Eine Pressekonferenz, die die Welt veränderte

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Von Euronews
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Bevor der erste Schlagbaum hochgehen konnte in jener historischen Nacht, gab es eine Pressekonferenz. Günter Schabowski informierte über eine Sondertagung des Zentralkomitees der in der DDR herrschenden “Sozialistischen Einheitspartei” mit den Worten: “Wir haben uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen.”

Gemeint waren damit eigentlich nur jene, die der DDR für immer den Rücken kehren wollten. So hatten es sich jene DDR-Fachleute für Regulierungen aller Art gedacht: Erst mal die “Querulanten” loswerden. Aber die Leute an den Fernsehern verstanden, was sie verstehen wollten, nämlich: “Wir dürfen reisen, in den Westen und zurück”.
So strömten sie in Massen, erst in der Nacht, dann am nächsten Morgen, da gab es kein Halten mehr.

Maria Schüler wohnte im Ostberliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Der nächste Weg gen Westen führte über die Bösenbrücke nach Wedding. Jahrzehnte später sagt sie : “Ich wohnte so lange, über 20 Jahre, hier in der Gegend und habe immer diese Brücke gesehen und da konnte ich nie ´rauf. Also da wollte ich endlich mal stehen und , na ja, dort habe ich dann Sekt getrunken und geweint. “

Von ihren Gefühlen überwältigt waren viele, als sie sich plötzlich “reise-frei” fühlen durften. Kaum einer hatte mitbekommen, dass die entscheidende Verkündigung auf der historischen Pressekonferenz das Resultat der Frage eines italienischen Journalisten war. Dieser Riccardo Ehrmann hatte nämlich nach dem Reisegesetz gefragt, das am Montag zuvor veröffentlicht worden war.

Jahre später spürt man immer noch seine Verblüffung, wenn Ehrmann sagt, er habe sich bei aller Fantasie nun wirklich nicht vorstellen können, dass die Antwort auf seine Frage ein Erdbeben auslösen und das ganze Reich des Kommunismus zum Einsturz bringen würde.
Das Erdbeben nahm zunächst am folgenden Wochenende die Form einer gigantischen Party auf dem berühmten West-Berliner Kudamm an…

Marie Schüler erinnert sich : “Mir kamen die Leute vom Westen entgegen – von der Osloer Straße und boten mir ein Glas Sekt an, und wir tranken zusammen. Und auf der anderen Seite war mir klar, mit diesem Schritt dahin, ist die Welt, in der ich gelebt habe – und die will ich jetzt gar nicht bewerten – aber das ist jetzt vorbei.”

Ob dem DDR-Grenzer schon bewusst war, dass er nur noch fürs Familienalbum fotografierte? Ein Jahr später war der Staat, für den er auf Wache gezogen war, Geschichte.

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