulen, in unfertigen Gebäuden, das ist eine schwierige Lage. Wir wären dankbar für jede Form der Hilfe, die wir von der EU erhalten, damit wir den Menschen helfen können.

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